Название: SKULL MOON
Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958351387
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Nicht, dass man ihm das hätte erklären müssen.
Generell verabscheuten die meisten Weißen die Indianer.
Und wie er wusste, waren die Blackfoot ein feindseliger Stamm. Sie hatten die Weißen bekämpft und vor ihnen andere Indianer; und das mit einer Besessenheit, gegen die selbst die Dakota wie Schwächlinge aussahen. Aber Longtree wusste, dass die Blackfoot keine schlechten Menschen waren. Nicht wirklich. Nur unbeugsam stolz und sehr darauf bedacht, ihr Gebiet zu verteidigen.
Er hatte keine Vorurteile gegen sie.
Bei seiner Arbeit konnte er sich keine erlauben, denn solche Gedanken verzerrten die Urteilskraft eines Mannes. Und das Allerletzte, was er wollte, war einen Mann festzunehmen und ihn nur aufgrund seiner Hautfarbe vor Gericht (und möglicherweise an den Galgen) gebracht zu sehen.
Er hatte bereits vor langer Zeit akzeptiert, dass er, wenn er schon sehr viel nicht sein konnte, sich zumindest von niemandem vorwerfen lassen musste, unfair oder unehrlich zu sein. Denn wenn ein Gesetzeshüter das nicht von sich sagen konnte, war er kein Stück besser als die Kriminellen, die er jagte.
Kapitel 20
Joseph Smith Longtree wurde 1836 als Sohn des Bibertrappers William »Bearclaw« Smith und Piney River, einer Crow-Indianerin, geboren. Sein Vater starb 1842, als er gegen die Comanche kämpfte. Longtree hatte ihn kaum gekannt. 1845 hatten Krieger der Sioux das Dorf seiner Familie am Powder River angegriffen und alle außer ihm und ein paar anderen, die davongelaufen waren, getötet. Seine Mutter zählte zu den Toten. Er wurde von einem Missionar in eine Missionsschule nach Nebraska gebracht. Nach sieben Jahren strenger katholischer Erziehung verließ er die Schule.
Er lief weg und machte sich auf den Weg nach Westen.
Er schloss sich einem reformierten Revolverhelden namens Rawlings an, der in seiner neuen Rolle als Baptistenprediger auf der Suche nach einer Gemeinde durch die Wyoming und Montana Territories zog. Rawlings trug noch immer einen Revolver; in den Territories hatte nur ein Idiot keinen dabei. Während ihrer gemeinsamen Monate brachte ihm Rawlings, der von Longtrees Bibelwissen und seinem religiösen Allgemeinwissen sehr beeindruckt war, das Schießen bei. Er besorgte dem Jungen einen alten Colt Dragon Kaliber .44 und drillte ihn jeden Tag stundenlang so lange, bis Longtree schließlich mit einer schnellen, sicheren Bewegung aus fünfzehn Metern Entfernung einen Apfel aus einem Baum schießen konnte.
Im südöstlichen Montana trennten sich ihre Wege. Longtree suchte nach seinem Onkel Lone Hawk, der an dem Tag, als die Sioux ihr Dorf überfielen, nicht dagewesen und nicht zurückgekehrt war, bis Longtree bereits in die Missionsschule gebracht worden war. Lone Hawk und seine Familie besaßen am Little Powder River eine Blockhütte und dort verbrachte Longtree die nächsten fünf Jahre.
Der Bruder seiner Mutter war ein praktisch veranlagter Mann gewesen.
Er wusste, dass die alten Traditionen am Aussterben waren und dass für die Indianer eine neue Zeit begann. Er selbst lebte mehr wie ein Weißer als ein Indianer. Er wusste, dass ein junger Mann einen Beruf brauchte, irgendeine Fähigkeit, mit der er seinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Aber er glaubte auch, dass man seine Vergangenheit und die alten Traditionen kennen und darauf stolz sein sollte. Er fand einen Weg, dem jungen Joe Longtree beides zu vermitteln: Er erzog ihn auf die althergebrachte Weise der Indianer und er bildete ihn zum Scout aus.
Im Laufe der nächsten fünf Jahre lernte Longtree unter Lone Hawks Anleitung, wie man Spuren las – das Verfolgen von Tieren und Menschen, und wie man unzählige Informationen aus solch unauffälligen Anhaltspunkten wie Fußspuren, Hufabdrücken und umgeknickten Grashalmen herauslesen konnte. Er lernte die hohe Kunst des Pfadfindens. Er lernte, wie man mit Sachkenntnis Wunden heilte. Er lernte, wie man sich von der Natur ernährte: Welche Pflanzen und Wurzeln man essen konnte, welche als Medizin benutzt wurden, wie man Tiere aufspürte und sich anschlich, wie man Wasser fand, und hunderte anderer Tricks. Ihm wurde beigebracht, mit einem Messer, einem Beil, Pfeil und Bogen und dem Speer zu jagen. Er erhielt ausführlichen Unterricht im Schießen und der Orientierung an Sonne und Sternen. Ihm wurde die Kunst der Heimlichkeit und des Verbergens beigebracht.
Insgesamt wurde Longtree im Laufe von nur ein paar Jahren das Wissen übermittelt, dass sich die Crow über Jahrtausende hinweg angeeignet hatten. Danach ritt er davon und trat der Armee als indianischer Scout bei. Die nächsten sechs Jahre kämpfte er mit den Weißen gegen die Comanche und Cheyenne.
Nach dieser Zeit, den Bauch voller Blut und Tod und Verbrechen, die sowohl Indianer als auch Weiße begangen hatten, ließ er sich nach San Francisco treiben. Dort machte er sich unter anderem als Boxer einen Namen: Kid Crow. Er hatte Erfolg, bis ihn ein irischer Hitzkopf namens Jimmy Elliot derartig zusammenschlug, dass er es bis zu seinem Tode nicht mehr vergessen würde. Rastlos und müde, sich immerzu zu schlagen und geschlagen zu werden, machte er sich auf den Weg ins Arizona Territory, wo er seine Fähigkeiten als Scout zur Kopfgeldjagd auf gesuchte Verbrecher anwandte. Nach sechs Jahren, in denen er sich damit brüsten konnte, dreißig Männer aufgespürt und sie den Gesetzeshütern tot oder lebendig gebracht zu haben, wurde er in New Mexico zum Deputy U.S. Marshal ernannt und später im Utah Territory zum Special Federal Marshal.
Und nun, nach all dem Töten, all den Männern, die er aufgespürt, all den Verurteilten und Mördern, die er gefangen genommen hatte, war er auf der Suche nach etwas anderem: Einem Killer, der sich wie ein Mensch verhielt und die Gier eines Tieres besaß.
Kapitel 21
Es war schon spät, als Longtree die Leiche fand.
Er war gerade dabei, sich einen Weg durch das Eichengestrüpp eine Böschung hinunter zu suchen, als er etwas bemerkte, dass wie ein mit Schnee bestäubter Arm aussah. Sofort brachte er seinen Wallach zum Stehen, stieg ab und kämpfte sich durch die Schneeverwehungen auf das zu, was er gesehen hatte. Der Wind peitschte ihn mit brutalen, rauen Böen, die durch die Hügel pfiffen. Sein langer Büffelmantel flatterte um ihn herum, als er sich vornüberbeugte und anfing, durch die Verwehungen zu graben, um den Rest der Leiche zutage zu fördern.
Er holte seine Laterne heraus und zündete sie an.
Die Leiche war das Licht nicht wert; besonders nicht in einer Nacht mit schwarzem, heulendem Wind und bitterkaltem Schneegestöber. Longtree schätzte, dass der Mann etwa Mitte Vierzig gewesen war, und viel mehr ließ sich zu ihm auch nicht sagen. Die Leiche war verstümmelt, Brustkorb und Bauch aufgerissen. Das Fleisch war voller Krallenpuren und so zerrissen, dass es mit den zerfledderten Kleidungsstücken verknotet war. Beide Beine waren unterhalb der Knie abgetrennt und die Haut abgezogen. Der Kopf war verdreht, sodass das Gesicht nach unten im Schnee lag. Beide Arme waren abgerissen worden. Einer fehlte, der andere lag zerkaut und voller Zahnspuren in der Nähe, einen Colt in der rot gefrorenen Hand.
Longtree versuchte, die Überreste umzudrehen, doch sie waren am Boden festgefroren. Mit seinen behandschuhten Fingern grub und stieß er im Schnee herum. Es war kaum Blut zu sehen, das meiste war zu glitzernden Kristallen gefroren. Aber nicht genug für ein Schlachtfest dieses Ausmaßes.
Er folgerte daraus, dass der Mann an einem anderen Ort getötet und hierher geschleppt worden war, wo er ausgewaidet und verstümmelt wurde.
Er sah sich nach den Überresten der Beine um, doch sie waren nicht zu entdecken.
Im flackernden СКАЧАТЬ