Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ die Gesellschaft lange Zeiten hindurch verschuldet hat: daß die Erziehung, der Unterricht der ärmeren Klassen ein so mangelhafter ist, daß Tausende in Rohheit und Unwissenheit aufwachsen. Sehen wir aber, wie die forcierte Demokratin der sogenannten gebildeten Stände schon sich darin gefällt, ihre feinere Bildung zu verleugnen und in der Abstreifung aller zarteren Formen des Umgangs – (Formen, die wahrlich nicht unnütze Ziererei und Narrheit, sondern das Bedürfnis der Humanität und edles Schicklichkeitsgefühl erfunden) ihr Gefühl für Freiheit zu betätigen sucht – so wird bei gleichen Grundsätzen das schon ohnehin rohe Weib noch roher und läßt allen Gemeinheiten absichtlich den Zügel schießen. – Man muß auch Ungebildetheit und Grobheit ertragen, wo sie eine Folge von Unwissenheit und mangelhafter Erziehung ist, man muß durch den Schmutz gehen können, wo es sein muß, ohne sich mit zu beschmutzen – aber man hat ein Recht, die Genossenschaft derer zurückzuweisen, die, statt aus dem Schlamme sich zu erheben, Gefallen finden, immer tiefer darin zu versinken.

      Nicht wahr – das ist eine schonungslose Schilderung? sie wird uns viele Feindinnen unter denen machen, die sich vielleicht unsere Genossinnen nannten bis heute – wo wir diese Genossenschaft feierlichst zurückweisen. – Aber wir wollen kämpfen und siegen durch die Reinheit unserer Sache, und damit eben diese von allen erkannt werde, auch von denen, die ihr jetzt noch mißtrauen, gilt es, alle unedlen Elemente zurückzuweisen, die sich unter sie mischen. Wir sind ferne von dem Grundsatz, daß der Zweck das Mittel heilige, wir überlassen ihn unsern Gegnern.

       L.O.

       Inhaltsverzeichnis

      Das offenbare Gegenteil von den Forcierten sind diese Isolierten – sie wirken nur da, wo sie sicher sind, nicht bemerkt zu werden – daß sie aus ihrer Zurückgezogenheit nicht herausgehen, davon tragen eben die Forcierten und Frivolen die Schuld, durch welche sie sich zurückgeschreckt und verletzt fühlen, deren Gemeinschaft sie um jeden Preis vermeiden wollen.

      Unsere Zeit ist reich an edlen Frauen, deren Blicke wohl über den engen Kreis des Familien-Lebens hinausgehen, die aber nimmermehr auch ihre Schritte diesen folgen lassen möchten. Sie haben das Vorurteil wohl in der Idee, aber nicht in der Wirklichkeit überwunden – oder, wenn sie es selbst überwunden haben, so ist es doch in ihrer Umgebung, in ihrer Familie noch herrschend, und so akkomodieren sie sich, ihre Pflichten gegen das Allgemeine den Pflichten gegen das Besondere aufopfernd.

      Wer kennte nicht diese mannigfaltigen hemmenden Familien-Verhältnisse der Gegenwart, welche auch die Frauen von entschiednen demokratischen Grundsätzen zur Isolierung zwingen! selbst demokratische Väter und Gatten wollen oft nicht, daß ihre Frauen an einem mehr öffentlich tätigen demokratischen Leben sich beteiligen, und zwar teils aus unvertilgbarer Philisterhaftigkeit, welche nicht von dem Grundsatz abgeht, jeden öffentlichen Schritt einer Frau unweiblich zu finden, und nicht will, daß man von einer Frau selbständig, d.h. anders spreche als von der Frau ihres Mannes, dessen Namen sie trägt – teils auch um ihren Frauen und Töchtern die Möglichkeit zu ersparen, mit jenen Forcierten und Frivolen in Berührung zu kommen, und dadurch, wie man zu sagen pflegt, in eine Klasse geworfen zu werden, – teils aber auch aus Ängstlichkeit und Unbehagen, schon bei den eignen schweren Verantwortlichkeiten eines öffentlichen Wirkens noch mit für die gleichen Schritte der Frauen und Töchter verantwortlich gemacht zu werden. Freilich sind auch die letzten Gründe noch ein gut Teil männlicher Philisterhaftigkeit – aber wir dürfen für dieselbe weniger die Männer an und für sich verantwortlich machen als vielmehr das Herkommen und die noch zu Recht bestehenden Institutionen, welche in der Tat Frauen und Töchter zu »Hörigen« der Gatten und Väter gemacht haben, daß diese die Schritte jener mit vertreten müssen. Haben nun schon Demokraten solche Bedenklichkeiten, denen die Frauen aus freiem Willen nachgeben, aus Klugheit, um den häuslichen Frieden zu erhalten, oder aus Liebe, die sich gern den männlichen Wünschen fügt und sich schweigend resigniert, so arten diese Bedenklichkeiten bei Reaktionären und Konservativen zur Tyrannei aus. Wer dem Absolutismus huldigt, wird auf immer in seinem Haus den Alleinherrscher spielen, und wem das Konservative Ideal ist, der wird auch gern in der eigenen Familie entweder die alten patriarchalischen Zustände aufrechterhalten oder es bis zum konstitutionellen Schein-Leben bringen, in dem die Frau zwar nein sagen, aber nicht danach handeln darf – das absolute Veto hat der Mann sich vorbehalten. Es ist immer dieselbe Tyrannei, wenn auch unter verschiedenen Formen.

      So wird ein großer Teil der Demokratinnen zur Isolierung von den Verhältnissen gezwungen. Wie oft wird uns nicht die Antwort, wenn wir Frauen oder Töchter zu einem Frauen-Verein, einer demokratischen Zusammenkunft oder zur Unterschrift eines öffentlichen Schreibens auffordern: »Mein Mann will es nicht – es tut mir leid«, – oder von den Töchtern, auch wenn dieselben längst mündig und über die Zeit der raschen Jugend hinaus sind: »Mein Vater gestattet dies nicht – ich darf nicht, so gern ich möchte.«

      Aber es gibt auch freiwillig Isolierte außer diesen gezwungenen – denn Gott sei Dank! nicht das ganze Geschlecht lebt in diesem Joch. Es gibt Gatten und Väter, welche die Menschenwürde, d.i. das Recht der freien Selbst-Bestimmung, auch in ihren Gattinnen und Töchtern ehren – und noch viel mehr gibt es Unabhängige, Witwen und verwaiste Mädchen, die selbständig handelnd im Leben stehen – aber auch unter diesen wie viele Isolierungen! Wie viele Frauen, die bei einem scharfen Verstand und einem von wahrer Menschenliebe erfüllten Herzen doch so scheu in ihre Zelle sich zurückziehen, sich selbst so abhängig machen, nicht allein von den Urteilen, sondern auch von den Vorurteilen der Welt. – Einige beugen sich diesen Vorurteilen aus Interesse – Frauen, die von einem Geschäft leben müssen, vielleicht durch einen Handel das Brot ihrer Kinder verdienen, oder Mädchen, die als Lehrerinnen, Schneiderinnen usw. ihren Erwerb suchen müssen – sehen sich oft in die traurige Notwendigkeit versetzt, entweder ihre ganze Existenz, und oft ist es ja nicht die eigene allein, oder ihre Gesinnung – und wenn nicht diese selbst, so doch die öffentliche Betätigung denselben aufzuopfern, denn diese Frauen und Mädchen sind allein von den höhern Ständen abhängig – und es ist bekannt, wie besonders bei den Damen der Aristokratie und reichen Bourgeoisie der Fanatismus so weit geht – daß sie allen Verkehr mit Demokratinnen abbrechen und namentlich grundsätzlich denselben nichts zu verdienen geben. So zwingt die Sorge um den Lebensunterhalt viele zur Isolierung, zum Verhüllen ihrer wirklichen Ansichten. Doch auch die ganz Unabhängigen beugen sich aus freiem Willen dem Vorurteil und verharren scheu in einer selbstgewählten Zurückgezogenheit. Wir tadeln dies, aber wir finden dies sehr erklärlich, durch die Erziehung, welche bis jetzt das weibliche Geschlecht genossen, durch die Stellung, welche die Frauen in der jetzigen bürgerlichen Gesellschaft einnehmen, und durch die abschreckenden Beispiele, welche einige Frauen durch die Art ihres öffentlichen Auftretens gegeben haben.

      Die Erziehung, welche bis jetzt – mit wenigen Ausnahmen – das weibliche Geschlecht genossen, lief darauf hinaus, die Frauen unselbständig zu erhalten und ihr eigenes Urteil von den Urteilen anderer abhängig zu machen. Die Redensart von der »weiblichen Bestimmung«, welcher man die allerengsten Grenzen zog und dabei von der Ansicht auszugehen schien, daß das Weib nur einen Körper, allenfalls ein Herz, aber doch ganz gewiß keinen Geist habe – ist unter dem weiblichen Geschlecht selbst jetzt noch viel mehr gang und gäbe. [...]

      Nur die verschwiegenen vier Wände ihres traulichen Stübchens wagen sie zu den Zeugen ihrer erweiterten Interessen zu machen, und nur bei verschlossenen Türen flüstern sie irgendeiner kühneren Freundin zu: »Nimm diese Arbeit, dies Geschmeide oder diesen ersparten Thaler und sieh, ob Du damit einen unserer unglücklichen Freiheitskämpfer oder seine Frau, seine Kinder unterstützen kannst – aber daß es nur niemand erfahre – Du wagst meine Freundschaft, wenn Dir mein Name entschlüpft« usw. Oder eine solche stille Demokratin seufzt gegen die Vertraute, die ihr von der Lebendigkeit einer Vereinssitzung, einer Assisen-Verhandlung usw. erzählt: »Ich möchte es für mein Leben gern mit gehört haben – aber –«, СКАЧАТЬ