Название: Frostsklave
Автор: Regina Mars
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783969871799
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Lukacs schaute, als wollte er ihm wieder vorschreiben, was er zu tun hatte. Doch er schwieg. Den ganzen Rückweg über war er ungewöhnlich schweigsam.
»He«, sagte Gal. »Auf dem Erntefest zahle ich das Bier, ja? Die Anheurer sind da und man bekommt gleich 'ne Anzahlung. Einen ganzen Gulden. Dann kann ich dich auch mal einladen.«
»Du musst mich nicht einladen«, sagte Lukacs und sah zu Boden. Vielleicht, weil er sich Sorgen um Gal machte. Vielleicht, weil der Boden übersät mit Pferdeäpfeln und Kuhdung war. »Ich geb dir gern ein Bier aus.«
»Ja, aber ich will dir nichts schuldig bleiben, bevor …« Gal zögerte.
»Bevor du gehst?« Lukacs klang wütend. »Selbst wenn du überlebst, kommst du nicht wieder. Die Söldner ziehen von einem Krieg zum nächsten. In irgendeinem wirst du umkommen.«
»Das sehen wir dann«, sagte Gal und unterdrückte die Angst, die sich in ihm aufbäumen wollte. Die an ihren Fesseln riss und die ihn, einmal entkommen, flennen lassen würde wie einen kleinen Jungen.
Auf gar keinen Fall, dachte er. Und schon gar nicht vor Lukacs.
***
Auf dem Heimweg kamen Mutter und er am Friedhof vorbei. Die Kutsche rumpelte über Staub und Kiesel und er schluckte. Er sah die brüchige Mauer aus den Augenwinkeln an sich vorbeiziehen, roch die feuchte Erde. Spürte den Frieden, die Stille des Todes und schloss die Augen. Das Pferd kannte den Weg und es brachte Unglück, zu viel an die Toten zu denken.
Nagy, Gaspar und Fodor hatten keine Gräber hier. Sie waren neben irgendeinem Schlachtfeld verscharrt worden. Oder nicht. Vielleicht waren sie vor sich hingerottet und ihre ausgebleichten Knochen lagen jetzt irgendwo, als Mahnmal, dass man dem Drachenbaron nicht in die Quere kam.
»Du musst mit Andon reden«, sagte seine Mutter leise. »Dem jungen Andon. Weiß nicht, was der plötzlich mit dir hat, aber 'ne bessere Gelegenheit kriegst du nicht mehr, so, wie du aussiehst.«
»Du klingst, als wäre ich 'ne alte Jungfer«, knurrte er. »Als wolltest du, dass ich noch schnell unter die Haube komme, bevor mein Arsch hängt und mich keiner mehr will.«
»Gal.« Sie sah starr auf den holprigen Feldweg vor ihnen. Unter den zerdrückten Grassoden lag eine Schotterstraße, die angelegt worden war, bevor auch nur einer, den er kannte, seinen ersten Atemzug gemacht hatte. »Gal, ich hass dich nicht oder so. Mir ist egal, dass du ein Verfluchter bist. Aber anderen nicht. Allen anderen. Frag den jungen Andon, ob er Arbeit für dich hat. Wein ruhig, jammer ein bisschen und geh in die Knie. Der hat 'ne Schwäche für dich, der Ewige weiß, warum. Der wird dich nicht wegschicken. Und wenn er dafür sorgt, dass du irgendwo Scheiße schaufeln kannst, ist das besser, als wenn du dich von den Mistkerlen von Anheurern ködern lässt.« Im schwindenden Licht sahen ihre Falten wie tiefe Narben aus. »Es sind jedes Jahr die Gleichen. Jedes Jahr kommen die wieder, wie die Wölfe, und holen frisches Blut.«
Ihre Stimme war leise, als könnte jemand mithören. Vielleicht der Priester, der erst letzten Sonntag wieder die Helden gesegnet hatte, die gegen den Drachenbaron kämpften. Dem Unhold, der sich dem Herrn der Wölfe hingegeben hatte und mit abscheulichen Bestien belohnt worden war. Der Sünder, der selbst Kalte und Brandstifter an seiner Seite duldete. Der sie für sich kämpfen ließ und ihre unheilige Magie nutzte, um rechtschaffene Männer zu meucheln. Drachen hatte er auch. Zumindest erzählte man sich das.
Oft fragte Gal sich, wie viel Wahrheit in dem steckte, das bis in ihr abgelegenes Kaff drang. Vermutlich trug der Drachenbaron nur zwei Eidechsen auf der Schulter. Vermutlich paarte sich niemand in den Straßen von Assunta und es war genau wie hier.
»Junge.« Seine Mutter sah ihn an. »Hör auf zu träumen. Geh beim Erntefest zu Andon und bettle.«
»Einen Scheiß mache ich.« Er spuckte aus. »Ich bettle ihn um nichts an und ich knie auch nicht nieder.«
»Wieso denn nicht, du Hornochse?«
»Weil er mein Freund ist.« Mist, das war ihm rausgerutscht. Aber es stimmte. Freunde nutzte man nicht aus. »Wenn Lukacs Arbeit für mich hätte, hätte der längst Bescheid gesagt.«
Außerdem war er zu verdammt stolz, vor Lukacs auf die Knie zu sinken. Viel zu stolz.
***
Nachts, als er sich auf den harten Brettern des Küchenbodens wälzte und so laut stöhnte, dass sein Bruder Laszlo ihm einen Fußtritt verpasste, träumte er davon, vor Lukacs Andon zu knien. Zu knien und die Kälte auf seinem Gesicht zu spüren.
Es ist wie Schnee, hatte der gesagt und die Worte hatten sich in Gals Hirn gekrallt und nie wieder losgelassen. Zu den unpassendsten Zeiten suchten sie ihn heim.
Hör auf, dachte er. Hör auf. Bitte, Ewiger. Hilf deinem Sohn.
Doch der Ewige tat nichts und Gal wusste wieder einmal, wessen Sohn er wirklich war. Wer ihm die Hörner und die Blutaugen verpasst hatte. Der Herr der Wölfe grinste in den Schatten, wo immer er war. Und nun hatte er Lukacs Andon gewittert und pflanzte dunkle Ideen in Gals Schädel. In seinen Körper. In seine Hände, die Andon packen wollten, festhalten, sich an ihm laben, bis sein Hunger gestillt war.
Nein, dachte Gal. Ich kann mich beherrschen. Der Ewige ist bei mir, auch wenn er sich nicht zeigt. Ich kann mich zusammenreißen. Für Lukacs.
Doch das konnte er nicht.
6. Ein Angebot
Dass heute das Erntefest gefeiert wurde, war kein Grund, nicht um sechs Uhr morgens auf den Feldern zu stehen und die letzten Ähren zu sensen. Das war die Meinung seines Vaters und so standen Gal und seine Brüder mittags verschwitzt im prallen Sonnenschein und jagten die Sensen durch die letzten gelben Stängel. Mutter und die Schwestern gingen hinter ihnen, sammelten sie auf und banden sie.
Das halbe Feld war schon abgeerntet. Es war das schlechteste, das immer am längsten brauchte. Selbst jetzt waren noch einige unreife Ähren unter den goldenen.
So golden wie Lukacs' Haare, dachte Gal und mähte sie nieder. Sie glänzten in der Sonne und fielen.
Alle Muskeln schmerzten, die Arme wollten aufgeben. Der Schweiß rann über seinen Rücken, Tropfen flogen durch die Luft, wenn er die Sense schwang. Er trug das Hemd um die Hüften und hätte sich am liebsten komplett ausgezogen, so drückend war die Hitze. Staub klebte auf seiner Haut.
Er ertrug seinen eigenen Gestank kaum. Hoffentlich war noch Zeit, ein Bad im Fluss zu nehmen, bevor sie zum Fest aufbrachen. Zu seinem letzten Fest. Dort würde er Lukacs zum letzten Mal sehen. Er würde ihm ein Bier ausgeben und sich verabschieden. Und dann würde er mit den Anheurern gehen, in ihrem Pulk zum nächsten Ort ziehen, mehr Söhne sammeln. Wie Schäferhunde würden sie Schafe zusammentreiben, und er war eins davon.
Sein großer Bruder Soos reckte sich, wischte sich über das Gesicht. Er nickte Gal zu.
»Sauber«, sagte er und deutete auf die Schneise, die Gal in das Feld geschlagen hatte. »Wird schwer nächstes Jahr. Ohne dich.«
»Ja.« Gal packte seine Sense fester. »Aber ihr schafft das.«
Und СКАЧАТЬ