DECEMBER PARK. Ronald Malfi
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Название: DECEMBER PARK

Автор: Ronald Malfi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958350335

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СКАЧАТЬ einem der hinteren Tische saß. Seine Anwesenheit überraschte mich. Er sah hier völlig fehl am Platz aus – wie ein Geist, der gerade vom Friedhof hereinspaziert war. Als sich unsere Blicke trafen, senkte er hastig den Kopf und starrte seine Tischplatte an. Ich drehte mich wieder zurück nach vorne. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund bereitete mir seine Anwesenheit Unbehagen.

      Als es zum Ende der Stunde läutete, rechnete ich damit, dass mir Adrian hinausfolgte, aber er tat es nicht. Er packte seine Bücher zusammen, schulterte seinen lächerlich überdimensionalen Rucksack und eilte rasch vor mir aus dem Klassenzimmer. Auf dem Flur verschwand er inmitten der Schülermenge.

      Am darauffolgenden Tag grüßte ich ihn, als ich auf dem Weg zu meinem Tisch an seiner Reihe vorbeikam. Von seinem Platz aus starrte er mich perplex hinter seinen dicken Brillengläsern hervor an. Als er mich erkannte, zeigte er mir ein angedeutetes Lächeln, hinter dem keinerlei Emotion zu liegen schien.

      Die nächsten fünfundfünfzig Minuten über fragte ich mich, ob Adrian nach der Stunde wohl auf mich zukommen würde. Aber wieder: Sobald es läutete, stand er auf und war auch schon durch die Tür auf und davon. Die Tatsache, dass er mich ignorierte, störte mich seltsamerweise mehr, als wenn er sich mir an die Fersen geklebt hätte und mir wie ein Welpe hinterhergedackelt wäre.

      Eines Nachmittags, bevor der Unterricht anfing, marschierte ein Junge namens George Drexler zu Adrians Platz. Adrian starrte gerade geistesabwesend auf sein Schulbuch. Drexler, ein untersetzter kleiner Arsch mit schlechten Zähnen, zeigte auf etwas, das wie eine Kritzelei am Rand einer Seite aussah und fragte: »Hey, hast du das gezeichnet?«

      Adrian blickte von seinem Buch zu Drexler auf. »Ja.« Dann lächelte er verhalten, als ob er gerade Freundschaft mit jemandem geschlossen hätte, der sein künstlerisches Talent zu schätzen wusste.

      »Cool«, bemerkte Drexler, bevor er wieder zu seinem Platz zurückkehrte. Eine halbe Minute später, als Mr. Mattingly in das Klassenzimmer kam, seine Tasche und einen Becher Kaffee von Dunkin‘ Donuts in der Hand, meldete sich Drexler. Als Mr. Mattingly ihn aufrief, platzte Drexler heraus: »Der Neue hat sein ganzes Schulbuch vollgeschmiert!«

      In der Schulkantine hielt ich immer Ausschau nach Adrian, konnte ihn aber nirgends entdecken. Gegen Ende der Woche ging ich einmal hinaus in den Innenhof. Es war ein kalter Novembertag und nur wenige Schüler waren draußen und trotzten dem Wetter, darunter größtenteils die kaputten Außenseiter, die mit dem Rest der Schülergemeinschaft nicht klarkamen. Hier war Adrian auch nicht.

      Nicht einmal auf dem Nachhauseweg von der Schule trafen meine Freunde und ich auf ihn. Adrian wohnte gleich nebenan, aber ich sah ihn in jenen ersten Wochen nie die Worth Street entlanggehen. Ein paar Mal war ich durchaus versucht, an seine Tür zu klopfen, aber der bloße Gedanke daran, noch einmal einen Fuß in dieses muffige, gruftartige Haus zu setzen, verpasste mir eine Gänsehaut, die Blindenschrift Konkurrenz gemacht hätte.

      »Bist du ihm schon mal begegnet?«, erkundigte sich Peter eines Nachmittags, während wir von der Schule nach Hause gingen.

      »Bin ich. Grandma hat mich an dem Tag, als sie eingezogen sind, mit einem Teller Keksen zu ihnen rübergeschickt. Er sitzt auch mit mir im Englischunterricht.«

      »Wie ist er so?«

      »Irgendwie seltsam. Hat schon ein paar Stunden versäumt.«

      »Dein Dad zwingt aber dich nicht, mit ihm abzuhängen, oder?«

      »Machst du Witze? Nie im Leben werde ich mit dem abhängen. Der Kleine ist ein Spasti.«

      Tatsächlich verlor mein Vater nie ein Wort über die neuen Nachbarn. Er war nicht nur überarbeitet, sondern hatte um die Feiertage herum auch seinen absoluten Tiefpunkt. Dass Charles nicht mehr bei uns war, lastete zu dieser Zeit des Jahres immer am schwersten auf ihm und ich ging davon aus, dass er in dieser Zeit auch viel an meine Mutter dachte.

      Wir hielten die Familientradition aufrecht, zur Butterfield-Farm hinauszufahren, wo wir Äpfel für Kuchen und bunten Mais zum Dekorieren der Haustür kauften. Doch mein Vater wandelte zwischen den Maisstängeln und goldenen Heuballen der Butterfields wie ein Geist mit einem starren, humorlosen Grinsen im Gesicht. Als er die Sachen an der Kasse bezahlte, verwickelte er Henry Butterfield nicht in ihr übliches, heiteres Geplänkel.

      Am Thanksgiving-Morgen, gerade als ich Adrian Gardiner schon völlig vergessen hatte, tauchte er an unserer Türschwelle auf und hielt einen mit Alufolie abgedeckten Teller in der Hand. »Ist Lasagne, glaube ich. Bin mir nicht sicher. Hat meine Mom gemacht.«

      Meine Großmutter nahm den Teller entgegen – es war unser Teller, auf dem ich die Kekse hinübergebracht hatte –, dann bat sie ihn herein. Der Junge stand im Flur und trat von einem Fuß auf den anderen. Sein Ski-Parka war ihm um die Schultern viel zu eng, während die Brille für sein Gesicht viel zu groß aussah.

      »Wie kommst du in der Schule zurecht?«, erkundigte ich mich bei ihm.

      »Ganz okay.«

      »Gefällt’s dir?«

      »Sicher.«

      »Ist es recht viel anders als Chicago?«

      »Denke schon.«

      »Was ist mit der Stadt? Ich wette, das ist total anders als in einer Metropole zu leben.«

      »Ja.«

      »Vermisst du deine Freunde?«

      »Weiß nicht.«

      Unser Gespräch war bis zum Zerreißen gespannt, also wünschte ich ihm ein fröhliches Thanksgiving und begleitete ihn hinaus auf die Veranda. Er erwiderte nichts und schien erleichtert zu sein, dass er wieder draußen war. Von den Erkerfenstern im Wohnzimmer aus sah ich ihm hinterher, wie er über den Rasen nach Hause ging. Er schlurfte und hatte die Schultern angezogen, sodass er aussah wie jemand, der sich seiner bloßen Existenz wegen nicht wohlfühlte.

      Am Sonntag darauf, als meine Familie und ich von der Kirche zurückkamen, sichtete ich Adrians schmale, kleine Erscheinung, eingezwängt in den gleichen viel zu kleinen Parka, die Haven Street hinaufmarschieren. Er hatte seinen sperrigen Rucksack auf dem Rücken und ging mit gesenktem Kopf, als zehrte die Anstrengung so sehr an ihm.

      Als unser Wagen an ihm vorüberfuhr, blickte ich ihn direkt an. Es sah aus, als suchte er etwas auf dem bräunlichen Grasstreifen, der sich am Straßenrand erstreckte. Er bemerkte mich nicht.

      ***

      Natürlich musste ich mir über wichtigere Dinge als Adrian Gardiner Gedanken machen. In den Wochen nach meinem Zusammenstoß mit Keener und seiner Gang in der Teufelsnacht hatte ich zu den seltsamsten Tageszeiten und manchmal auch am frühen Abend seinen Wagen durch mein Viertel kreuzen sehen. Es bestand nur wenig Zweifel daran, dass er mich suchte.

      Für den Rest des Monats konnte man Keener mit einer Handvoll seiner Freunde jeden Tag beim Generous Superstore antreffen, wo sie die Obszönitäten, die sie an die Wände gesprüht hatten, mit weißer Farbe übertünchten. Ich sah sie dort, als meine Freunde und ich von der Schule nach Hause gingen, und wir gaben sorgsam acht, nicht von ihnen entdeckt zu werden. Einmal konnte ich auch Carl Nance unter ihnen ausmachen. Er saß auf der Motorhaube seines Aries K, trug eine Beinschiene und balancierte ein Paar Krücken auf seinem Schoß – was mir eine unglaubliche, finstere Genugtuung verschaffte.

      Ich musste vorsichtig sein und erwartete hinter jeder Ecke einen Hinterhalt. Wie ein entflohener Sträfling СКАЧАТЬ