Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Nach der Besichtigung des Schiffes wurde wieder das Boot bestiegen und auf den Fluß hinausgesteuert. Wie gefällt's Euch in unserem Danzig? fragte Maria, der Antwort gewiß. Heinz versicherte, daß ihm der Abschied schwer werden müßte, der in wenigen Tagen bevorstehe. Ah, das können wir nicht gelten lassen, Junker! rief sie. Ihr müßt die Pfingsten hier verleben, die ja so nahe sind. Hat man's Euch denn noch nicht gesagt, daß der Artushof am zweiten Feiertage ein großes Fest veranstaltet? Da sollt Ihr einmal den Mairitt sehen, und wenn Ihr Euch an den Nachspielen beteiligen wollt, steht gewiß nichts im Wege. Abends aber gibt's im Hofe einen lustigen Tanz. Ihr tanzt doch gern, Junker? Das konnte er nun nicht in Abrede stellen. Hans redete zu; sein lieber Wirt habe ihm auch schon gesagt, daß er ihn nicht fortlasse, und Heinz werde es ja nicht so eilig haben, daß er um eine Woche markten müsse. Huxer bat die beiden Junker, morgen abend im Artushof seine Gäste zu sein, damit er sie bei den Alderleuten einführe. Heinz ließ sich gern bestimmen; Marias muntere Augen hatten es ihm angetan.
Sie kreuzten noch eine Weile den Fluß vor der Stadt. Dann, als die Sonne sich schon neigte, stiegen sie wieder am Koggentor aus. Maria brachte ihre Freundin Katharina nach Hause, und die jungen Herren gaben das Geleite. Erst an Huxers Tür trennten sie sich.
5. DER WALDMEISTER VOM MELNO-SEE
Der nächste Tag war ein Samstag und Markttag. Heinz kam schon früh vom Schloß nach der Stadt, um das bunte Leben und Treiben zu betrachten, auf das er durch seinen Schlafgenossen aufmerksam gemacht war. Heute hatte jeder volle Freiheit zu kaufen und zu verkaufen. Auf dem Langen Markt waren die Läden der Fleischer, Bäcker und Krämer aufgebaut; auf dem Fischmarkt hielten die Fischer vom Hakelwerk in Bütten, Flechtkörben und Wasserkufen ihre Ware feil. Durch das Tor fuhren die Wagen der Landleute ein, die frische Gemüse, Hühner, Butter, Flachs, Honig und Wachs zur Stadt brachten oder ihre Einkäufe zu machen kamen. In langen Reihen standen sie aufgefahren, und die kleinen Pferde futterten, während Mann und Frau ihre Geschäfte besorgten. Die kleine Stadtwaage am Rathause war dicht umdrängt, aber auch an der großen unten am Koggentor gab's alle Hände voll zu tun, denn der Rat hielt darauf, daß jeder Käufer sein richtiges Gewicht erhalten mußte, wenn die Ware einen halben Stein und mehr wog, und hatte deshalb zwei geschworene Wäger mit einigen Gehilfen angestellt.
Heinz ließ sich nach der Badestube in der Heiligengeistgasse weisen, die dem Bader Wolter Grelle gehörte, einem kleinen, sehr gesprächigen Männchen, das alle Stadtneuigkeiten wußte und den Junker über das Leben im Schlosse auszufragen bemüht war. Die Zeiten sind besorglich, plauderte Grelle, sehr besorglich. Ich habe meine Badestube eine Reihe von Jahren vermietet gehabt und meinte, mich zur Ruhe setzen zu können. Aber wer weiß, was für Unruhen noch über uns kommen; da ist's besser, selbst sein Geschäft in der Hand zu haben. König Jagello ist ein gar mächtiger Herr geworden, seit er sich mit seinem Vetter, dem Herzog Witowd von Litauen verglichen hat, und unser gnädigster Herr Hochmeister Ulrich von Jungingen … Er verschluckte sich, hustete und schnitt Grimassen. Gott schenke ihm den Sieg, fuhr er leiser fort, aber ich fürchte, es steht in den Häusern nicht ganz so gut, als er's sich wünschen mag. Es ist nicht ohne Gefahr, davon zu reden, und ich schweige lieber. Man muß zu vielem schweigen, was nicht in der Ordnung ist, da man's doch nicht ändern kann. Hier, in der Stadt … Er hüstelte wieder. Es ist viel Unzufriedenheit in der Bürgerschaft, und bricht's einmal los, so weiß man nicht, was alles geschieht. Nach unsern alten Briefen soll jeder in der Gemeinde gleiches Recht haben. Der Rat aber schließt sich ab und ergänzt sich nur aus den Werken, das ist: aus den Großhändlern und Seeschiffern; die Ämter stellen auch Männer, die sich der Ehre wert erachten und wohlhabend genug sind, der Stadt dienen zu können. Besonders die Brauer stecken viel die Köpfe zusammen und haben dem Herrn Komtur schon so manches schöne Faß Märzbier zum Geschenk aufs Schloß geschickt, ihn für ihre Sache zu gewinnen. Fragt nur den Kellermeister. Ei – ei – ei! Das gibt nichts Gutes.
Durch das Bad erfrischt, suchte nun Heinz seinen Freund Hans von der Buche bei Barthel Groß auf und fand ihn bei der Frühstücksbiersuppe. Es wurde gleich wieder wegen des Pfingstfestes beraten, zu dem Vorbereitungen nötig waren. Soll ich mit stechen und tanzen, sagte Heinz, so will ich auch ein neues Wams haben für mein abgetragenes, das nun noch beim Kampf auf der See einige Schlitze an der unrechten Stelle bekommen hat. Ich fürchte nur, der Krämer übervorteilt mich, weil ich fremd bin, und der Schneider schafft das Werk nicht mehr zum bestimmten Tage fertig, wenn er's auch verspricht.
Dazu kann Euch mein Mann helfen, Junker, antwortete Frau Anna. Ich rate Euch, das Tuch nicht beim Krämer nach der Elle abschneiden zu lassen, sondern lieber gleich ein halbes Laken zu kaufen und auch die Borten im ganzen Stück. Was Euch dann übrigbleibt, könnt Ihr allemal brauchen, und Ihr habt's besser und billiger. Auch kann Euch Barthel zu seinem Schneider führen, der dann wohl Wort halten wird, um sich die Kundschaft nicht zu verderben.
Groß erklärte sich gern bereit, ihn zu begleiten, wenn er sich eine Stunde gedulden wolle, die er noch auf seinem Kontor zubringen müsse; am Markttage sei immer mehr zu tun als gewöhnlich, auch für den Getreidehändler, und die Hofleute von seinen Liegenschaften bei der Stadt seien zur Abrechnung hereingekommen. Die beiden Junker gingen deshalb vorläufig allein fort und versprachen, sich wieder zu melden. Frau Anna bat, sich rechtzeitig beim Mittagstisch einzufinden.
Im Marktgewühl kamen sie unversehens auseinander. Heinz ließ sich der Stadtwaage zudrängen, arbeitete sich mit den Ellenbogen durch und stand bald nicht weit von dem großen Gestell. Ein alter Mann mit langem, weißem Haar und zottigem Bart, bekleidet mit einem knappen Lederwams, über dem eine Weidmannstasche hing, und mit einem breitkrempigen Hut, der das verwitterte Gesicht beschattete, ließ mehrere Tonnen Honig und Fastagen mit großen Stücken Wachs verwiegen, die zwei Leute in der Tracht der preußischen Bauern auf einer Trage herangebracht hatten. Gegenüber an der Waagschale stand der Kaufmann, der die Ware behandelt hatte. Heinz bemerkte, daß er dem Gehilfen des Wägers, der die eisernen Gewichte aufsetzte, mit einem heimlichen Wink etwas in die Hand steckte. Der beeilte das Geschäft nun sehr auffällig, drückte mit der Hand die Schale nieder und wollte sogleich wieder abräumen. Das geht nicht ganz mit rechten Dingen zu, dachte Heinz bei sich.
Auch der Alte mußte wohl Unrat gemerkt haben. So gilt's nicht, rief er zutretend und die Kette der Waagschale erfassend. Die grauen Augen blickten zornig aus den tiefen Höhlen.
Wie gilt's nicht? fragte der Knecht zurück, ohne sich im Abräumen stören zu lassen.
Mein Wachs wiegt mehr, antwortete der Alte, Ihr habt die Schale mit der Hand bedrückt.
Wollt Ihr mich wiegen lehren? fuhr der Knecht auf. Sechs Stein und acht Pfund.
Sieben Stein, rief der Alte, nicht ein Pfund weniger! Stellt noch einmal die Gewichte auf!
Habe mehr zu tun, wies ihn der andere ab. Macht, daß Ihr fortkommt, alter Polacke!
Dem Alten schwollen die Adern auf der Stirn. Wer ist ein Polacke? schrie er. Ihr aber seid ein Betrüger, das will ich Euch beweisen!
Ihr habt's gehört, wandte der Knecht sich an die Umstehenden, das Wort soll er mir teuer bezahlen! Wo ist die Marktwache?
Der Mann im Lederwams ließ die Kette nicht los. Ich will mein ehrliches Gewicht! Glaubt Ihr's mit einem dummen Kassuben zu tun zu haben? Zahle ich meinen Wiegepfennig, so muß ich nach dem Rechten bedient werden. Nochmals die Gewichte auf die Schale!
Der Wäger wollte ihn nun gewaltsam mit dem Arm fortschieben. Kaum aber hatte er seine Brust berührt, als der Alte, rot vor Zorn, ein langes Messer zog und sich auf ihn stürzte. Brauchst du Gewalt, du Hund? schrie er. Warte, ich will dich klug machen!
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