Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ er kein Wort.

      Die Kapelle war leer. Plauen sprach ein kurzes Gebet am Seitenaltar und nahm dann in einem der Ritterstühle Platz. Dem Junker wies er den nächsten. Sagt, was geschehen – Gott wird mir Kraft geben, alles zu hören.

      Hans von der Buche erzählte, was er mit eigenen Augen gesehen oder von Augenzeugen erfahren. Lebhaft schilderte er alle Schrecken der Schlacht. Der Komtur hatte den Arm aufgestützt und das krause graue Haar über der Stirn mit zusammengeballter Hand gefaßt. Er saß unbeweglich, die Augenlider gesenkt, die Zähne scharf ineinander verbissen. Kein Zeichen des Unglaubens machte sich mehr sichtbar. Es schien, daß kein Zweifel weiter Raum finden konnte in seiner Seele, nachdem sein Herz so schwer getroffen war. Als Hans aber erzählte von des Hochmeisters letztem ritterlichen Kampf und von seinem heldenhaften Ende, da seufzte er laut und stöhnte schmerzlich und sagte leise: Gott – Gott – Gott sei uns gnädig!

      Er brauchte einige Zeit, sich zu sammeln: das Ungeheure dieser Nachrichten überwältigte ihn. Und wer führt nun das Heer zurück? fragte er dann.

      Es schien keinen Führer mehr zu haben, antwortete Hans. Und ein Heer war's auch nicht mehr. Aufgelöste Haufen stürmten über das Feld hin, keinem Hauptmann gehorchend. Viele versanken in den Moorgründen der Semnitz, andere zerstreuten sich in den Wäldern – die Tataren waren auf ihren schnellen Pferden hinter ihnen her.

      Und der Ordensmarschall? Friedrich von Wallenrod ist in der Schlacht gefallen. Und Kuno von Lichtenstein, der Großkomtur –?Gefallen.

      So ergriff Graf Albrecht von Schwarzburg das große Banner – er ist ein tapfrer Mann!

      Er starb den Heldentod. Ritter an Ritter lag neben ihm hingestreckt.

      Auch der Oberst-Trappier – o Jammer! Aber der Ordenstresler –? Sprecht, sprecht!

      Man sagte mir, auch der tapfere Thomas von Merheim sei unter den Erschlagenen. Aber ich sah ihn nicht. Die Leichen lagen hoch getürmt, wo er gestanden hatte.

      So blieb von den obersten Gebietigern nur noch der Spittler, Werner von Tettingen. Er ist ein alter, kranker Mann.

      Ich bemerkte ihn unter den Fliehenden. Er bemühte sich, die Reste der Elbinger Fähnlein zusammenzuhalten. Wenige Ritter waren um ihn.

      Und die Komture?

      Sie müssen in der Schlacht geblieben sein bis auf wenige. Der von Danzig rettete sich mit einigen Rotten Danziger Bürger und einer Söldnerschar in den Wald. Ich verlor sie bald aus den Augen.

      Plauen schwieg wieder eine Weile. Sein Gesicht hatte einen finsteren Ausdruck, die Falten auf der Stirn vertieften sich, die Finger wühlten im krausen Haar. Und warum – kommt Ihr zu mir ?

      Ich weiß nicht, wie ich darauf fiel. Es war ein Gedanke – ganz plötzlich. Ich glaube, als ich den armen Freund in seinem Blut – Jetzt nichts von ihm. Was will des einzelnen kleines Leid – Die Stimme versagte ihm.

      Ihr standet plötzlich hochaufgerichtet vor meinen Augen, wie ich Eure Gestalt im Gedächtnis bewahrte. Und eine innere Stimme rief mir zu: der ist es – der kann retten aus dieser Not – der ist der einzige, der retten kann! Zu ihm! Und ich spornte mein Pferd und eilte zu Euch, Herr.

      Der Komtur lehnte den Kopf zurück. Retten –! Was ist zu retten, wo alles verloren ward? Nicht einmal ein geschlagenes Heer, die Burgen zu decken! Der König wird mit seinen wilden Horden das Land überschwemmen – ein Würgengel wird durch das ungeschützte Land ziehen, morden und brennen. Was kann ich –? Wenig mehr denn dreitausend Mann stehen unter meinem Befehl. Wenn ich mich den Polen entgegenwerfe – ich opfere sie unnütz. Hier kann ich das Schloß – kann ich Pommerellen verteidigen – mich in der Neumark mit Sternberg vereinigen, vielleicht im Rücken des Feindes. Aber wird er uns Zeit lassen? Wird er sich hierher wenden? Wird er einen Angriff abwarten? Was hindert ihn, die Marienburg –

      Er sprang auf. Ha, die Marienburg – das muß sein Ziel sein, wenn er nicht mit Blindheit geschlagen ist – ja, ja, die Marienburg! Ist sie genommen, so endet aller Widerstand. Solange des Ordens Banner von ihren Zinnen weht, ist der König nicht Herr im Lande. Des Ordens Haupthaus muß gerettet werden! Dorthin – und sollten wir uns unter seinen Mauern und Türmen begraben!

      Es war, als ob eine wilde Begeisterung ihn erfaßte, die Augen blitzten, und helle Röte stieg in sein eben noch aschfahles Gesicht. Laßt mich mit mir allein, rief er, ich will zu Gott beten, daß er mir Kraft gebe zu diesem Menschenwerk, und mich mit ihm beraten, wie ich's vollbringe! Ihr habt mir eine traurige Botschaft ausgerichtet, und wahrlich, so oft ich Euer Gesicht sehe, werde ich an diese Stunde gedenken müssen! Aber wenn ich zur Zeit die Marienburg erreiche vor des Königs Ankunft, will ich sie Euch doch danken. Geht jetzt!

      Der Junker entfernte sich: Er schwankte über den Burghof nach dem Brunnen, sich durch einen kühlen Trunk zu erfrischen. Der Körper war ihm so schwer, als könnten die Füße nicht länger die Last trägen. So setzte er sich denn auf die Steinbank und lehnte den Kopf an den Brunnenrand. Keine Minute verging, so war er fest eingeschlafen. Das Hausgesinde fand ihn dort, konnte ihn aber nicht erwecken. Einige Mitleidige, die ihn für erkrankt hielten, trugen ihn nach dem Schlafhause und legten ihn in eine Gastzelle desselben nieder.

      Heinrich von Plauen aber sank vor dem Altar auf die Knie und faltete die Hände über der Brust. Unverwandt sah er auf das Bild des Gekreuzigten. Er sprach kein Gebet, nicht laut und nicht leise. Seine Gedanken beschäftigten sich nur mit irdischen Dingen, aber womit sie sich erfüllten, das galt ihm nur als Eingebung von Gott. Er überzählte seine Ritter, seine Dienstleute, seine Söldner, seine Harnische, Armbrüste und Spieße; er überschlug seine Vorräte an Fleisch und Brot und allerhand Zehrung; er teilte den Weg bis zur Marienburg in Tagemärsche und bedachte, welche Flüsse zu passieren, welche Brücken zu schlagen seien. Und wundersam klar wurde ihm alles. Da stand er auf und sagte: Hilf Gott! und schritt durch die Pforte in der Mittelwand nach dem Kapitelsaal.

      Dort gab er den Brüdern mit der Glocke das Zeichen, sich zu versammeln. Bald erschienen die Ritter in ihren weißen Mänteln, begierig zu hören, was zu so ungewöhnlicher Zeit zu beraten sei, und doch mit feierlichem Schweigen ihre Plätze aufsuchend und dort geduldig wartend, bis der ganze Konvent versammelt. Auf dem Gesicht ihres Komturs lasen sie wohl dessen tiefe Bekümmernis, über niemand wagte zu fragen. Als die Türen geschlossen waren, erhob Plauen sich von seinem Sitz, nahm sein Schwert in beide Hände und hielt es mit dem Kreuzgriff vor sich hin. Im Namen der Jungfrau Maria, sagte er, das Kapitel ist eröffnet.

      Dann teilte er den Brüdern mit, alles was er erfahren hatte, so schlimm es auch war. Diese Nachrichten erschütterten sie tief, aber bei aller Beunruhigung im Innern verlor doch keiner die würdige Haltung, zu der die Beratung im Kapitel verpflichtete; so gute Zucht hatte der strenge Komtur gehalten. Und nun schloß er seine Ansprache: Liebe Brüder! Nichts habe ich euch verschwiegen, obschon mein Herz blutete, es zu melden. Denn nie bisher, solange der Deutsche Orden besteht, hat er einen solchen Tag der Schmach erlebt und einen so tiefen Fall getan. Lasset uns deshalb nicht mutlos werden! Es will mir scheinen, daß Gott uns berufen habe, sein Werk in diesem Lande vor dem Untergang zu bewahren. Wer unter euch möchte dazu raten, uns in des Königs Macht zu geben, weil er unsere Schwäche bedenkt? Gott ist stark in denen, die ihn anrufen! Erwartet auch nicht Befehle von auswärts. Wer soll sie auch geben? Tot ist der Hochmeister, tot der Ordensmarschall. Von allen Gebietigern lebt vielleicht nur der Spittler, und er ist gebeugt von Alter und Krankheit. Wir selbst müssen handeln. Diese Burg Schwetz ist fest und gut versehen mit Waffen und Vitalien. Eine kleine Schar kann sie gegen den Feind im Notfall halten, und mein Vetter von Plauen ist im raschen Anzuge mit mehreren Fähnlein Söldnern, die der Besatzung helfen können. Aber die Marienburg ist in Gefahr! Aus den Briefen, die mir der Herr Hochmeister schreiben hieß, hab' ich ersehen, daß sie entblößt СКАЧАТЬ