Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte
Автор: Louise Otto
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027204908
isbn:
Und nun laßt uns einmal fragen, wie viel Männer gibt es denn, welche, wenn sie durchdrungen sind von dem Gedanken, für die Freiheit zu leben und zu sterben, diese eben für alles Volk und alle Menschen erkämpfen wollen? Sie antworten gar leicht zu Tausenden mit Ja! aber sie denken bei all ihren endlichen Bestrebungen nur an eine Hälfte des Menschengeschlechts – nur an die Männer. Wo sie das Volk meinen, da zählen die Frauen nicht mit.
Aber die Freiheit ist unteilbar! Also freie Männer dürfen keine Sklaven neben sich dulden – also auch keine Sklavinnen. Wir müssen den redlichen Willen oder die Geisteskräfte aller Freiheitskämpfer in Frage stellen, welche nur die Rechte der Männer, aber nicht zugleich auch die der Frauen vertreten. Wir können so wenig, wie sie uns selbst zu Bundesgenossinnen haben wollen, sie die Bundesgenossen der Fahnenträger der Freiheit nennen! Sie werden ewig zu dem »Halben« gehören, und wenn sie auch noch so stolz auf ihre entschiedene Gesinnung sein sollten.
L. O.
Bücherschau
Paris und Berlin. Roman aus der neuesten Zeit von M. Norden. Zwei Teile.
Leipzig. Adolph Wienbrack, 1849.
Es freut mich, die Reihe der Bücher, die ich nach und nach in diesen Blättern zu besprechen gedenke, mit einem Werke beginnen zu können, das ich allen Leserinnen aufs beste empfehlen darf.
Ohne zu weitläufige und ermüdende Kritiken geben zu wollen, scheint es mir doch nötig, die neu erscheinende Literatur im Auge zu behalten und die Resultate dieser Überblicke in dieser Zeitschrift niederzulegen. Daß dabei auf die Werke der Schriftstellerinnen besonders Rücksicht genommen werden wird, versteht sich, aber der Einseitigkeit, nur diese etwa zu besprechen, weil diese Zeitung für Frauen bestimmt ist, soll niemals gehuldigt werden. Am meisten Berücksichtigung werden diejenigen Werke finden, die sich mit der sozialen Reform beschäftigen, welcher wir dienen, und insofern auch die Frage der weiblichen Emanzipation behandeln.
Nach dieser notwendigen Vorbemerkung wenden wir uns zu dem vorliegenden Buche!
M. Norden gehört zu den wenigen Schriftstellerinnen, die sich vorzugsweise der sozialen Frage zugewendet haben. Sie hat dies schon in ihren »Feldblumen« getan, die 1847 erschienen, und hier erblicken wir sie wieder auf demselben Gebiet. Das Geld, dieses unheimliche Gespenst, das besonders in den Zuständen der Gegenwart auf eine so fürchterliche Weise spuken geht, es spielt auch in ihren Romanen eine Hauptrolle, welche ein getreuer Spiegel der Gegenwart sind. Es würde zu weit führen, hier auf den sehr verwickelten Inhalt, der immer spannend und interessant ist, näher einzugehen; um aber zu zeigen, wie wahr und tief die Verfasserin die soziale Frage erfaßt, sei hier einiges aus den Geständnissen einer Verbrecherin mitgeteilt, das sie ihrer von ihr betrogenen Freundin macht:
»Ich kämpfte den Kampf des Armen gegen den Reichen mit aller List und aller Hartnäckigkeit, welche mir die raffinierte Schlauheit meiner Geisteskräfte eingab. Die Verderbnis meines Gemütes gab mir noch schrecklichere Waffen als diese. Ich sah dich reich und glücklich; ich war arm, und ich haßte Dich, weil Du besaßest, was mir fehlte, und ich scheute keine Mittel, um Dir, der Gehaßten, Bevorzugten, das zu entreißen, was Dir dies unendliche Übergewicht über mich gab. Mit kaltem Blute würde ich Dich ins Verderben gestürzt und einen höllischen, innerlichen Triumph gefühlt haben, so ich dich dann so elend gewußt hätte, wie mich selbst! – Dies brennende Verlangen, reich und durch den Reichtum angesehen und geehrt zu werden, stachelte mich von meiner Kindheit an zum ruchlosen Handeln auf. Ich wurde schon in meinem Dorfe das Opfer eines Wüstlings, dessen Außenseite schön war und den ich reich glaubte, weil seine Gewohnheiten mich dies vermuten ließen. – Ich kam wieder in das Haus einer Frau, die die Wohltäterin meiner Kindheit gewesen war; auch sie war reich, darum war sie meine Feindin, so gut, wie jede andere, gleich ihr Begünstigte. Ich entwendete ihr von ihrem Reichtum, was ich ihr überflüssig hielt – und wurde nach der Entdeckung mit Schimpf und Schande auf die Straße gewiesen, mein Brot zu suchen, wo ich es finden könnte. – Ich fand Dich wieder reicher, glücklicher noch, als ich es gedacht hätte. Der Mann, der meine erste Jugend betrog, weil ich arm und deshalb für ihn unbedeutend war, erkor Dich am ersten Tage seiner Bekanntschaft mit Dir zu seiner Gattin, weil Du reich warst! – Du nahmst den Platz seiner rechtmäßigen Frau ein, der mir geweigert worden war, weil ich arm war.« –
So sei dies Buch bestens empfohlen. Auch die Ausstattung, welche ihm die Buchhandlung hat angedeihen lassen, verdient anerkannt zu werden.
L.O.
Krieg
»Wie? Die Sittlichkeit will Duell-Mandate nur Einzelwesen, nicht Völkern geben? Eher müßte sie die Zweikämpfe als die Millionen-Kämpfe sekundieren; denn jene zeugen mehr Ehre, diese mehr Unglück. – Das Unglück der Erde war bisher, daß zwei den Krieg beschlossen und Millionen ihn ausführten und ausstanden, indes es besser, wenn auch nicht gut gewesen wäre, daß Millionen beschlossen hätten und zwei gestritten. Denn da das Volk fast ganz allein die ganze Kriegsfracht auf Quetschwunden zu tragen bekommt und nur wenig von dem schönen Fruchtkorben des Friedens, und oft die Lorbeerkränze mit Pechkränzen erkauft; – da es in die Mord-Lotterie Leiber und Güter einsetzt und bei der letzten Ziehung (der des Friedens) oft selber gezogen oder als Niete herauskommt: so wird seine verlierende Mehrheit viel seltener als die erbeutende Minderzahl ausgedehntes Opfern und Bluten beschließen. Wenn jetzt der Krieg nur wider, nicht für die Menge, und fast nur von ihr geführt und erduldet wird –: so willigte gewiß ein jetziges Land in einen mehr opfernden als reichenden Krieg viel langsamer als sonst die barbarischen, hungernden Völker, welche nicht anders sich satt essen konnten als mit dem Schwerte in der Hand als Gabel.«
Wenn ein Weib seinen sittlichen Abscheu gegen den Krieg aussprechen will, so muß es wohl auf seiner Hut sein, daß die Leser nicht wegwerfend die Achseln zucken und meinen: so kann mir ein Weib sprechen! Ich habe deshalb mit den Worten eines edlen deutschen Mannes begonnen – mit denen unsres Jean Paul. Sie stehen in seiner »Kriegserklärung gegen den Krieg« in seinen »Dämmerungen für Deutschland«, einem Buche, das gerade vor vierzig Jahren erschien. Und immer noch leben wir in diesen Dämmerungen! Jean Paul ist ihnen schon lange entrückt und sieht vielleicht, wie er so oft geschildert, aus seinen Sonnen-Höhen herab auf seine liebe Erde und lächelt wehmütig, daß wir's in Deutschland immer noch nicht weiter als bis zur Dämmerung gebracht haben, wenn auch der Gedanke, den vor vierzig Jahren vielleicht er allein von Tausenden unbeachtet oder belächelt aussprach, jetzt von ebenso vielen ihm nachgesprochen wird, der Gedanke: »Auf der kleinen Erde sollte nur ein Staat liegen – um den häßlichen Widerstreit zwischen Moral und Politik, zwischen Menschenliebe und Landesliebe auszutilgen –; nicht aber eben eine Universal-Monarchie sollte sein, weil diese wenigstens die Bürgerkriege zuließe, sondern eine Universal-Republik von vereinigten Provinzen.« –
Da liegen sie vor mir, die Zeitungsberichte vom Kriegsschauplatze aus Schleswig-Holstein. – Ich brauche es nicht erst in den Zeitungen zu lesen, ich les' es auf hundert Gesichtern um mich her, welch ein Ungeheuer der Krieg ist! Da ängstigen sich alte Eltern um den einzigen Sohn, der ihnen noch keine Kunde gesendet, ob er noch lebend und unverletzt ist – da betrauert die Mutter ihren einzigen, der die Stütze ihres einsamen Alters war und von dessen Tod ihr bereits die schreckliche СКАЧАТЬ