Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ Tag nach Graudenz alle seine Ritter und Knechte, die seine Mannen waren oder sein wollten. Wer da aber nicht käme, fügte er hinzu, den wolle er nicht für seinen Mann halten. Darüber entstand große Bestürzung bei denen, die sich mitschuldig wußten, und alle beeilten sich, nach Graudenz zu reiten und dem Herrn Hochmeister ihren schuldigen Gehorsam zu bezeigen, damit sie vielleicht die Gefahr von ihren Häuptern abwendeten.

      An die vier flüchtigen Eidechsenritter erging ein Ladebrief, auf denselben Tag zu erscheinen.

      Da versammelten sich auf dem Markte zu Graudenz alle Ritter und Knechte aus dem Kulmer Lande. Der Vogt zur Leipe sah zu, daß alles nach Glimpf zugehe, und hatte einige Leute mit Spießen an den Ecken des Platzes aufgestellt, auf dem das Ding gehegt werden sollte, damit gute Ordnung walte. Darauf wählte er selbst aus den Erschienenen die ritterbürtigen Schöppen, die er für die zuverlässigsten und treuesten hielt, und besetzte mit ihnen die Ritterbank. Es war eine größere Zahl als sonst gewöhnlich, wegen der Wichtigkeit der Sache.

      Darauf übergab der Vogt zur Leipe dem Landrichter die Bank und wies den Schreiber an, über den ganzen Hergang ein Protokoll aufzunehmen, daß man daraus hinterher ersehen könne, wie alles nach dem Rechten gegangen sei. Er selbst saß nicht mit, zog sich aber auch nicht zurück, sondern behielt sich die oberste Leitung und Aufsicht vor, wozu er wohl befugt war. Nun wurden die Schöppen vom Landrichter eingeschworen. Ein jeder für sich nach der Reihe leistete den Eid: »Zu der Bank, dazu ich erkoren bin, da will ich auch sitzen, recht Urteil finden nach Klage und Widerrede nach meinen besten Sinnen«, wozu der Landrichter amen sprach.

      Dann wurde Niklas von Renys aus dem Gefängnis herbeigeholt und der Bank vorgestellt. Die vier Flüchtigen wurden dreimal vom Herold aufgerufen, erschienen aber nicht. Nun klagte der Vogt sie sämtlich an, daß sie eine geheime Verschwörung unter sich und mit dem Komtur von Rheden gemacht hätten, der alles dessen geständig sei, und daß sie das Kulmer Land an den König von Polen bringen wollten und dem Herrn Hochmeister nach dem Leben getrachtet hätten. Niklas von Renys war durch die strenge Kerkerhaft ganz gebrochen; er wagte nicht, seine Geständnisse zu widerrufen. Nur erbot er sich zu einem Eide, daß er von einem Anschlag auf das Leben des Herrn Hochmeisters nichts wisse, auch nie dazu geraten habe. Sollte dies von dem Komtur zugestanden sein, so habe derselbe gelogen, um etwa seine eigene Schuld zu verringern. Er hoffe hierauf wohl zehn und mehr Eideshelfer unter seinen Genossen zu finden, die ihn von Jugend auf kennten und solcher Tat nicht fähig hielten, dies auch vor Gott versichern wollten. Sind doch auch unter euch Schöppen viele, schloß er, die lange im Lande und meine Nachbarn waren. Jetzt freilich wendet ihr das Gesicht von mir ab und möchtet am liebsten nicht wissen, wie ich heiße, denn ihr fürchtet, daß man euch geheimen Einverständnisses beschuldige, wenn ihr mir einen freundlichen Blick gönnt. Aber ich vertraue doch eurer Ehrenhaftigkeit, daß ihr solche Furcht besieget und nicht falsch gegen mich zeuget. Wahrlich, eine Schande ist's für den Mann, der zur Bank erkoren ist, wenn er um Freundschaft oder Feindschaft oder aus Menschenfurcht oder Eigennutz Urteil spricht. Dessen gedenket!

      Da mischte sich der Vogt zur Leipe ein und sagte: Dir soll dein Recht werden, Nitcze – das war der Familienname der Renys. Aber es ziemt sich wohl, Euch vor dieser Ritterbank zu erinnern, daß wir doch wissen, weshalb Ihr im Kulmer Lande eigentlich den Eidechsenbau aufgerichtet habt. Denn es war Euch ein Dorn im Auge, daß im Landgericht nach dem Recht und nicht nach Freundschaft verfahren und auch der kleine Mann gegen Euch geschützt wurde, und daß wir Euch von der Landesritterschaft nicht einreiten lassen wollten mit Eurer ganzen Sippe und einer großen Schar Gewaffneter, Eure Ansprüche gegen die Bauern und gegen des Herrn Bischofs Amtsleute mit Gewalt durchzusetzen. Da machtet Ihr den Bund, daß einer dem andern helfe. Deshalb hör' ich's nicht gern, daß du die Schöppen auf ihren Eid verweisest, Nitcze.

      Diese Rede gefiel dem Landrichter nicht, und er ließ deshalb keine Entgegnung zu, sondern antwortete selbst, daß er allezeit der Schöppen Freiheit gewahrt habe und auch ferner wissen werde zu wahren, und fragte sogleich Niklas von Renys, ob er sich selbst verteidigen oder seine Sache durch einen geschworenen Vorsprecher auszustehen gedenke. Darauf antwortete derselbe: Weder will ich selbst für mich verteidigen, noch mir einen geschworenen Vorsprecher kiesen. Sondern was ich getan habe, das mag ich nicht leugnen und auch nicht bereuen. Bei solchen Dingen soll man nicht sagen, sie seien zu Recht oder zu Unrecht. Sondern ob sie gelingen oder nicht gelingen, das ist ihr Maß. Ich weiß nicht, wie diese Sache ausgekommen ist, aber es muß ein Verräter unter uns gewesen sein, und gegen Heimtücke wehrt sich auch der tapferste Mann vergebens. Hätten wir's durchgesetzt, so wären wir die Richter und die Ordensherren ständen vor uns, ihr Urteil zu erwarten. Und wer weiß, wie es besser zu des Landes Nutz und Frommen wäre! Gebet acht, wie's kommen wird. Jetzt wehrt ihr euch, das kleine Kulmer Land dem König abzutreten, um Frieden zu erlangen, aber die Zeit ist nicht fern –

      Da unterbrach ihn der Landrichter, der sah, daß der Vogt schon aufgesprungen war und mit der Faust drohte, verwies ihm solche Rede als ungehörig und fragte, was er noch zur Sache anzuführen habe. Darauf schüttelte der Ritter das Haupt und antwortete nur: Tut mit mir, wie Ihr wollt. Ich beuge mich nicht und will nicht um mein Leben bitten. Sehet zu, welche Saat aus meinem Blut aufsprießen wird.

      Es entstand eine Bewegung unter den Schöppen, und der Vogt rief: Macht ein Ende, Herr Landrichter! Da befragte der die Ritterbank: Was soll geschehen, der solchen Landesverrats an seinem Herrn und Meister geständig ist? Und die Schöppen antworteten einstimmig: Er soll vom Leben zum Tode gebracht werden durch Enthauptung. Darauf brach der Landrichter den Stab über ihm.

      Als Niklas von Renys nun abgeführt war in sein Gefängnis auf der Burg, fragte der Landrichter weiter: Was soll denen geschehen, die gleichen Verbrechens schuldig, aber außer Landes flüchtig sind? Und die Antwort lautete: Man soll sie nach alter Gewohnheit zu einem anderen Tage laden, damit sie sich verantworten.

      Nach diesem Spruch hob der Landrichter die Ritterbank auf, und der Vogt berichtete nach seiner Pflicht alles, wie es geschehen war, dem Herrn Hochmeister. Der sagte: Es geschehe, wie die Ritterbank gesprochen hat.

      So wurde am nächsten Morgen auf dem Marktplatze zu Graudenz ein Gerüst aufgeschlagen und Niklas von Renys, nachdem er seiner Ritterwürde entkleidet war, vor allem Volk enthauptet.

      Die vier Flüchtigen aber lud der Hochmeister vor eine zweite Ritterbank über vierzehn Tage auf die Brücke der Marienburg. Zugleich berief er ein Generalkapitel des Ordens, um Georg von Wirsberg zu richten.

      Auf den bestimmten Tag fanden sich die Schöppen pünktlich ein, und es ward wieder vom Landrichter das Ding gehegt auf der Brücke der Marienburg. Der Herold rief die Namen der Geladenen in alle vier Winde, aber sie erschienen nicht. Da fragte der Landrichter wieder, was ihnen geschehen solle von Rechts wegen. Und die Schöppen antworteten: Man soll sie zum dritten und letzten Male laden vor dieselbe Bank über zwei Nächte von Rechts wegen.

      Da lud sie der Herold durch lauten Ruf vor versammeltem Volk unter freiem Himmel, über zwei Nächte zu erscheinen auf der Brücke der Marienburg und Recht zu nehmen von dieser Ritterbank.

      Als nun auch diese dritte Ladung vergeblich war und weder die vier Eidechsenritter sich meldeten noch ein bestellter Vorsprecher, forderte der Landrichter »von des obersten Herrn wegen« den Spruch der Ritterbank, was die bestanden wären, die ein solch Verrätnis wider ihren rechten Erbherrn täten. Darauf wurde ihnen von der Ritterbank einmütig zugeteilt: daß ihr Leib in eine Ächtung zu ewigen Tagen gesetzt werde, ihre Güter aber in der Herrschaft Gnade fallen sollten.

      Diesen Spruch nahm der Herr Hochmeister an und ließ verkünden von den Rathäusern, auf den Märkten der Städte und in den Kirchen des Landes, daß die Geächteten in den Orten und Städten, da Kulmisch Recht üblich, Laub und Gras, Wegs und Stege nicht sollten gebrauchen, und keiner seiner Dienstpflichtigen mit ihnen Gemeinschaft haben, sie atzen, tränken und behausen, ihnen Rat, Hilfe und Förderung tun dürfe, sondern verpflichtet sei, sie zu melden und anzusagen bei schwerer Pön, damit alle Untertanen wüßten, wie СКАЧАТЬ