Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke. Walter Benjamin
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Название: Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

Автор: Walter Benjamin

Издательство: Ingram

Жанр: Контркультура

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isbn: 9789176377444

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СКАЧАТЬ Sage statt: wo ich liebe – wo ich meine Liebe äußere, so stimme ich dir bei. Liebe ist ein Immanentes, du liebst einmal – und immer –

      agathon Wie meinst du dieses: Immer? Daß Liebe ewig sei? Oder daß es nicht möglich ist, einen, den man liebt, manchmal nicht zu lieben?

      sophia Beides scheint mir wahr. Liebe ist ein Kontinuum. Ich muß nicht immer den Geliebten denken. Doch wenn ich ihn denke – so immer in Liebe. Und: Liebe ist ewig. Was sollte stark genug sein, dieses Sein zu sprengen?

      agathon Wenn ich dazu käme, zwei Menschen zu lieben, die einander hassen.

      sophia Du kannst niemals dazu kommen, zwei Menschen zu lieben, die einander hassen. Wenn du diese Menschen liebst, so lieben sie dich wieder und der Haß müßte weichen vor diesem Einen, Gemeinsamen, Großen. Weicht er nicht, dann war irgendwo Liebe nicht da.

      agathon Und wie, wenn Liebe zu einem Dritten erst diesen Haß erzeugte?

      vincent Es ist ja nicht möglich, Agathon. Das wäre ja keine Liebe. Liebe erzeugt doch Gutes. Nicht Haß, der gegen einen Guten immer ein Böses ist.

      sophia Liebe bessert. Wer Liebe besitzt, muß besser werden. Hier sind alle Liebenden – Mütter und Freunde. Denn sie wollen den Geliebten wachsen sehen.

      agathon Dann können nur gute Menschen lieben, Sophia.

      sophia Nicht so – wer ist gut? Aber wahrlich – nur solche können lieben, die gut sein wollen.

      agathon Und auch wollen, daß der Geliebte gut sei.

      vincent Das ist dasselbe.

      —————

      1913/14

      Wo bist du, Jugendliches! das immer mich

      Zur Stunde weckt des Morgens, wo bist du, Licht?

      Hölderlin

      I

      Täglich nutzen wir ungemessene Kräfte wie die Schlafenden. Was wir tun und denken ist erfüllt vom Sein der Väter und Ahnen. Eine unbegriffene Symbolik verknechtet uns ohne Feierlichkeit. – Manchmal erinnern wir uns erwachend eines Traumes. So erleuchten selten Hellsichten die Trümmerhaufen unserer Kraft, an denen die Zeit vorüberflog. Wir waren Geist gewohnt wie den Herzschlag, durch den wir Lasten heben und verdauen.

      Jedes Gespräches Inhalt ist Erkenntnis der Vergangenheit als unserer Jugend und Grauen vor den geistigen Massen der Trümmerfelder. Wir sahen noch niemals die Stätte des lautlosen Kampfes, der das Ich gegen die Väter setzte. Nun erblicken wir, was wir ohne Wissen zerschlugen und hoben. Das Gespräch klagt um versäumte Größe.

      II

      Das Gespräch strebt zum Schweigen und der Hörende ist eher der Schweigende. Sinn empfängt der Sprechende von ihm, der Schweigende ist die ungefaßte Quelle des Sinns. Das Gespräch hebt Worte zu ihm als die Fassenden, die Krüge. Der Sprechende senkt die Erinnerung seiner Kraft in Worte und sucht Formen, in denen der Hörende sich offenbart. Denn der Sprechende spricht um sich bekehren zu lassen. Er versteht den Hörenden trotz seiner eigenen Worte: daß einer ihm gegenüber ist, dessen Züge unauslöschlich ernst und gut sind, während der Sprechende die Sprache lästert.

      Aber mag er auch eine leere Vergangenheit orgiastisch beleben, der Hörende versteht nicht Worte sondern das Schweigen des Gegenwärtigen. Denn der Sprechende ist trotz der Seelenflucht und Wortleerheit gegenwärtig, sein Gesicht ist dem Hörenden offen und die Bemühungen der Lippen sind sichtbar. Der Hörende hält die wahre Sprache in Bereitschaft, in ihn gehen die Worte ein und er zugleich sieht den Sprecher.

      Wer spricht geht in den Lauschenden ein. Das Schweigen gebiert sich also selber aus dem Gespräche. Jeder Große hat nur ein Gespräch, an dessen Rande wartet die schweigende Größe. Im Schweigen wurde die Kraft neu: der Hörende führte das Gespräch zum Rande der Sprache und der Sprechende erschuf das Schweigen einer neuen Sprache, er, ihr erster Lauscher.

      III

      Schweigen ist die innere Grenze des Gespräches. Niemals gerät der Unproduktive an die Grenze, er hält seine Gespräche für Monologe. Aus dem Gespräch tritt er in das Tagebuch oder in das Café.

      In den gepolsterten Räumen schwieg es schon lange. Hier darf er lärmen. Er tritt unter die Huren und die Kellner wie der Prediger unter die Andächtigen – er, der Konvertit seines letzten Gespräches. Nun ist er zweier Sprachen kundig, der Frage und Antwort. (Ein Fragender ist einer, der sein Leben lang an die Sprache nicht dachte, und nun will er es ihr recht machen. Ein Fragender ist leutselig gegen Götter.) Der Unproduktive fragt – hinein in das Schweigen, unter die Tätigen, Denker und Frauen – nach der Offenbarung. Er ist am Ende erhoben, er blieb ungebeugt. Seine Wortfülle flieht ihn, er lauscht verzückt seiner Stimme; er vernimmt weder Worte noch Schweigen.

      Aber er rettet sich in die Erotik. Sein Blick entjungfert. Sich selber will er sehen und hören und also will er des Sehenden und Hörenden mächtig werden. Daher verspricht er sich selbst und seine Größe, er flüchtet sprechend. Aber immer sinkt er vernichtet vor der Menschheit im andern nieder; immer bleibt er unverständlich. Und suchend gleitet der Blick der Schweigenden durch ihn hin zu dem, der schweigend kommen wird. – Größe ist das ewige Schweigen nach dem Gespräch. Es heißt den Rhythmus eigener Worte im Leeren vernehmen. Das Genie hat seine Erinnerung völlig verflucht in der Gestaltung. Es ist gedächtnisarm und ratlos. Seine Vergangenheit wurde schon Schicksal und ist nimmer zu gegenwärtigen. Im Genie spricht Gott und lauscht dem Widerspruch der Sprache.

      Dem Schwätzer scheint das Genie die Ausflucht vor Größe. Kunst ist das beste Mittel gegen Unsal. Das Gespräch des Genius ist aber Gebet. Im Sprechen fallen die Worte von ihm nieder wie Mäntel. Die Worte des Genius machen nackt, und sind Hüllen, in die der Lauschende sich gekleidet fühlt. Wer lauscht ist die Vergangenheit des großen Sprechers, sein Gegenstand und seine tote Kraft. Der sprechende Genius ist stiller als der Lauschende, wie der Betende stiller ist als Gott.

      IV

      Immer bleibt der Sprechende von der Gegenwart besessen. Also ist er verflucht: nie das Vergangene zu sagen das er doch meint. Und was er sagt, hat schon lange die stumme Frage der Schweigenden in sich befaßt, und ihr Blick fragt ihn, wann er endet. Er soll sich der Hörenden vertrauen, damit sie seine Lästerung bei der Hand nimmt und sie bis an den Abgrund führt, in dem die Seele des Sprechenden liegt, seine Vergangenheit, das tote Feld, zu dem er hinirrt. Da wartet aber die Dirne schon lange. Denn jede Frau hat die Vergangenheit und jedenfalls keine Gegenwart. Darum behütet sie den Sinn vor dem Verstehen, sie wehrt dem Mißbrauch der Worte und läßt sich nicht mißbrauchen.

      Den Schatz der Alltäglichkeit hütet sie, aber auch die Allnächtlichkeit, das höchste Gut. Darum ist die Dirne die Hörende. Sie rettet das Gespräch vor Kleinheit, auf sie hat Größe keinen Anspruch, denn Größe endet vor ihr. Jede Mannheit ist schon vor ihr vergangen, nun verfließt der Wortstrom in ihre Nächte. Die ewig gewesene Gegenwart wird wieder werden. Des Schweigens anderes Gespräch ist Wollust.

      V

      das genie Ich komme zu dir, um bei dir auszuruhen.

      die dirne СКАЧАТЬ