Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг
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Название: Gesammelte Werke von Rudyard Kipling

Автор: Редьярд Киплинг

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9788027209255

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СКАЧАТЬ der Steinwelt abhob.

      Das Schweigen des Orts und die vermessene Nacktheit der leeren Gebäude legten sich ihm wie ein schwerer Druck auf die Seele. Lange Zeit war Tarvin nicht einmal im stand, vor sich hinzupfeifen, sondern wanderte planlos zwischen den Mauern umher, besah sich die ungeheuren, natürlich ausgetrockneten Wassersammler, die hohlen Schilderhäuser, womit die Verschanzung wie mit Nägeln besetzt war, die von der Zeit morsch gewordenen Bogen, die jeden Straßeneingang überspannten, und vor allem den neunstöckigen Turm des Ruhmes mit seinem halbeingestürzten Dach, das in einer Höhe von hundertfünfzig Fuß in die Luft ragte, um dem umliegenden Land zu sagen, daß die königliche Stadt nicht tot sei, sondern sich eines Tags wieder bevölkern werde mit Menschen.

      Nach mühsamem Aufstieg in dem Turm, dessen Außenwände eine völlige Kruste von Hochreliefdarstellungen menschlicher und tierischer Gestalten trugen, sah Tarvin herab auf das weite schlafende Gelände, worin die Totenstadt lag. Er sah die Straße, die er zur Nachtzeit geritten war, und konnte sie dreißig Meilen weit verfolgen, wie sie bald in einer Einsenkung verschwand, bald wieder auftauchte, er überblickte die weißen Mohnfelder und das braungrüne Buschwerk und sah, wie die endlose Ebene im Norden vom funkelnden Schienenstrang der Bahnlinie durchschnitten wurde. Wie zur See vom höchsten Mastkorb hielt er Umschau aus seiner luftigen Höhe, denn sobald er wieder unten war in der Stadt, beraubte ihn das himmelhoch ragende Bollwerk jedes Ausblicks. An der Nordseite, wo die Eisenbahnlinie der Stadt am nächsten kam, liefen steingepflasterte Laufgräben an der Böschung hinunter, die sich von dieser Höhe genau ausnahmen wie die herabgelassenen Fallreepstreppen an einem Schiff, und durch die von der Zeit und wuchernden Bäumen gerissenen Lücken in der Mauer sah man den fernen bläulichen Horizont der Ebene hereinschimmern, gerade als ob es die tiefblaue See wäre. Eingedenk, daß Fibby im Gesträuch auf sein Frühstück wartete, beeilte er sich, die zerbröckelnden Stufen wieder hinabzusteigen, und eingedenk des Wesentlichen, was ihm Estes über die Lage des Kuhmauls gesagt hatte, schlug er ein Seitensträßchen ein, wobei er vielen Eichhörnchen und Affen in die Quere kam, die im kühlen Dunkel der leeren Thorbogen ihre Wohnung aufgeschlagen hatten. Das letzte der Häuser endete in einem von Mimosen und Binsen überwucherten Schutthaufen, durch den schmale Fußspuren liefen.

      Tarvin nahm Notiz von diesem Haus, als der ersten thatsächlichen Ruine, die er zu Gesicht bekam. Was er den Tempeln und Palästen hauptsächlich zur Last legte, war, daß sie eben keine Ruinen waren, sondern nur leer, tot, ausgefegt, von den Teufeln der Einsamkeit schwelgerisch in Besitz genommen. Mit der Zeit, in ein paar Tausend Jahren vielleicht, würde die Stadt in Staub und Moder zerfallen, dieses Haus wenigstens war mit gutem Beispiel vorangegangen.

      Die Fußspur, der er folgte, führte ihn auf einen vorspringenden massiven Felsblock, der wie ein Wasserfall überhing. Kaum hatte indes Tarvin einen einzigen Schritt darauf gemacht, als er auf der Nase lag, denn das Gestein hatte tiefe Rinnen glätter als Eis, die von Millionen nackter Füße eingetreten und blank poliert worden waren; wie lange diese Füße dazu gebraucht hatten, würde kein Mensch nachrechnen können. Als er sich wieder aufrichtete, hörte er ein boshaftes Kichern und Glucksen, das halb unterdrückt mit einem Stickhusten endete, dann ganz verstummte und von neuem wieder anhob. Tarvin schwor sich im stillen, den Spötter ausfindig zu machen und zu bestrafen, sobald er sein Halsband gefunden haben würde, und gab dann etwas besser acht auf sein Gleichgewicht. An dem Punkt, wohin er jetzt gelangt war, schien es ihm, als ob das Kuhmaul ein ausgedienter Steinbruch wäre, dem die Schlingpflanzen aus dem Hals wuchsen.

      Der Blick auf alles tiefer Liegende war durch das dichte Laubwerk von Bäumen versperrt, die sich aufwärts reckten und ihre Köpfe zusammenstreckten wie eine Leichenwache über einem Toten. Früher hatten in den Fels gehauene Stufen den beinahe senkrechten Abhang hinunter geführt, sie waren aber von den nackten Füßen längst zu bloßen glasigen Runzeln abgeschliffen worden, und der vom Wind hergetragene Staub hatte in den Vertiefungen eine dünne Erdschichte angesetzt. Tarvin spähte längere Zeit ärgerlich hinunter, denn das Hohngelächter drang wieder aus der Tiefe herauf, dann stieg er, die Stiefelabsätze tief in die Mulden bohrend, Schritt für Schritt hinab und suchte von Zeit zu Zeit an einem Grasbüschel Halt. Ehe er sich’s versah, war er der Sonne entrückt und stand bis über die Schultern in hohem, hartem Gras. Die Fußspur führte immer noch weiter, die Senkung dauerte an und er griff beim Weiterschreiten mit beiden Händen in die starken Grashalme. Jetzt fühlte er eine Feuchtigkeit an seinen Ellbogen und sah, daß der Fels, wo dieser aus der Erde ragte, von Nässe zerfressen und mit Moos überzogen war. Die Luft wurde feucht und kühl und beim nächsten Schritt, den er mehr hinabrutschte als ging, sah er, auf einem breiteren Steinvorsprung aufatmend, was ihm das Geäst der Bäume bisher verhüllt hatte. Die Stämme wuchsen aus der Umfassungsmauer eines viereckigen Teichs empor, dessen Wasser so still stand, daß es längst den Höhepunkt der Fäulnis überschritten hatte und phosphorisch leuchtend im fast nächtlichen Schatten des üppigen Laubwerkes lag. Durch die Sommerhitze war der Spiegel gesunken, und so zog sich eine Bank getrockneten Schlamms rundum. Das Kapitäl eines umgesunkenen Pilasters, in das ungeheuerliche und unzüchtige Götzenbilder gehauen waren, ragte aus der Pfütze empor wie der Kopf einer aufs Land zusteuernden Schildkröte. Hoch über Tarvins Haupt, da wo noch Sonnenstrahlen durchs Gezweig drangen, schwirrte es von Vögeln; kleine Zweigchen und Beeren fielen zuweilen herab in das tote Gewässer und ihr Aufklatschen hallte wider von den Rändern des Teichs, der von keinem Sonnenschein wußte.

      Das Kichern und Glucksen, das Tarvin so geärgert hatte, ertönte jetzt aufs neue, dieses Mal in seinem Rücken. Sich scharf umwendend, entdeckte er, daß es von einem dünnen Wasserstrahl herrührte, der stoßweise aus dem Maul eines roh in Stein gehauenen Kuhhauptes hervorsprudelte und über eine Steinrinne in den regungslosen blauen Teich rieselte. Unmittelbar dahinter stieg die steile Felswand auf, an der er herabgeglitten war. Das war also das Kuhmaul.

      Der Teich lag am Boden eines hohen Schachts, und der einzige Weg, der aus Licht und Sonnenglut in dieses düstere nasse Gewölbe führte, war der, den Tarvin gekommen war.

      »Recht freundlich vom König, das muß ich sagen,« brummte er, vorsichtig auf dem Gesimse weitergehend, das fast ebenso schlüpfrig war wie sein Felsenabstieg. »Was in aller Welt soll dabei herauskommen?«

      Er kehrte wieder um, denn das Gesimse war nur an einer Seite des Teichs erhalten, während die andern drei von lehmigen Schmutzanhäufungen eingefaßt waren, die zu betreten nicht ratsam schien und die ihm doch die einzige Möglichkeit boten, seine Erforschung weiter zu treiben. Jetzt kicherte und gluckste das Kuhmaul wieder, weil sich ein neuer Wasserstrudel durch seine unförmlichen Kinnladen drängte.

      »So vertrockne doch!« brummte Tarvin ungeduldig, indes er sich ziemlich ratlos in dem Halbdunkel umsah.

      Er warf zuerst einen Felsbrocken auf den Schmutzwall, betastete ihn dann vorsichtig mit der Zehenspitze und beschloß, da er ziemlich verläßlich zu sein schien, den Umgang zu wagen. Da an der rechten Seite des Teichs mehr Bäume standen als an der linken, wählte er diese und hielt sich für den Fall eines Fehltritts vorsichtig an den Zweigen fest.

      Ursprünglich war die Felseneinfassung des Teichs vollkommen wagrecht gewesen, aber Zeit, Feuchtigkeit und die eroberungslustigen Baumwurzeln hatten die Steine an tausend Stellen gesprengt und gespalten, so daß der Fuß nur hie und da zweifelhaften Halt fand.

      Entschlossen, ringsum zu wandern, arbeitete sich Tarvin an der rechten Seite des Teichs weiter. Die Dämmerung vertiefte sich noch, als er jetzt unmittelbar unter dem größten der Feigenbäume war, der tausend Arme über das Wasser hinbreitete und mit schlangenhaft gewundenen Wurzeln vom Durchmesser eines männlichen Körpers am überhängenden Felsen hinaufkletterte. Hier ruhte Tarvin eine Weile, in einer Wölbung des Geästes sitzend, um sich noch klarer zu verdeutlichen, wie der Ort beschaffen war. Die Sonne schoß den schlüpfrigen Pfad herunter, den er gekommen war und der ihm nun gerade gegenüber lag, und sie warf einen breiten Lichtfleck auf das verwitterte buntschimmernde Marmorgesims des jenseitigen Teichrands und auf die stumpfe Schnauze des Kuhmauls. Da wo Tarvin saß, herrschte volle Finsternis und ein fast unerträglicher Moschusgeruch. СКАЧАТЬ