Название: Frostsklave
Автор: Regina Mars
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783969871799
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Gals Schulter traf auf das Holz und rammte sie auf. Schmerz schoss durch seinen ganzen Arm und er schaffte es nicht, das Stöhnen zu unterdrücken. Die Wucht schleuderte ihn durch in den Raum wie eine Kegelkugel. Beinahe wäre er gegen die stinkende Wiege geprallt, die an der Wand stand. Verbrauchte Luft umfing ihn, aber gegen den Rauch da draußen roch sie wie eine Frühlingsbrise.
Das Gesicht des Säuglings war rot-verschrumpelt wie ein Winterapfel. Er brüllte sich die Lungen aus dem Leib. Gal packte ihn und hob ihn an seine Brust. Das Kind stank, seine Windeln waren vollgesogen und tropften. Gal verzog das Gesicht.
»Willst du ihn halten?«, fragte er Lukacs, doch der war bereits wieder auf dem Rückweg.
Nur gab es keinen Rückweg mehr. Die Treppe stand in Flammen. Gal hätte Lukacs beinahe hinuntergekegelt, weil der so abrupt stehenblieb.
»Scheiße«, murmelte der Schönling. Er war totenblass. Entsetzt starrte er in die dichten Flammen. Gal sah die Todesangst in seinen Augen und war sich nicht ganz sicher, ob der Uringeruch, der um seine Nase wehte, wirklich von dem Säugling stammte.
Ich sterbe hier, dachte er und Kälte breitete sich in seinem Magen aus. Der Säugling schrie ihm ins Ohr und er spürte das Knacken unter seinen Füßen, zitterte wie ein Blatt im Sturm.
»Hilfe«, krächzte er.
Lukacs sah sich zu ihm um. Sein Mund war ein weißer Strich und jedes Lachen war aus seiner Miene verschwunden.
Trotz der Panik, die ihn lähmte und ihm einen Kloß in den Hals rammte, ärgerte sich Gal, dass er sich so schwach gezeigt hatte. Vor Lukacs. Der tief Luft holte, trotz des Rauchs, der unter der Decke umherkroch.
»Bitte«, murmelte das feine Söhnchen und streckte die Hand aus. Streckte alle Finger aus, als könnte er sie wachsen lassen, als könnten sie das Feuer löschen.
Was sie konnten. Es ging so schnell, dass Gal nicht kapierte, was geschah. Ein Zischen, Rauch wurde zu Dampf und dann brannte die Treppe nicht mehr.
Eisblumen überzogen sie. Wasserdampf stieg auf und es roch nach Winter. Alles war weiß, die krummen Stufen, das splitternde Geländer, die Wände und die Decke.
Kälte schlug Gal entgegen. Er starrte Lukacs an. Der ballte die Fäuste und schaute, als müsste er sich übergeben.
»Guck nicht so blöd«, presste das Söhnchen hervor. »Komm. Bevor wieder alles in Flammen steht.«
Gal folgte ihm, rutschte auf der Treppe aus und fing sich wieder, ohne den Säugling loszulassen, der brüllte wie am Spieß.
Ein Kalter, schoss es in sein Hirn. Lukacs Andon ist ein Kalter.
Ein Monster.
Er konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Den Rücken der fein bestickten Jacke, unter der sich Muskeln spannten. Die rußgeschwärzten Haare, die nicht länger blond aussahen.
Ein Monster.
Das sie gerettet hatte. Hustend stürmten sie die Treppen hinunter, durch Rauchschwaden, über glühendes Holz. Nach draußen.
Die Luft war das Leckerste, das Gal je gerochen hatte. Die verkrampften Gesichter in der Eimerkette so wunderhübsch, die krummen Häuser heimelig und gemütlich.
Ich lebe, dachte er.
Lukacs stolperte vor ihm, ging in die Knie. Seine Freunde schossen auf ihn zu, packten ihn an den Schultern, richteten ihn wieder auf. Niemand kam, um Gal zu helfen, also hielt er sich auf den Beinen. Der Säugling schrie immer noch.
Die Mutter riss die Augen auf, als er ihr das tropfende Bündel hinhielt.
»Hier«, brummte er, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte. »Das ist er, oder?«
»Boghos«, krächzte sie. Ihr tränennasses Gesicht verzog sich schon wieder. Sie nahm den Kleinen entgegen und drückte ihn an sich, egal, wie sehr er stank. »Mama ist hier, mein Kleiner. Mama ist hier.« Sie schluchzte. »Du hast sicher Hunger.«
Blitzschnell wandte Gal sich ab. Gerade noch rechtzeitig, bevor sie ihre Brust entblößte und den Kleinen anlegte. Er sah nach oben, wo schon drei Strohdächer lichterloh brannten. Fluchte leise.
In diesem Moment donnerte es. Jubel ertönte von allen Seiten.
Es dauerte endlose Minuten, bis der erste Blitz den Himmel zerriss. Noch länger, bis die ersten Tropfen fielen. Aber es reichte. Der Regen löschte die Dächer, bevor das Feuer zu weit um sich greifen konnte. Die Eimerkette löschte das Feuer innerhalb der Häuser. Gal und Lukacs waren wieder dabei, reichten Eimer um Eimer, bis ihre Hände schmerzten.
Die Leute hörten nicht auf, Lukacs zu loben. Wie mutig er war. Wie selbstlos er in das Haus gestürmt war. Dass er einen großartigen Bürgermeister abgeben würde, eines Tages.
Niemand sagte ein Wort zu Gal. Niemand blickte ihm in die Augen.
Bis auf Lukacs. Jedes Mal, wenn Gal ihm einen Eimer reichte, schaute er ihn an, als würde sein Leben davon abhängen. Tat es auch, gewissermaßen.
Er war ein Kalter. Niemals, nicht in hunderttausend Jahren, hätte Gal sich träumen lassen, dass ausgerechnet Lukacs Andon einer von denen war. Ein Monster wie der Kerl, der auf dem Marktplatz am Pranger stand und mit Pferdeäpfeln beworfen wurde.
Gal stellte sich vor, wie Lukacs da stand. Stinkend, ohne Freunde, mit starrem Blick. Er wunderte sich über sich selbst. Die Vorstellung hätte das Scheißkomischste überhaupt sein sollen. Der goldene Sohn der Stadt, bedeckt mit Kacke und fauligem Kohl. Stattdessen spürte er einen Druck auf seiner Brust. Enge in der Kehle. Entsetzt kapierte er, dass er nicht wollte, dass Lukacs Andon am Pranger landete.
Der Mistkerl hat mich schließlich gerettet, dachte er. Und die Kalten, die sind allen noch unheimlicher als die Brandstifter. Andon ist eine Arschkrampe, aber ich will doch nicht, dass er endet wie der Kerl, der in meinem Versteck gewohnt hat.
Nein, das wollte er nicht. Er schluckte. Spürte ein dummes Kribbeln, wann immer Lukacs' Hände seine berührten und bat den Ewigen, ihn vor seinen Wünschen zu schützen.
Als es vorbei war, nickten ihm tatsächlich ein paar Leute zu. Erstaunt über so viel Zuneigung machte er sich auf den Rückweg. Schnell, bevor ihn doch noch jemand Missgeburt nannte und es zu einer Schlägerei kam. Er schritt durch die Gassen, deren Gestank vom Rauch überlagert wurde und fühlte sich … gar nicht schlecht. Niemand hatte ihm gedankt, aber …
Aber ich weiß, was ich getan habe. Werd ich auch noch eine Weile, meine Jacke stinkt immer noch nach voller Windel. Und hey, immerhin ist Andon nicht ganz das Arschloch, für das ich ihn gehalten habe.
»Gal«, sagte eine Stimme, direkt neben ihm. Beinahe hätte er einen Satz gemacht. Lukacs ging neben ihm, das Gesicht hart vor Anspannung, Haare und Kleider voll Ruß.
»Andon«, sagte Gal. »Du siehst scheiße aus.«
»Und du stinkst nach Pisswindel«, erwiderte der Schönling. Er sah sich um. Sie waren so alleine, wie man in Hamparal je war. Weder vor noch neben ihnen ging jemand. Sie passierten eine Bande Kinder, СКАЧАТЬ