Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027237517

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      Als Heinz von Waldstein nach Danzig gekommen war, hatte er den alten Huxer in schlechtester Stimmung angetroffen. Ganz ernstlich hatte derselbe daran gedacht, sein Hab und Gut zu Schiff zu bringen und nach Lübeck auszuwandern. Daran war er nur durch den Komtur gehindert worden, der ihm die Kette vorzog. Ein Teil seiner Seefahrzeuge lag abgetakelt neben den Holzgärten stromauf, seine Bordinge hatten nichts zu tun, auf dem Bauplatz bei der Lastadie stellte er die Arbeiten ein. Einige Schiffe waren zwar auswärts in den französischen und spanischen Gewässern tätig, aber oft genug saßen im Kontor die Schreiber stundenlang müßig oder warteten die Boten viele Tage auf Abfertigung, da sich die Brieftaschen nicht füllen wollten.

      Nicht vertraulicher wurde der vorsichtige Kaufherr und Reeder, als Heinz ihm sagte, daß er von fremden Kriegsfahrten wenig halte und bei ihm die Kaufmannschaft und das Seehandelsgeschäft zu erlernen wünsche. Was der Junker sich wohl dabei denke und wie er ihn verwenden solle? Die städtischen Geschlechter ließen keinen ein, der nicht zur Sippe gehöre oder sich durch Heirat mit ihnen befreunde, es sei denn, daß er großen Reichtum mitbringe und dadurch eine Kompanieschaft erlange. Ein armer Junker, wofür Heinz sich ja selbst ausgebe, könne sich mit dem Degen bei streitlustigen Fürsten und großen Herren leicht eine ansehnliche Stellung schaffen, aber er habe noch nie gehört, daß es einem gelungen wäre, sich mit der Feder ein Kaufhaus, Schiff oder Warenlager zusammenzuschreiben. Wer nichts mitbringe, der bringe auch selten etwas heraus, und wer mit großen Ansprüchen komme, finde auch da nicht seine Rechnung, wo der bescheidene Mann mit seiner Ernte zufrieden sei. Heinz ließ sich so nicht abtrösten. Er habe sich's nun einmal in den Kopf gesetzt, etwas Tüchtiges zu lernen, und wenn Huxer ihn abweise, gehe er zu einem andern. Am liebsten wäre es ihm aber, hier einzutreten, wo alles ins Große wachse und in kurzem viel Kenntnis von jeder Art Handelschaft zu erwerben sei. Wozu er die in Zukunft nütze, das bleibe seine Sache. Auch verlange er keinen Lohn, hoffe aber bald gute Dienste zu leisten und sich zu bewähren. Huxer schüttelte den Kopf dazu, gab aber doch endlich nach und wies ihm einen Platz in seinem freilich jetzt stillen Kontor an.

      Wenn Heinz erwartet hatte, sich auf solche Weise ungehinderten Zugang zu Maria Huxer zu verschaffen, so sah er sich ganz und gar getäuscht. In der Schreibstube und hinter dem großen Hausraum durfte er aus- und eingehen, in den Speichern und Holzgärten gab's für ihn zu tun, aber in seine Wohnung lud ihn der Kaufherr nicht. Kam er früher einmal als Gast, so konnte er nicht gut abgewiesen werden; jetzt war er der Untergebene, zwar nicht in Lohn und Brot wie die anderen Kaufgesellen, und in seiner Freiheit wenig beschränkt, aber doch gerade wie sie von dem Familienumgang ausgeschlossen. Als er sich einmal oben am Sonntagvormittag meldete, ließ ihm Huxer hinaussagen, er habe nichts für ihn zu tun und gönne ihm den freien Tag. Das war eine sehr empfindliche Abweisung.

      Huxer wußte sich's sehr wohl zusammenzureimen, was den Junker in seine Nähe zog. Daß er's auf Maria abgesehen hätte, war ihm gewiß. Aber er meinte ihn so am besten unter Augen haben und von dem Kinde fernhalten zu können, das war der wichtigste Grund gewesen, weshalb er auf seine Wünsche eingegangen war. Bis der Junker es auf diesem Wege zu etwas brachte, darüber mußten Jahre vergehen, und so lange würde Maria, wie verliebt sie auch in den Krauskopf wäre, schwerlich warten wollen. Er glaubte die Art der jungen Mädchen zu kennen. Der fremde Junker, der sich ritterlich zu kleiden, stattlich zu reiten und geschickt zu stechen verstand, mochte ihrer Aufmerksamkeit wert scheinen, ihres Vaters Kaufdiener war nicht der Mann, mit dem ihr Stolz sich lange beschäftigen konnte. Sorgte er selbst dafür, in ihren Augen zu sinken, um so besser. Recht um den Unterschied klar ins Licht zu stellen, lud er nun Rambolt von Xanten häufig zu sich ein, mit anderen Patriziersöhnen oder auch allein. Der war der Schwiegersohn, den er sich wünschte; eine solche Heirat konnte ihn selbst heben. Denn die Xanten waren ein altes Geschlecht, das schon in Danzig saß, als die Stadt noch den pommerellischen Herzögen gehörte, er selbst aber war ein Aufkömmling und mußte sich zu befestigen suchen.

      Seine Tochter freilich kannte er doch nicht gut genug. Die war geradeso ein Trotzkopf wie er selbst und meinte mit beharrlichem Willen wohl ihr Stück durchsetzen zu können. Heinz war ihr nun einmal ins Herz gewachsen, ihr Vater ahnte gar nicht wie tief. Tausendmal schwur sie sich's zu: er oder keiner sollte sie heimführen, und Rambolt wäre ihr gewiß verhaßt worden, wenn sie sich auch nur die Möglichkeit hätte vorstellen können, daß er ihrem Herzensschatz ein gefährlicher Nebenbuhler würde. Nun behandelte sie ihn nicht anders als die anderen jungen Herren, die ihrer Schönheit huldigten, und fertigte ihn mit leichtem Spott ab, wenn er einmal im Vertrauen auf des Vaters Gunst zu dreist zu werden wagte. Wie es um ihre wahre Neigung stand, wußte nur die gute Barbara, die zwar bei jeder Gelegenheit gewissenhaft abmahnte, aber Tränen und Schmeicheleien selten widerstand, wenn es werktätig zu helfen galt.

      Immer konnte doch Huxer nicht zu Hause sein und sein Kind bewachen. Bald hatte er außerhalb Geschäfte, die ihn stundenlang fernhielten, bald brachte er den Abend im Artushof oder im Garten zu und kam dann nie vor der ein für allemal bestimmten Zeit zurück. Es kam auch vor, daß er für einige Tage verreisen mußte. Da war es nun doch von gutem Vorteil, daß Junker Heinz nicht in der Stadt aufgesucht werden mußte, sondern im Vorbeigehen von der Treppe aus einen Wink erhalten konnte, wenn er nicht selbst bei Frau Barbe anklopfte und ihr ein Wörtchen ins Ohr flüsterte. Es ist eine wahre Sünde, sagte sie jedesmal, daß ich zu solcher Heimlichkeit helfe, und ich kann's nicht einmal meinem Beichtvater sagen; aber sie half doch. Fast kein Tag verging, an dem die Liebenden nicht Gelegenheit fanden, ein Viertelstündchen miteinander zu plaudern, und oft genug wurde ein Stündchen daraus. Sie war nicht einmal so grausam, dabei immer im Zimmer zu bleiben und aufzupassen, daß es beim Plaudern bewende. Gewöhnlich hörte sie bald draußen irgend ein verdächtiges Geräusch und mußte dann natürlich hinaus, um nachzuschauen, was es sein könnte, oder sie blieb auch von Anfang an in ihrer Kammer, um Wache zu halten, und klopfte dann nur leise an die Tür, wenn es nach ihrer Meinung Zeit zur Trennung war. Ihrer Maria konnte sie doch nichts abschlagen und dem Junker auch nicht.

      Aber wenn sie mit ihrem Pflegekinde allein war, schalt sie mit recht heftigen Worten und sagte: Wo soll das hinaus?

      Was kann daraus Kluges werden? Nimmer wird der gestrenge Herr Vater einwilligen, einem solchen Junker Habenichts sein Kind zu geben. Man sieht ja wohl, was er für Absichten hat. Den Rambolt hat er dir bestimmt, und der braucht wahrlich nicht lange zu bitten. Wenn er nun eines Tages sagen wird: Der Rambolt von Xanten hat um deine Hand angehalten, was willst du antworten? Kann's denn auf die Länge geheim bleiben, was du mit einem andern hast? Und wenn der Junker von Waldstein dann seine Werbung vorbringt, was wird der Herr Vater antworten? Mit Schanden wird's enden, Kind, denn er hat einen harten Willen und wird nimmer nachgeben, so lieb er dich hat, du aber – ich mag es nicht ausdenken.

      Hatten diese Worte eine Wirkung, so doch durchaus nicht die beabsichtigte. Recht hatte die gute Barbe gewiß, nur nicht in dem, daß sie sich von dem Junker losreißen sollte, um dem Vater gehorsam sein zu können. Aber daß auf seine Nachgiebigkeit nicht zu rechnen sei, darin kannte sie ihn von Grund aus. Er war meist in verdrießlicher Laune; der geringste Widerspruch brachte ihn auf. Es ärgerte ihn schon sichtlich, daß sie sich stumm verhielt, wenn er von Rambolt sprach und seine Tugenden rühmte, deren vornehmste freilich die war, daß die Xanten zu den ältesten gehörten, die auf der Georgsbank gesessen, und daß der Schultheiß sich an Grundbesitz außer der Stadt dreist mit jedem Edelmann im Lande vergleichen könne.

      Der Hoffnungsfaden wurde immer dünner, daß mit gütlichem Vorstellen, Bitten und Weinen bei ihm etwas auszurichten sein werde. Dann blieb aber nichts übrig, als Zwang zu versuchen: die Verzeihung könnte ja hinterher doch nicht ausbleiben. Der Gedanke, anfangs erschreckend und beunruhigend, wurde ihr von Tag zu Tag vertrauter.

      Auch Heinz mußte bald einsehen, daß sein Plan, sich den stolzen Kaufherrn durch seine Dienste zu gewinnen, ganz abenteuerlich sei. So von außen her hatten die Dinge ein ganz anderes Aussehen gehabt: der reiche Großhändler, der im pelzverbrämten Rock, das Schwert an der Seite, über den Markt ging, mit tiefem Bückling von jedem Begegnenden gegrüßt; der im Rat oder auf der Schöppenbank saß und im Hofe bei den ritterlichen Georgsbrüdern seinen Platz fand СКАЧАТЬ