Название: Gesammelte Werke von Rudyard Kipling
Автор: Редьярд Киплинг
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027209255
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Tarvin hatte unterdessen Frau Mutrie in ein Gespräch gezogen, worin das Vorhandensein von Eisenbahnen gar nicht berührt wurde. Zufällig hatte er einiges über die Heirat des Präsidenten der C. C. C. gehört und er fand die Neuvermählte sehr geneigt, seine höchst schmeichelhafte Lesart der Geschichte anzuhören. Er überschüttete sie mit Artigkeiten und ließ sich des langen und breiten von ihrer Hochzeitsreise erzählen. Die heutige Fahrt gehörte eigentlich noch dazu, dann ging’s nach Denver in die Häuslichkeit. Sie war sehr gespannt, ob es ihr dort gefallen könne, und Tarvin beteuerte, daß ihr die Stadt zusagen werde. Er verbürgte sich für sie, er malte sie in leuchtenden Farben auf Goldgrund und schlang Blumenranken darum, er machte sie zu einem Ideal und bevölkerte sie mit Paradiesesmenschen. Dann rühmte er die Läden und Theater: er behauptete, New Jork könne sich daneben verkriechen, aber vorher müsse sie das Theater in Topaz sehen. Er hoffe sehnlich, die Herrschaften würden sich ein paar Tage in Topaz aufhalten.
Topaz selbst pries er nicht so grell, als er Denver gepriesen hatte. Er begnügte sich, der jungen Frau seinen einzigartigen, besonderen Reiz anzudeuten, und als er sie dahin gebracht hatte, sich Topaz als die hübscheste, vornehmste, gedeihlichste Stadt des Westens vorzustellen, ließ er den Gegenstand fallen. Im übrigen drehte sich das Gespräch um persönlichere Dinge, und Tarvin streckte nach allen Richtungen Fühlhörner aus, zuerst um etwaige übereinstimmende Anschauungen, dann um ihre Schwächen zu entdecken. Er wollte wissen, woran die Frau zu packen war, denn das war das Mittel, den Mann zu packen, soviel hatte er schon beim Eintreten vom Blatt gelesen. Ihre Geschichte kannte er, ihren Vater hatte er sogar persönlich gekannt. Tarvin war einmal in dem Gasthof abgestiegen, den dieser in Omaha geführt hatte. Er erkundigte sich nach dem alten Haus, nach den Besitzern, die seither mehrmals gewechselt hatten. Wer führte das Haus jetzt? Hoffentlich hatte er ihres Vaters Oberkellner beibehalten! Und der Koch? Der Mund wässerte ihm heute noch nach der leckern Küche! Sie lachte herzhaft und wurde zuthunlich. In diesem Gasthof hatte sie ja ihre Kindheit verlebt, in den langen Gängen und auf den Vorplätzen gespielt, auf dem Klavier im Damenzimmer herumgetrommelt, in der Anrichte Zuckerzeug genascht. Ja freilich, den Koch kannte sie auch, ganz persönlich, der hatte ihr manchmal noch Pudding ins Bett geschickt – ja wohl, der war heute noch im Hause!
Tarvins offene, freundliche Art, seine Bereitwilligkeit sich belustigen zu lassen, und die noch größere, zur Belustigung der andern beizutragen, übten allerorten, die Macht, Menschen anzuziehen. Seine herzliche, mannhafte Art, seine zuversichtliche Fröhlichkeit, die das Leben stark und vielseitig und glückbringend anfaßte, strömten Wärme aus. Er begegnete jedem Menschen mit gleichmäßigem Wohlwollen, er fühlte sich jedem verwandt, nahm jeden als Bruder auf, wenn man ihn nur gewähren ließ.
So war er denn auch mit Frau Mutrie bald auf ganz vertrautem Fuß und sie bat ihn, mit ihr an das große Fenster am Ende des Wagens zu gehen und ihr die Aussicht auf die Schluchten des Berglands von Arkansas zu erklären. Sie kauerten sich am Fußboden nieder, um den vollen Anblick der über ihren Häuptern hängenden massigen Felspartieen zu genießen, und blickten auf das Chaos von Felsblöcken hinaus, das sich aufgethan hatte, um sie durchzulassen, und sich unmittelbar hinter ihnen wieder zusammenschloß. Fühllos und nüchtern rasselte der Zug durch die in Trümmer gestürzte Schönheit dieser bisher unberührten Welt, wunderbar erschien es, wie er sein Gleichgewicht erhielt auf dem für das Auge kaum messerbreiten Raum, den man für ihn, auf einer Seite dem Fluß, auf der andern den Bergen abgewonnen hatte. Frau Mutries Gleichgewicht kam dafür öfter ins Wanken, wenn der Zug um die zahllosen Kurven schwenkte, so daß Tarvin sie mehrmals vor dem Fallen bewahren mußte, bis er schließlich ihren Arm durch den seinigen zog und sie nun gemeinsam die Bewegungen des Zuges mitmachten, er den Halt durch weit gespreizte Beine sichernd. So blickten sie unverwandt nach den Gigantentürmen und Mauern hinauf, die über ihren Häuptern zu schweben, im Wirbel zu tanzen schienen.
Frau Mutrie stieß häufig laute Rufe des Erstaunens und Entzückens aus, die anfangs die gewohnheitsmäßige Antwort der Frauennatur auf große Natureindrücke waren, die aber bald zu einem scheuen, schreckensvollen Murmeln wurden. Ihre Oberflächlichkeit fühlte sich von diesem gewaltigen Anblick gehemmt und erdrückt, wie die Gegenwart des Todes sie wohl auch zum Schweigen gebracht haben würde; gewohnheitsmäßig, aber ohne rechten Mut ließ sie die kleinen Frauenkünste Tarvin gegenüber trotzdem weiter spielen, als aber der Zug aus dem Felsgekluft in die Ebene hinaustrat, atmete sie erleichtert auf und zog den Reisebegleiter, den sie offenbar als ihr Eigentum ansah, ungestüm wieder in den Salon zurück. Sheriffs Redestrom war noch nicht erschöpft; er zählte dem Präsidenten die Vorzüge von Topaz in endloser Reihe auf, dieser hörte ihm aber zerstreut zu und starrte gelangweilt durchs Fenster. Als die junge Frau zurückkam, ihren Mann zärtlich auf die Schulter klopfte und ihm ein paar Worte ins Ohr flüsterte, nahm sich der beleibte Herr ungefähr aus wie ein in Verlegenheit geratender Menschenfresser. Tarvin mußte seinen alten Platz neben ihr einnehmen und erhielt Befehl, sie sehr gut zu unterhalten, worauf er bereitwillig einging, indem er ihr eine sehr erfolgreiche Expedition schilderte, die er einmal in das Felsengebiet gemacht hatte. Was er dabei suchte, Silber, hatte er zwar nicht gefunden, aber wenigstens einige ganz ungewöhnlich große Amethyste.
»Was Sie sagen! Nein, Sie Glückspilz, davon müssen Sie mir noch viel erzählen! Amethyste? Wirkliche, lebendige? Ich hatte keine Ahnung, daß in Colorado Amethyste gefunden würden!«
In ihren Augen funkelte ein merkwürdiger Glanz, es war geradezu leidenschaftliche Begehrlichkeit. Tarvin fing den Blick auf – war das Ihr schwacher Punkt? Nun, wenn dem so war – von Edelsteinen wußte er genug, zu erzählen, sie waren ja eine von den »natürlichen Hilfsquellen« seiner geliebten Stadt! Wenn das sie fesselte, davon konnte er vom Morgen-bis zum Abendläuten reden! Ob man damit die drei C. würde nach Topaz locken können? Es flog ihm durch den Kopf, daß man sich in Form eines Hochzeitsgeschenks niedlich machen könnte; vor seinen Augen flimmerte ein von der Handelskammer überreichtes Diadem von Diamanten, aber er verwarf den tollen Einfall so rasch, als er ihm aufgestiegen war. Nein, nein, öffentliche Ehrengaben thaten’s nicht, hier war nur geheime Diplomatie am Platz, und man mußte sehr vorsichtig, sehr zartfühlend sein, ganz ruhig und freundschaftlich vorgehen, mit leisem Finger da und dort anpochen, um dann plötzlich mit raschem Griff zuzufassen, kurz, ein Fall für Nikolas Tarvin, den einzigen Mann auf Erden, der das leisten konnte! Er sah sich im Geist seinen Mitbürgern die C. C. C. zuführen, unerwartet, glanzvoll, wie ein königlicher Geber, und sah sie durch desselben Nikolas Tarvins alleinige Kraft ausgeführt, er sah sich als den Gründer kommender Größe seiner geliebten Stadt. Er sah Rustler verödet und verlassen, sah den Eigentümer eines gewissen Grundstücks von dreiundzwanzig Morgen als Millionär vor sich!
Seine Phantasie verweilte ein wenig bei dem betreffenden Grundstück: leicht war das Geld nicht verdient worden, womit er’s gekauft hatte, und am letzten Ende ist Geschäft immer Geschäft. Einen Teil davon konnte man als Bauplatz für ein Maschinenhaus an die C. C. C. verkaufen, wenn diese wirklich kam, das übrige als Bauplätze für Wohnhäuser. Das war keine unangenehme Vorstellung, über es war nicht die Hauptsache, sein höchster Traum war Topaz. Wenn es wahr ist, daß die Vorsehung ihre Hilfe immer dann schickt, wenn sie am nötigsten ist, und dahin, wo sie am meisten gewürdigt wird, hier konnte der Satz einmal bestätigt werden!
Jetzt fiel ihm erst auf, was für ungewöhnliche Ringe Frau Mutrie trug. Es waren ihrer nicht besonders viele, aber die Steine erlesen schön. Er wagte es, den ungeheuren Solitär an ihrer linken Hand zu bewundern, worauf sie den Ring abstreifte, daß er ihn genauer sehen könne. Dieser Diamant habe eine Geschichte, sagte sie. Ihr Vater hatte ihn einem Schauspieler abgekauft, einem Tragöden, der in Denver, Topeka, Kansas und St. Io vor leeren Häusern gespielt und in Omaha vollends schlechte Geschäfte gemacht hatte. Der Wert des Steines hatte hingereicht, um die Heimreise nach New York für die ganze Truppe zu bestreiten, und das war offenbar die einzige wirkliche Gutthat, die der Stein seinen Besitzern je erwiesen hatte. Der Tragöde hatte ihn nämlich einem Spieler abgewonnen, der einen andern im Streit СКАЧАТЬ