Название: In den Drachenbergen
Автор: Wolf Awert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Drachenblut
isbn: 9783959591836
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„Und was war mit der Schildkröte? Du hast mir ihr geredet und dich ganz offensichtlich gut mit ihr verstanden.
„Was sollte denn mit ihr sein? Was hat die Schildkröte damit zu tun, wer meine Familie ist?“
„Alles“, antworteten die Zwillinge wie aus einem Munde.
„Das müsst ihr mir erklären.“
Aureon schüttelte den Kopf. „Uns steht es nicht zu, irgendetwas zu erklären. Die Schildkröte ist das Oberhaupt unserer Familie, und nur sie wird sprechen, nicht wir.“
„Was redet ihr da für einen Unsinn. Wie kann eine Schildkröte eine Familie leiten? Und mit wem sollte sie Schildkröte denn reden?“
„Vielleicht leiht sie ihre Stimme nur jemandem. Doch mit wem sie spricht, das wissen wir. Mit dir spricht sie. Das war ein guter Beginn gestern. Mit Neven spricht sie auch. Meistens spricht sie mit Neven. Manchmal aber auch mit Altwi, – allerdings nur selten.“
„Mit mir hat sie nicht gesprochen.“
„Doch, hat sie. Ich habe es gesehen. Und sie tut es sogar, ohne dass du deinen Tee vorher trinkst. Das ist wirklich erstaunlich.“
Tama war es leid, ständig Rätsel vorgesetzt zu bekommen. Sie erinnerte sich an die Satzfetzen, die durch ihren Kopf gesprungen waren. Ob die Zwillinge das meinten? Aber sie hatte nichts davon verstanden. Es war wohl besser, das Thema zu wechseln. „Wie passt ihr eigentlich in diese Familie hinein?“
Aureon schüttelte den Kopf. „Keine gute Frage“, sagte er. „Das hat etwas mit unserer Abstammung zu tun, und über Abstammung spricht bei uns niemand gern. Wir auch nicht. Aber es hat sich viel verändert während der letzten Jahre. Früher ist unsere Mutter häufiger vorbeigekommen. Sie wohnte dann immer in dem besonderen Zimmer unterm Dach. Und wenn sie nicht kam, dann war der Vater von Altwis Kindern da. Der wohnte auch in diesem Zimmer. Ganz hoch oben. Aber jetzt steht das Zimmer leer, und nur Altwi geht manchmal noch hinein, um nach dem Rechten zu schauen. Und sie schließt hinterher immer sehr sorgfältig wieder ab.“
„Auch hinter sich, wenn sie reingegangen ist“, ergänzte Argenton.
Tama hätte am liebsten auf die beiden eingeprügelt. Sie hätte schon blind sein müssen, um nicht zu bemerken, dass sich in dieser Familie alles um die Abstammung drehte. Und nicht nur hier. Gleiches galt für Pando, der ihr wahr zu machen versucht hatte, dass sie für die großen Wahrheiten noch nicht bereit war. Dieser Angeber. Wo er jetzt wohl stecken mochte? Und dann war da auch noch Paluda. Noch ein Geheimnis mehr. Was machte sie hier? Sie war ein Gestaltwandler. Wurde sie hier versteckt?
Warum ziehen Aureon und Argenton mich nicht ins Vertrauen? Sie könnten mir doch zumindest das bestätigen, was ich mir selbst zusammengereimt habe. Selbst wenn sie auch nicht viel mehr wissen als ich. Zumindest scheint das so zu sein. Sollen sie doch alle ersticken an ihren Geheimnissen.
„He!“ Sie waren in einem Teil des Elfenviertels, das Tama nicht kannte. „Wo wollt ihr denn hin?“ Das war weder der Weg, auf dem sie hergekommen war, noch führte er in Richtung Garnison. Sie gingen eher in die entgegengesetzte Richtung.
„Ganz ruhig. Entspann dich. Wir gehen spazieren, bewegen uns ein wenig. Egal wohin, Hauptsache, weg von der Garnison. Wer hier ein Ziel hat und sich schnell bewegt, fällt auf. Und auffallen wollen wir nicht. Zu viele Wachen. Du verstehst?“ Argentons silberne Augen sahen alles. Und jetzt fiel es auch Tama auf. Überall waren Komposits der Bürgerwehr damit beschäftigt, den Schutt zu beseitigen, den die Erdstöße auf die Straßen gebracht hatten. Mütter mit Kindern waren nirgendwo zu sehen. Ob die sich in den Häusern sicherer fühlten? Sie schlenderten nun ziellos umher, bis Aureon sagte: „Und jetzt scharf rechts, zu den Büschen hinüber und dann laufen.“
Die beiden Jungen nahmen Tama an die Hand und gemeinsam rannten sie los, ließen die wenigen Gebäude hinter sich. „Spring!“, rief Aureon und sie sprangen – in ein verwaschenes Dunkel hinein.
„Jetzt nach links“, kommandierte er, und Tama blieb nichts anderes übrig als zu folgen. Sie sah keinen Schritt weit in all dieser Schwärze um sie herum. Es dauerte immer seine Zeit, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die beiden Brüder schienen diese Schwierigkeiten nicht zu kennen. Und als Tama endlich etwas sehen konnte, befanden sie sich bereits am Außenzaun der Stadt, oder besser gesagt, vor dem, was noch davon übrig war.
„Wenn du die Stadt einmal verlassen möchtest, ohne dass dich jemand dabei bemerkt, ist das hier die Stelle, wo du es versuchen solltest. Die Dunkelheit greift mittlerweile weit über den Zaun hinaus, und kein Komposit wird jemals hierhin kommen, um ihn zu reparieren. Vielleicht werden sie irgendwann einmal einen neuen Zaun um die Stadt herum bauen. Außerhalb der Dunkelheit. Aber auch der wird früher oder später von der Dunkelheit durchdrungen werden. Niemand kann die Toten aufhalten. Sie werden immer stärker.“ Aureons Stimme hatte sich zu einem Flüstern herabgesenkt und vertrieb die letzten Reste eines frischen Morgens. Es roch dumpf, kein Lüftchen regte sich, und um sie herum herrschten Alter, Vergängnis und Vergessenheit.
„Aber ich will gar nicht aus der Stadt heraus“, sagte Tama in ganz normaler Lautstärke und brach damit den Bann.
„Ich weiß“, antwortete Aureon. „Aber du solltest diesen Weg kennen. Und jetzt komm.“
Zu dritt gingen sie dort entlang, wo die Überreste des alten Zaunes die ehemalige Stadtgrenze markierten. Wachposten waren nicht zu sehen. Man braucht nicht zu bewachen, wohin niemand gehen will, und mit Leuten, die hier herauswollten, schien niemand zu rechnen. Tama fragte sich, ob es außer ihnen noch jemand gab, der hier so frei umherstreifen konnte, wie sie es taten.
„Wir sind nicht mehr allein“, sagte Aureon, und seine Stimme riss Tama aus ihren Gedanken. „Jetzt wirst du ein paar weitere Bewohner des Dunkels kennenlernen. Gestalten, denen es verboten wurde, das Reich der Lebenden endgültig zu verlassen. Jetzt hängen sie hier herum und warten auf eine Gelegenheit. Zurück ins Leben oder vorwärts auf einen Weg, dessen Ziel niemand kennt. Es sind Geister“, setzte er noch überflüssigerweise hinzu.
Vor ihnen standen zwei Herren in ungewöhnlicher Kleidung und von unscharfer Gestalt. Tama streckte unwillkürlich die Hand aus – und griff durch den Nebel hindurch. Die beiden Gestalten verzogen keine Miene, doch sie konnte einen kleinen Widerstand spüren.
„Ja, junge Frau, uns gibt es wirklich. Wir sind die Stärksten in allen Welten, weil es unmöglich ist, uns zu zerstören. Wir brauchen nur Zeit, und die haben wir im Überfluss. Alle Zeit der Welt von jetzt und hier bis in die Ewigkeit.“
„Dann müsst Ihr sehr stolz und glücklich sein, und ich fühle mich geehrt, gleich zwei so mächtigen Herren hier begegnen zu dürfen.“ Tama sah nicht ein, warum sie sich von dieser dümmlichen Protzerei beeindrucken lassen sollte.
Die beiden Gestalten trennten sich voneinander, und nun konnte Tama etwas mehr erkennen. Der Sprecher der beiden war kurz, kräftig und untersetzt, der andere hochgeschossen und von hagerer Gestalt. „Ja, wir können uns glücklich schätzen, aber wir könnten auch etwas Hilfe gebrauchen, so ungern ich das zugebe. Habt Ihr zufällig etwas Brot bei euch, das Ihr entbehren könnt?“
„Das Geister hungrig sein können, ist ein neuer Gedanke für mich“, sagte Tama.
„Papperlapapp. Hungrig ist jeder, aber unser Hunger ist von einer anderen Art. Ich hänge hier fest. Böse Stimmen haben einst behauptet, ich hätte meinem Lehrherrn ein ganzes Laib Brot gestohlen. Der Richter hat ihnen СКАЧАТЬ