Название: SKULL MOON
Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958351387
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Perry betrachtete alles, was er sah, sehr genau, untersuchte es mit dem Blick eines Ermittlers. Er hielt ein Tapetenstück in den Fingern und untersuchte es, als sei es eine kostbare Antiquität. Er murmelte ein paar Worte vor sich hin und zog etwas hervor, das zwischen der Tapete und der Fußleiste steckte.
»Aber kein Mensch hinterlässt so was«, sagte er und zeigte, was er gefunden hatte.
Der Sheriff nahm es und zwirbelte es zwischen Daumen und Zeigefinger. Es schien verfilztes graues, grobes Fell zu sein. »Vielleicht irgendein Hund«, brummte er vor sich hin.
»Glauben Sie?«
Lauters machte ein finsteres Gesicht. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich habe es mit fünf toten Männern zu tun und was nun nach einem sechsten aussieht … was zum Teufel soll ich dazu sagen? Was zum Teufel wollen Sie von mir?«
»Immer mit der Ruhe, Sheriff.«
Lauters ließ das Fellstück fallen und stakste zurück ins andere Zimmer. Fluchend, die eine Hand in sein Kreuz gedrückt, bückte sich Perry und hob es auf, steckte es sich in die Tasche. Stöhnend richtete er sich auf.
»Schauen Sie mal, Doc.«
Lauters hockte neben einem zerbrochenen Tisch. Eine Schrotflinte lag darunter. Sie war fast entzweigerissen worden – die Läufe waren zu einem U gebogen. Lauters schnüffelte an ihnen und sah in die Gewehrkammer. »Nate hat zwei Schüsse abgeben können, bevor es ihn erwischt hat. Und was«, fragte er spitz, »bleibt von Schrotkugeln unversehrt?«
»Was auch immer diese Spuren hinterlassen hat«, warf Perry ein.
Lauters war sofort neben ihm. Auf dem Boden war eine Spur ins Mehl gedrückt, etwas undeutlich, aber definitiv die riesige Fährte eines unbekannten Tieres. »Was, in Jesus' Namen, hat solche Pfoten?«
Perry schüttelte nur den Kopf. »Jedenfalls kein Mensch. So viel wissen wir.«
Der Abdruck war über sechzig Zentimeter lang, vielleicht zwei Dutzend Zentimeter breit. Lang, fast stromlinienförmig – was es auch gewesen sein mochte, besaß vorne drei lange Zehen oder Krallen und hinten eine kürzere, dickere Kralle.
»Sieht fast wie von einem Hahn aus«, sagte Lauters.
»Das hat kein Vogel hier hinterlassen«, berichtigte ihn Perry schnell.
»Herrgott noch mal, Doc. Die Spur eines Giganten.«
Perry stöhnte und bückte sich.
»Sie sollten sich mal einen Termin für Ihren Rücken holen«, witzelte der Sheriff aus Gewohnheit, aber seine Stimme klang humorlos.
Perry ignorierte ihn. Er grub weiter in dem Trümmerfeld herum. Seine Finger fanden einen Eisenring. »Erdkeller.«
Mit Lauters Hilfe zog er und warf die Falltür auf. Der Keller war ein anderthalb Meter tiefes Loch mit Erdwänden, die rechteckig angelegt waren. Auf dem gefrorenen Matsch, aus dem der Boden bestand, lagen die Überreste von Nate Segaris.
»Scheiße«, murmelte Lauters.
Segaris sah übel aus. Sein Bauch klaffte offen und die Organe waren herausgerissen worden, sein Körper hohl wie eine Trommel. Seine Arme waren an verschiedenen Stellen gebrochen, zertrümmert und voller Bissspuren. An seiner linken Hand fehlten die Finger, abgesehen von dem schrecklichen Daumenstummel. Sein rechtes Bein war unter dem Knie abgehackt worden, wo die weiße Rundung der Gelenkknorpel dem Unterschenkel nachtrauerte.
Lauters fluchte unhörbar und ließ sich in den Keller hinab. Er danke Gott, dass es November war. Wenn es Sommer gewesen wäre … an den Gestank und die Fliegen wollte er lieber nicht denken.
»Es muss ihn getötet und da runtergeworfen haben«, überlegte Perry.
»Ach wirklich, Doc?«
Dem Sheriff war nicht nach Perrys schwachsinnigem Ratespiel. In letzter Zeit war ihm nach gar nichts mehr. Er sah sich suchend um, konnte die fehlenden Gliedmaßen des Mannes aber nirgendwo entdecken.
Über ihm starrte Perry auf die Überreste von Segaris' Gesicht hinunter.
Das linke Auge fehlte, wie auch das meiste Fleisch darum. Das andere Auge jedoch stand weit offen und starrte anklagend ins Leere. Sein Mund war mitten in einem Schrei offen stehengeblieben. Seine Schädeldecke war aufgebissen worden; selbst aus fast zwei Metern Entfernung konnte Perry die Zahnspuren im Schädel erkennen. Das Gehirn war herausgeschabt worden. Anscheinend waren die grauen Spritzer in der Ecke alles, was davon übrig war.
Lauters sah mit flehenden Augen hoch. »Gott, hilf uns«, brachte er hervor.
»Ich hoffe, dass Gott uns helfen kann, Sheriff; ich hoffe das wirklich«, meinte Perry. »Aber falls er's nicht kann, sollten wir besser überlegen, wie wir uns selbst helfen können.«
Grummelnd zog sich Lauters aus dem Erdkeller hoch, ohne Perrys ausgestreckte Hand zu beachten. Er richtete sich auf und klopfte seine Kleidung ab.
»Es wäre interessant, die Reihenfolge der Ereignisse zu wissen«, grübelte Perry. »Was sich wann zugetragen hat.«
Lauters schaute ihn mit seinen wässrig grauen Augen finster an. »Und was zum Teufel würde das nützen? Ein Mann ist tot. Ermordet. Halb aufgefressen, um Gottes willen!«
Geduldig nickte Perry. Er strich sich eine seidige Strähne weißen Haares von der Stirn. »Worauf ich hinaus will, Bill – wenn wir ein paar Dinge wüssten, würde es uns helfen, unseren Killer besser zu verstehen.«
»Wenn wir was wüssten, zum Beispiel?«
»Also, zuerst würde ich gern wissen, ob Segaris getötet wurde, bevor hier alles auseinandergenommen wurde oder hinterher. Wenn es hinterher war … na, dann haben wir es mit hassgetriebener, gewollter Zerstörung zu tun – einem Racheakt. Was wohl kaum typisches Tierverhalten ist.«
Lauters schüttelte den Kopf. »Sie interpretieren zu viel in die Dinge hinein.«
»Und Sie«, sagte Perry, »zu wenig.«
Lauters ignorierte ihn. »Machen wir uns auf den Weg zurück in die Stadt. Wir müssen sehen, dass Spence mit seinem Wagen kommt, um die Leiche wegzubringen.«
»Mit seinem Wagen?«, fragte Perry. »Tut mir leid, dass ich Ihnen das sagen muss, Bill, aber Spence ist eine Frau.«
»Das denken Sie.« Lauters seufzte und nippte an einem Flachmann. »Je schneller wir die Leiche unter die Erde bringen, desto schneller werden die Leute aufhören, sich den Kopf drüber zu zerbrechen.«
Perry folgte ihm nach draußen und stieg auf sein Pferd.
»Tja«, sagte der Sheriff, leerte seinen Flachmann und verstaute ihn in der Satteltasche, »ich sehe Ärger auf uns zukommen, Doc.«
Perry erwiderte nichts. Doch seine Augen suchten die Berge nach einer Antwort ab. Es gab keine. Nur den Wind und die Kälte.
Kapitel 17
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