Hagakure. Jocho Yamamoto
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Название: Hagakure

Автор: Jocho Yamamoto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783159618241

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СКАЧАТЬ 1969 in einem Artikel der einflussreichen Zeitschrift Chūō Kōron von Naramoto Tatsuya (1913–2001) als einer der 17 wichtigsten Klassiker Japans beschrieben worden war, tat ein Übriges, um wieder größeres Interesse an diesem Werk zu wecken.60 Kathryn Sparlings englische Übersetzung von Mishimas Buch im Jahr 1977 und William Scott Wilsons Übersetzung von ausgewählten Passagen des Hagakure 1979 machten Letzteres dann in Folge über die Grenzen Japans hinaus bekannt. Damit gehört es zu den wenigen Bushidō-Schriften, die in westlichen Sprachen erhältlich sind.

      Solange man das Hagakure isoliert betrachtet, mag man darin in der Tat hehre Idealvorstellungen und ethische Prinzipien erkennen, die durchaus auch im modernen Leben Anwendung zu finden scheinen. Diese Aspekte werden besonders von der 1985 in Saga gegründeten Hagakure-Gesellschaft betont, die im Zuge ihrer Aktivitäten 1992 das erste internationale Hagakure-Symposium organisierte – unter dem aussagekräftigen Titel »Hagakure – A Wisdom for Living in the 21st Century«.61 Dieser Devise entsprechend wird propagiert, dass die Leitprinzipien des Hagakure immer noch für die gegenwärtige Gesellschaft relevant seien,62 dass das Hagakure ein Leitfaden auf dem Weg zur menschlichen Weiterentwicklung sei, der seinen Ursprung in der Essenz der traditionellen, spirituellen Kultur Japans finde,63 oder dass es eine Chronik von signifikanter Bedeutung und eine Fundgrube meditativer Weisheit für zukünftiges Wohlbefinden darstelle.64 Ebenso wird versucht, anachronistische Elemente des Hagakure für moderne Gemüter akzeptabel zu machen, indem unter einer allgemeinen Betonung auf »humanistische Werte« behauptet wird, der spirituelle Nährwert des Buches stehe in Fragen der Ethik fundamentalen Werten der christlich-westlichen Kultur nahe.65

      Aber eine solche zumindest wohlwollende Interpretation versäumt es, den Text kritisch zu hinterfragen, und verdeckt für moderne Leser ungemütlichere Aspekte, wie zum Beispiel die bedingungslose Unterwerfung unter die zweifelhafte Autorität eines allzu menschlichen Herrschers, dessen Mängel es um jeden Preis zu vertuschen gilt. Auch Matsuda Osamu weist auf die Diskrepanz zwischen der Klarheit und Leidenschaftlichkeit des Werkes einerseits und der paradoxen Vorführung des äußerst sorgfältigen und bedachtsamen, abwägenden und berechnenden Geistes des Autors andererseits hin, die den beschriebenen Idealen selbst keinesfalls gerecht wird.66 So betont Jōchō zum Beispiel in der Einleitung die Notwendigkeit einer genauen Kenntnis der lokalen Landeskunde von Saga, geht aber nirgends auf die besonderen Umstände ein, unter denen die Domäne auf die Nabeshima übergegangen ist. Diese Vorgehensweise, unbequeme Wahrheiten zu verschweigen, geschieht nicht etwa unbewusst, sondern als bewusste Manipulation der Tatsachen. Darum, so Matsuda, muss man diese Art, den Widerspruch zwischen dem Ryūzōji-Problem und Jōchōs Philosophie des unbedingten Gehorsams auszuschalten, fast schon elegant nennen.67

      Der berühmte, oft zitierte Satz im zweiten Paragraphen des ersten Bandes: »Ich habe entdeckt, dass der bushidō, der Weg des Kriegers, seine Erfüllung im Sterben findet«, konnte deshalb seinen jetzigen Platz in der Vorstellung der modernen Gesellschaft erobern, weil man darin die heldenhafte Todesverachtung prototypischer Krieger zu erkennen vermeint, wie sie in der heutigen Welt kaum noch zu finden ist. Tatsächlich geht es jedoch nicht vorrangig um die Akzeptanz des Todes als eines unvermeidlichen Bestandteils des menschlichen Lebens, sondern um das soziale Dilemma eines Kriegeradels in einer friedlichen, von gesetzlichen Statuten geregelten Gesellschaftsordnung. Aufgrund des im Buke Shohatto verankerten Gesetzes des kenka ryōseibai, durch das beide Seiten in einem Streit oder nicht autorisierten Duell gleichermaßen zur Verantwortung gezogen wurden, gab es für einen bushi der Edo-Zeit im Falle eines Konflikts nur zwei Möglichkeiten: Er konnte sich entweder auf einen Kampf einlassen und sich der großen Wahrscheinlichkeit aussetzen, zu sterben oder lebensgefährlich verletzt zu werden, oder er konnte versuchen, sich mit Hinweisen auf die Gesetzeslage herauszureden und zu fliehen. Das hätte allerdings den Verlust der Ehre bedeutet, weil man, als »Feigling« abgestempelt, einen sozialen Tod gestorben wäre. Und dies führte in vielen Fällen zum Verlust von Stellung, Lehen und sogar zu einer offiziellen Verurteilung zum Tode.

      Entsprechend dem Hagakure galt es also unbedingt zu vermeiden, »Schande auf sein Haupt zu laden« und seine Ehre zu verlieren. Wenn man letztendlich sowieso sterben würde, war es dem Hagakure zufolge besser, einen ehrenhaften, eines Kriegers würdigen Tod zu sterben, als sich aus einem Streit herauszureden und seinen Rückzug dann im Nachhinein mit Hinweisen auf die Gesetzeslage zu begründen. Darum lautet der Schlüsselsatz im berühmten zweiten Paragraphen: »Wenn man die falsche Entscheidung trifft und überlebt, wird man zum Feigling!« Und dies galt es um jeden Preis zu vermeiden.68

      Was konnte ein bushi, der mit diesem Dilemma konfrontiert war, also tun, um keine Schande auf sich zu laden? Schande ließ sich laut Hagakure nur vermeiden, indem man aufhörte, am Leben zu hängen, sich ans Leben zu klammern. Daher legt Jōchō auch einerseits so hohen Wert auf die Entschlossenheit, ohne Zögern zu sterben, und shinigurui, also wie ein »Berserker« im Todeswahn um sich zu schlagen. Andererseits kritisiert er chie, d. h. Wissen, Weisheit und Rationalität, sowie technisches Vermögen in den Künsten. In diesem Zusammenhang darf man allerdings nicht vergessen, dass auch in der bushi-Gesellschaft Wissen und Findigkeit immer hochgeschätzt waren und gerade in der Edo-Zeit immer mehr Wert auf das Gleichgewicht zwischen Gelehrsamkeit und militärischen Fähigkeiten (bunbu ryōdō) gelegt wurde.

      Man vergleiche Jōchōs Postulierung des unabdingbaren Todes z. B. auch mit Miyamoto Musashis Buch der fünf Ringe, wo in der »Rolle der Erde« die Wichtigkeit der Akzeptanz des Todes betont wird.69 Insofern stimmt dieser mit Yamamoto Jōchō überein. Aber im Anschluss differenziert Musashi:

      »Aber was den Weg des Sterbens angeht, ist das nicht allein auf Krieger begrenzt. In Anbetracht der Lage, dass von Mönchen bis zu Frauen, von Bauern sogar bis zum niederen Volk Menschen in der Lage sind, sich aus Ehrgefühl oder aus Schande dafür zu entscheiden, in den Tod zu gehen, gibt es hier keinen Unterschied zu den Kriegern. Der Unterschied liegt darin, dass das Militärhandwerk eines Kriegers auszuführen darauf basiert, anderen Männern in welcher Angelegenheit auch immer überlegen zu sein, beziehungsweise in einem Duell zu siegen, beziehungsweise in einer Schlacht mit vielen zu triumphieren, und so danach zu trachten, für seinen Lehnsherrn oder für sich selbst, seinen Ruhm zu erhöhen und seine Ehre zu vertreten. Das macht die Tugend des Kriegerhandwerks aus.«70

      Deutlich wird hier der große Unterschied zwischen einem kriegs- und duellerfahrenen Veteranen, wie er im Hagakure eigentlich als Idealbild des draufgängerischen Haudegens beschrieben wird, und einem bürokratischen Schreibtischhelden im Ruhestand, der vom aktuellen Geschehen weit entfernt und vor ihm sicher war und auf gar keinen Fall dem von ihm beschriebenen Ideal des todesverachtenden Kriegers entsprach.

      Darüber hinaus propagiert Jōchō, »eines toten Leibes zu sein«, also so zu leben, als ob man bereits gestorben sei, weil man dann sein Leben lang ohne Fehler seine Dienstpflicht erfüllen und seinen Amtsposten und sein Lehen an die eigenen Kinder vererben könne. Sein Insistieren auf absoluter Todesentschlossenheit einerseits und der Erfüllung seiner Dienstpflicht und dem Erhalt seiner Familie und seiner Ehre andererseits klingt nach modernen Maßstäben paradox. Aber an dieser Stelle erkennt man, dass es Jōchō in erster Linie darum ging, darzulegen, wie man es als Samurai einrichten kann, ohne Probleme bis zu seinem Lebensabend seine Dienstpflicht angemessen zu verrichten. Dementsprechend ist das Hagakure voll mit Empfehlungen und guten Ratschlägen nicht nur zur besseren Verrichtung der Dienstpflicht, sondern eben auch zur Vermeidung von Streit und Zwietracht, durch die man in einen Kampf verwickelt werden könnte. Darum propagiert das Werk weder eine »Philosophie des Todes« noch eine »Philosophie des Lebens«, sondern ein »Rezept zum geschickten (Über-)Leben« in einer von Kriegeridealen beherrschten Gesellschaft von Bürokraten.71 Tatsächlich lässt sich vermuten, dass Jōchō keine politischen Ideale verfolgte. Ihm zufolge konnte man dem Fürsten alle Entscheidungen überlassen, während ein Krieger ausschließlich seinem Lehnsherrn zur Seite zu stehen hatte. Diese Art der Unterwürfigkeitsmentalität, die den eigenen Verstand ausschaltet und alle Entscheidungen der Obrigkeit überlässt, ist in der modernen СКАЧАТЬ