Название: Gefangen
Автор: Sira Rabe
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783866085626
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Am liebsten hätte Delia vor Scham und Entsetzen laut aufgeschrieen, als sie sich bewusst wurde, dass es nun endgültig kein Zurück mehr gab und auf was sie sich eingelassen hatte. Max hatte ihr zur Beruhigung ein weiteres Glas Sekt eingeflößt, und davon war sie noch eine Zeit lang benebelt genug gewesen, um die ersten eindeutigen Blicke der Männer zu ertragen. Mittlerweile war die Wirkung des Alkohols jedoch verflogen.
Immer wieder mal war Max oder Mona vorbeigekommen, hatte ihr Mut machend zugezwinkert oder sie leise gelobt, wie gut sie ihre Rolle verkörpere. Delia empfand den Zuspruch einerseits als wohltuend, andererseits als zynisch. Welche Rolle spielte sie denn überhaupt? Sie konnte den Händen, die sie betatschten, nicht ausweichen, war der Lückenbüßer für die Wartenden oder die, die sich noch nicht für eine der Damen entschieden hatten, einfach nur ein wenig Abwechslung und Zerstreuung suchten.
Es war nur wenig tröstlich, ihre Mimik durch den Schleier notdürftig versteckt zu wissen, sich hinter der trügerischen Anonymität eines Stückchens Stoff wie hinter einer dunklen Sonnenbrille sicherer und unbeobachteter zu fühlen. Insgesamt fiel es ihr schwer, unglaublich schwer, die Situation zu ertragen, und sie verfluchte mehr als einmal den Satan des Geldes, der sie dazu gebracht hatte, sich von Max dazu überreden zu lassen.
Die meisten Männer betrachteten sie mit frivolem Blick und sie hörte, wie einige zur Theke gingen, um sie zu buchen, und mit wenig Verständnis zur Kenntnis nahmen, dass dies nicht möglich sei. Genau dies forderte sie erst recht dazu heraus, sich Delia zu nähern und sie lüstern zu umarmen, ihr einen Kuss aufzuzwingen, ihr auf den Po zu klatschen oder ihre Brustwarzen zu befingern. Es störte sie nicht, dass Delia dies ohne Begeisterung hinnahm, ihnen auszuweichen versuchte und ihre Miene Abscheu ausdrückte. Es war ihnen egal, ob sie die zickige Prüde spielte oder ihre Abwehr echt war. Im Gegenteil, sie lachten laut über die Sklavin, die schon noch lernen würde, welche Bestimmung sie erwartete.
Iwan, der Türsteher, hatte die Anweisung, erst einzugreifen, wenn es zu sexuellen Handlungen käme. Amüsiert beobachtete er Delias Abwehr-reaktionen.
«Hey, gib sie mir mit, diese widerspenstige Sklavin, dann werde ich sie zureiten und ihr zeigen, was ihre Aufgabe ist!», rief einer der Männer ordinär zu Iwan hinüber, ehe er die rot beleuchtete Treppe nach unten verschwand. Iwan grinste breit.
Delia wurde beinahe übel, wenn sie daran dachte, dass sie sich in einem Bordell befand und sie die einzige Frau war, die hier nicht gevögelt wurde. Wäre es denkbar, dass man sie verschwinden ließ und dazu zwang? Niemand wusste, wo sie diese Nacht verbrachte. Offensichtlich wirkte sie sexy auf die Männer. Sie wusste, dass sie eine gute Figur hatte und schöne Brüste, aber so unverfroren wie hier war sie noch nie angestarrt worden. Natürlich lief sie sonst auch nicht halbnackt durch die Stadt, aber trotzdem –!
«Hallo! Schau nicht so ernst! Ich glaube, du brauchst eine Pause!» Max befreite sie von den Fesseln und nahm sie mit in sein Büro. Ein weiteres Glas Sekt und ein wenig Unterhaltung würden Delia entspannen.
Er betrachtete sie, wie sie mit damenhaft übereinander geschlagenen Beinen im Sessel saß, aufrecht, ohne sich anzulehnen. Der weich fließende Stoff, der in hauchzarter Transparenz ihre Figur umschmeichelte, machte aus ihr die personifizierte Verführung. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, sie betrunken zu machen und Iwan zu überlassen. Er war darin geübt, unerfahrene, aber letztlich doch willige Frauen in beliebte Techniken einzuweisen, und hatte früher als Zuhälter gearbeitet. Dann verwarf Max die Idee wieder. Es wäre falsch. Er wollte nichts Illegales tun.
Allmählich wirkten Sekt und Müdigkeit. Delia blieb selten so lange auf. Inzwischen war es zwei Uhr nachts, wie ihr die gegenüber an der Wand aufgestellte antike Pendeluhr verriet. Sie gähnte verhalten.
Max brachte sie zurück und kettete sie wieder an. Er lobte sie noch einmal, dann ließ er sie alleine.
Im Moment war es ein wenig ruhiger geworden. Alle Männer waren untergekommen und die Bar leer. Delia war froh, dass ihr Körper mal eine Zeit lang keinen weiteren Angriffen ausgesetzt war. Gewiss, es war nichts Schlimmes passiert, darauf hatte ja auch Iwan zu achten, obwohl sie bezweifelte, dass er diese Aufgabe besonders ernst nahm. Einige Männer hatten sie betatscht, ihre Brustwarzen befummelt und ihr auf den Hintern geklatscht. Sie hatten versucht, sie mit ordinären Wortspielereien geil zu machen. Delia mochte diese Sorte von Wörtern nicht, aber sie konnte darüber hinweghören.
Ein paar der Männer waren jedoch abstoßend gewesen. Sie sahen reich aus, sehr reich. Delia konnte das Geld buchstäblich riechen, so sehr stanken sie nach Geld. Aber vor allem auch nach Geilheit, nach niedriger Geilheit, einer sogar nach Schweiß. Sie hatte den Ekel heruntergeschluckt und verkrampft gelächelt.
Mit müden Augen sah sie sich um. Die Einrichtung war geschmackvoller und luxuriöser, als sie erwartet hatte. Die aufgestellten Bronzefiguren, die Helden und Göttinnen der Antike darstellten, und die an den Wänden hängenden Gemälde mit Motiven des Impressionismus zeugten von Stil und guter Auswahl.
In der Sitzgruppe in Delias Nähe lümmelte jetzt ein Gast mit einer recht jungen Frau. Für ihn viel zu jung. Seine Kleidung, Uhr und zwei Ringe bezeugten einen gewissen Wohlstand. Ab und an lachte die Frau ein wenig zu schrill und künstlich zu dem auf, was er ihr angeregt erzählte. Seine Hand war unter ihren Rock geschoben, und sie bewegte sich rhythmisch vor und zurück, als ob sie auf seinen Fingern reiten würde. Delia nahm nur Fetzen davon wahr. Erneut gähnte sie, drehte ihren Kopf, um sich mehr umzusehen. Aber mehr war im Augenblick nicht los. Ihr Kopf zuckte hoch. So musste es sein, wenn man durch Übermüdung während einer Autofahrt in den Sekundenschlaf verfiel! Sie riss die Augen auf, aber kurz darauf verschleierte sich erneut ihr Blick und sie dämmerte weg. Ein Regal voller Spielsachen für Erwachsene erschien vor ihren Augen, ihre Hand griff danach, aber immer, wenn sie eine der bunten Packungen aus dem Fach nehmen und näher betrachten wollte, langte ihre Hand daneben …
«Ist alles in Ordnung mit dir?»
Der Traum riss ab und der Schall von Max’ Stimme dröhnte überlaut in ihrem Ohr.
«Ja, ich – ich denke schon», stammelte Delia mühsam. «Mein Kreislauf macht ein bisschen Probleme. Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, mir wird gleich schwarz vor den Augen.»
Max nickte. «Dachte ich mir schon. Du siehst kalkweiß aus. Komm mit und trink einen Kaffee.» Er machte sie los und fasste sie sicherheitshalber unter den Arm, bis sie in seinem Büro angelangt waren. Dann reichte er ihr eine Tasse heißen Kaffee aus seiner Thermoskanne.
«Danke, das tut gut.»
«Willst du aufhören?»
«Nein, nein, es geht schon. Die letzten zwei Stunden halte ich auch noch durch.»
«Okay.» Max setzte sich ihr gegenüber und zündete sich eine Zigarette an. Er blies den Rauch zur Decke, schaute Delia überlegend an.
«Ist was?»
«Wie man es nimmt. Ich weiß, du hast noch nie als Hure gearbeitet und willst es auch nicht versuchen. Verstehe ich. Wenn man einen ordentlichen bürgerlichen Beruf hat …» Er beugte sich vor und lehnte sich mit den Unterarmen auf dem Tisch auf.
«Aber?», fragte Delia. «Du willst doch auf irgendetwas hinaus. Spuck’s aus!»
Er grinste.
«Ich hätte nicht gedacht, dass du so direkt zur Sache kommst. Nun – heute Abend haben schon ein paar Stammkunden nach dir gefragt.»
«Nein!» Delias Widerspruch kam prompt und СКАЧАТЬ