Название: Gesammelte Werke von Rudyard Kipling
Автор: Редьярд Киплинг
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027209255
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Seine Angaben über die Reise nach Gye-Mukh lauteten, Tarvin müsse die sechsundneunzig Meilen nach Rawut wieder im Büffelkarren zurücklegen, dort treffe er einen Zug, der ihn siebenundsechzig Meilen westwärts zu einem Knotenpunkt befördere, wo er dann umsteigen und mit einer andern Linie hundertundzwanzig Meilen nach Süden fahren müsse. Dann sei er nur noch anderthalb Wegstunden von jener Stadt entfernt und möge sich ihren wunderbaren neunstöckigen Turm des Ruhmes wie die cyklopische Stadtmauer und die verlassenen Paläste wohl anschauen. Zwei Tage würden Hin-und Herreise mindestens kosten.
Als man so weit war, verlangte Tarvin eine Karte, die ihm auf den ersten Blick deutlich machte, daß Estes ihm zumutete, drei Seiten eines ungeheuren Quadrats zu umkreisen, wahrend eine spinnenfüßige Linie geradeaus von Rhatore nach Gunnaur lief.
»Das käme mir kürzer vor,« sagte Tarvin, den Strich verfolgend.
»Ist aber nur ein Feldweg, und von der Beschaffenheit indischer Straßen haben Sie ja einen Begriff. Siebenundfünfzig Meilen auf einer derartigen Straße in diesem Sonnenbrand, das könnte einem das Leben kosten!«
Tarvin lächelte; er kannte die Angst vor der Sonne noch nicht, der Sonne, die Jahr um Jahr seinem Gefährten etwas von der Lebenskraft geraubt hatte.
»Ich werde doch wohl hinreiten. Um halb Indien herumzufahren, nach einem Ziel, das mir gerade gegenüber liegt, hieße mir zuviel Zeit verschwenden, wenn es auch hierzulande Brauch sein mag.«
Er fragte weiter, wie denn das Kuhmaul eigentlich beschaffen sein möge, und Estes gab ihm archäologische, philologische und architekturgeschichtliche Erklärungen, aus denen für Tarvin wenigstens hervorging, daß es ein Loch sein müsse, ein sehr altes, ganz hervorragend altes Loch von besonderer Heiligkeit, schließlich aber eben doch nichts als ein Loch im Boden.
Tarvin beschloß, sofort dahin aufzubrechen, der Damm mochte warten, bis er zurückkam. Es war ohnehin zweifelhaft, ob des Königs Anwandlung von Begeisterung so weit reichen würde, daß er morgen seine Gefängnisse aufschließen ließe. Dann überlegte sich Tarvin, ob er den Maharadscha von seinem Vorhaben in Kenntnis setzen, oder erst das Naulahka besichtigen und hernach die Unterhandlungen anknüpfen solle. Da letzteres mehr in Geist und Brauch des Landes lag, entschied er sich dafür. Mit Estes’ Karte in der Tasche, kehrte er ins Rasthaus zurück, um seinen Leibstall zu besichtigen. Wie jeder Westamerikaner rechnete Tarvin ein Pferd zur Notdurft des Lebens, und so hatte er sich gleich nach seiner Ankunft instinktmäßig eines angeschafft. Es war ihm dabei wohlthuend gewesen, alle Kniffe und Pfiffe der Roßhändler, mit denen er’s je im Leben zu thun gehabt hatte, bei dem mageren, schwärzlichen Kabuli getreulich wiederzufinden, der ihm an einem unbeschäftigten Abend vor der Veranda des Rasthauses einen bockenden, ungebärdigen Gaul vorführte, und noch wohlthuender war es ihm gewesen, sich mit dem Kerl herumzubalgen, wie er sich daheim mit solchem Gelichter herumzubalgen pflegte. Das Ergebnis dieses in gebrochenem Englisch und äußerst nachdrücklichem Amerikanisch geführten Wortkampfes war der Ankauf eines unschönen, mausfarbigen Kathiavarhengstes von zweifelhaftem Ruf gewesen, der wegen Bosheit aus dem Dienst seiner Majestät entlassen worden war und sich mit der Hoffnung trug, auf seinen Lorbeeren ruhen zu dürfen, nachdem er das Leben mehr als eines Reitersmanns der irregulären Deolee-Kavallerie auf dem Kerbholz hatte. In Stunden, wo Tarvin um jeden Preis irgend etwas leisten, vornehmen mußte, hatte er ihm diesen Irrtum gründlich benommen, und wenn auch nicht gerade dankbar für Belehrung, so fand sich der Kathiavar doch mit Höflichkeit darein. Er führte bei seinem jetzigen Gebieter den Namen Fibby Winks, womit sein wenig kavaliermäßiges Betragen gekennzeichnet und eine Aehnlichkeit konstatiert werden sollte, die Tarvin zwischen dem schmalen, langen Pferdekopf und jenem Amerikaner fand, der ihm ein Recht streitig zu machen wagte.
Tarvin traf den Gaul in der Nachmittagssonne hinter dem Rasthaus schlafend und nahm ihm die Stalldecke ab.
»Wir wollen einen kleinen Spaziergang machen, Fibby,« kündigte er ihm an.
Der Kathiavar schnappte und wieherte unwirsch.
»Ja wohl, du warst von jeher ein Faulpelz, Fibby.«
Fibby wurde von dem aufgeregten eingeborenen Diener gesattelt und Tarvin holte indes aus seinem Zimmer eine Wolldecke, die er so zusammenrollte, als enthielte sie allerhand Lebensmittel. Fibby sollte sich seine Mahlzeiten selbst suchen. Dann machte er sich auf den Weg, so leichtherzig, als ob sich’s um einen Spazierritt um die Stadtmauer gehandelt hätte. Es war jetzt gegen drei Uhr nachmittags. Tarvin war entschlossen, daß Fibby mit Hilfe der Sporen den ganzen unergründlichen Vorrat von Bosheit und Halsstarrigkeit daransetzen müsse, die siebenundfünfzig englischen Meilen in zehn Stunden zu bewältigen, falls der Weg annehmbar war. Fand es sich, daß er sehr schlecht war, so würde er ihm zwölf Stunden Zeit vergönnen. Auf dem Heimweg waren dann jedenfalls die Sporen entbehrlich. Heute nacht war Mondschein und Tarvin wußte schon genug von Feldwegen in Gokral Sitarun und Bergpfaden anderwärts, um sicher zu sein, daß ihm Straßenkreuzungen kein Kopfzerbrechen kosten würden.
Nachdem Fibby beigebracht worden war, daß man nicht von ihm verlangte, in drei Richtungen zumal, sondern nur in einer auszuschreiten, kaute er sich behaglich auf dem Gebiß ab, senkte den Kopf und begann kunstgerecht zu traben; da zog aber Tarvin die Zügel an und hielt ihm eine schöne Rede: »Du mußt nämlich wissen, Söhnchen, wir reiten nicht zum Vergnügen – vor Sonnenuntergang wirst du das vollständig begriffen haben. Nun hat dich irgend eine Kommißseele gelehrt, deine kostbare Zeit mit englischem Trab zu vergeuden. Wir werden uns im Verlauf unsres Unternehmens noch über verschiedene Punkte auseinandersetzen müssen, dieses aber muß jetzt schon klar werden; wir wollen nicht mit einem Frevel beginnen. Sei also so gut, Fibby, und laß das Traben und schreite aus wie ein braves, mannhaftes Roß von Natur geht.«
Dieser Vortrag genügte noch nicht vollständig, vielmehr hatte Tarvin noch einige Ergänzungen nötig, bis Fibby wirklich in den leichten Laufschritt verfiel, den Eingeborene des Ostens wie des Westens reiten und der weder Pferd noch Mann ermüdet. Nun dämmerte dem Tier wohl auch eine Ahnung, daß man eine lange Reise vorhabe, denn er ließ den Schwanz hängen und legte sich ordentlich ins Zeug.
Anfangs mußte er in eine Wolke sandigen Staubs schreiten, zwischen Baumwollfrachtwagen und ländlichen Karren, die sich rasselnd und knarrend nach der Bahnlinie von Gunnaur bewegten. Als die Sonne zu sinken begann, tanzte sein großer Schatten wie ein Gespenst über vulkanische Felsbrocken, die mit niederem Buschwerk oder da und dort mit einer Aloe bewachsen waren.
Die Fuhrleute spannten jetzt am Straßenrand ihre Zugtiere aus und schickten sich an, bei trüb glostenden Feuern ihre Abendmahlzeit zu bereiten und zu verzehren. Fibby spitzte die Ohren und schielte wehmütig nach den Lagerfeuern, hielt aber wacker aus in der wachsenden Dunkelheit und Tarvin roch den scharfen Saft des Kameldorns, den seine Hufe zerstampften. Hinter ihnen stieg der Mond in voller Herrlichkeit auf, und seinen lauernden Schatten folgend, überholte Fibby bald einen nackten Mann, der über der Schulter einen Stecken mit bimmelnden Glöckchen trug, und schweratmend und schweißtriefend vor einem andern zu fliehen schien, der ihn mit entblößtem Schwert verfolgte. Die beiden waren der Landpostbote und die ihm zum Schutz beigegebene Wache auf dem Weg nach Gunnaur. Das Gebimmel der Glöckchen verklang in der Ferne, und Fibby ging jetzt langsamer zwischen endlosen Reihen von Dorngesträuch hin, das verzweifelt die Arme zu den Sternen emporstreckte und Riesenschatten quer über die Straße warf. Ein Nachttier brach seitwärts aus dem Dickicht und Fibby schnaubte in Todesangst. Dann raschelte ein Stachelschwein gerade vor seinen Füßen über den Weg und verpestete die stille Luft eine ganze Strecke weit mit seinem Gestank. Ein Stück weiter tauchte ein Lichtschein auf; ein Büffelkarren war zusammengebrochen und die Treiber schliefen СКАЧАТЬ