Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Witowd stellt sich den Fliehenden entgegen, mahnt sie mit Donnerstimme an ihre Pflicht, jagt sie in die Schlacht zurück, schlägt mit eigener Hand die Vordersten nieder. Umsonst alles. Der Schreck scheint alle Tatkraft zu lähmen, die Flucht geht unaufhaltsam weiter. Nun trennen sich die fliehenden Heerhaufen. Die einen werden in die Sümpfe gejagt und finden dort ihr Verderben, andere ereilt, ehe sie die Ufer erreichen, das Schwert der nachstürmenden Reiter. Ein Teil der Litauer und Tataren gewinnt glücklich die Brücke bei dem Dorfe Seewalde, aber bei dem ungeduldigen Drängen stürzen viele in den Fluß und ertrinken; ein anderer Teil sucht in entgegengesetzter Richtung über Dorf Faulen die Straße nach Neidenburg zu gewinnen, entkommt und verbreitet weit ins Land hinaus die Schreckenskunde von der Niederlage.
Nur noch drei Fahnen von Russen aus Smolensk standen fest auf dem Kampfplatze. Der Großfürst, noch immer nicht verzweifelnd, eilte zu ihnen und führte sie schnell in guter Ordnung zu seiner noch unbenutzten Reserve zurück. Das Ordensheer, soweit es nicht den Fliehenden nachjagte, griff hier sofort an. Die eine Fahne sank, die Mannschaft, die sie verteidigte, wurde fast gänzlich aufgerieben. Aber unter Witowds tapferer Führung gelang es dem Rest, fortwährend kämpfend, dem über Leichen hinschreitenden Feinde Widerstand zu leisten und endlich den Anschluß an die Polen zu gewinnen.
Der linke Flügel des Ordensheeres war siegreich, aber auch selbst gelöst aus aller Ordnung. In der Hitze der Verfolgung wurde der Ruf der Komture und Hauptleute ganz überhört, sich zu sammeln und die Schlachtreihen wieder herzustellen. So kam man weit ab vom eigentlichen Kampffelde und verlor des Ordensmarschalls schwarzes Kreuz und des Meisters großes Banner aus den Augen.
Aber auch dort auf dem rechten Flügel schien das Glück bei den Streitern Marias, der Heiligen Jungfrau, zu sein. Zwar Zindram war ein kaltblütiger Führer, der mit klugem Auge jede Blöße des Gegners erschaute und keinen Vorteil unbenutzt ließ, und seine Polen waren keine verächtlichen Streiter; aber zu heftig war der Ansturm der Ordensritter auf ihren kräftigen Rossen, unwiderstehlich der Andrang der um ihre Banner festgeschlossenen deutschen Bürger. Das große polnische Reichspanier mit dem weißen Adler sank in den Staub und wurde fortgeführt von den Rittern. Da jubelten die hochmeisterlichen Scharen, den Polen aber sank der Mut. Immer neue Haufen schickte Jungingen in den Kampf, und begeistert durch die Hoffnung auf Sieg folgten sie seinem Rufe. Da hub er an zu singen: »Christ ist erstanden!« Die nächsten in seiner Umgebung stimmten mit ein, dann die ferneren. Bald erscholl auf der ganzen Linie des Ordensheeres mächtig der Siegesgesang: »Christ ist erstanden!«
Aber zu früh jubelten die tapferen Streiter; noch war des Feindes Übermacht nicht gebrochen. Zindram erkannte zur rechten Zeit die Gefahr. Er hatte seine Kerntruppen: Söldner, Kriegsgäste und tatarische Reiterei, im Rückhalt. Die rief er nun eiligst heran: ein neues Heer schien aus dem Boden zu wachsen.
Auch Witowd zögerte nicht, ihn zu unterstützen. Sobald er die Russen und einige zersprengte Häuflein seiner Litauer glücklich dem Verderben entrissen hatte, sprengte er über das Feld, den König zu suchen. Er fand ihn hinter der Reserve und beschwor ihn, sich endlich den Seinigen zu zeigen. Mein Heer ist vernichtet, rief er ihm zu, und das Reichspanier in der übermütigen Feinde Hand, hörst du ihren Siegesgesang? Schon treiben sie deine Scharen zurück. Aber noch ist nichts verloren, wenn du mir mutig folgst, Vetter. Der linke Flügel des Ordensheeres ist weitab vom Marensefluß, beutegierig, meinen Litauern nachzusetzen, und kann in die Schlacht nicht eingreifen, wie er sollte. Zeigst du dich deinen Scharen, so wird ihre Mutlosigkeit schwinden, unter ihres Königs Augen werden sie löwenkühn fechten. Bei der Asche unserer Väter, bei unserem Racheschwur flehe ich dich an: folge mir!
Da schämte Jagello sich seiner Feigheit und ritt eine Strecke vor, doch immer in der Mitte seiner Leibwache. Als nun die Polen ihren König sahen, wie er sich im Bügel erhob und mit der Hand winkte, wuchs ihnen der Mut. Sie warfen sich von neuem auf die Deutschen und entrissen ihnen das eroberte Reichspanier. Der König aber teilte seine dritte Schlachtreihe, verstärkte mit einem Teil derselben die beiden vorderen und gab den Rest Witowd, damit er mit seinen Russen und Litauern den rechten Flügel wiederherstelle. Und nun führte Zindram auch die Söldner und Kriegsgäste von der Seite heran, während die Tataren auf flüchtigen Pferden den rechten Flügel des Ordensheeres umschwärmten.
Jetzt erst schien der Kampf zu beginnen. Gegen die mittlere Stellung des Ordensheeres drängte eine gewaltige Übermacht, der trotz heldenhafter Tapferkeit jedes einzelnen Streiters erfolgreich Widerstand zu leisten von Minute zu Minute schwieriger wurde. Gegen die Flügel warfen sich aber die noch frischen Streithaufen und brachten sie langsam zum Weichen. Es nützte jetzt wenig, daß die von der Verfolgung der Litauer Zurückkehrenden die Beute fortwarfen und mit dem Schwert einhieben. Witowd wehrte sie mit Riesenstärke ab und drang weiter vor. Das Dorf Tannenberg wurde nach heftigem Kampfe von ihm genommen; die darüber hinausgeschobenen Haufen mußten sich zurückziehen. Auf der andern Seite aber hatten sich Zindrams Soldtruppen im Wäldchen beim Seemen festgesetzt und bedrängten von hier aus den schon geschwächten rechten Flügel, so daß er aus der Schlachtlinie auszubiegen genötigt war. In dieser Gefahr, von zwei Seiten umgangen zu werden, versuchte die Mitte noch einmal mit einem mächtigen Vorstoß den Kern des königlichen Heeres zu sprengen. Einen Augenblick schien das Wagnis zu gelingen. Rechts und links sanken unter den wuchtigen Schwerthieben der Kreuzritter die Polen in den Staub; ihre Reihen waren so aufgelöst, daß des Königs glänzende Rüstung mitten in seinem Streithaufen sichtbar wurde und die Blicke der Angreifer zu seinem eigenen Schrecken auf sich zog. Da meinte der tapfere Ritter Leopold von Kötteritz den Augenblick gekommen, den übermächtigen Feind in seinem Haupt zu schlagen. Ohne Besinnen legte er die Lanze ein und stürmte gegen Jagello vor, ihn vom Pferde zu stechen. Aber dessen Begleiter waren wachsam; sein wackerer Schreiber Sbigneus von Oleßnitz warf den Ritter aus dem Sattel, und die anderen machten ihm nun mit Schwert und Kolben den Garaus. Schnell schlossen sich wieder die durchbrochenen Reihen, und so gewaltig war nun der Ansturm der Wütenden gegen die Mitte des Ordensheeres, daß auch sie ins Wanken kam und Schritt für Schritt den Plan räumte.
So hatte sich das Kriegsglück nun ganz vom Orden abgewandt. Seine Schlachtreihen waren gebrochen, viele Tausende tapferer Streiter lagen am Boden, ohne Führer kämpften die einzelnen Haufen, die noch standhielten. Aber bald war alles Unordnung und Auflösung. Der Komtur von Graudenz, Wilhelm von Helfenstein, wollte nicht weichen; er kämpfte, solange seine Hand das Schwert halten konnte, und starb den Heldentod; seine Tapferen verteidigten das Banner bis auf den letzten Mann. Auch um den gefallenen Arnold von Baden, Komtur von Schlochau, türmte sich ein gewaltiger Haufe von Leichen. Und dort weiter lagen die Komture von Althaus, von Engelsburg, von Nessau, von Straßburg, von Mewe und von Thorn, die Vögte von Roggenhausen und Dirschau mit allen den Ihrigen. Mehr als fünfhundert aus dem Elbinger Mayen waren erschlagen, und von den zwölfhundert СКАЧАТЬ