Schöne Tage 1914. Gerhard Jelinek
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Название: Schöne Tage 1914

Автор: Gerhard Jelinek

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783902862754

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СКАЧАТЬ u. k. Hoflieferanten Jakob Rothberger am Stephansplatz Nr. 9 erwerben kann. Ein stilechter Lederrock für den Automobilisten kostet schon 48 Kronen und die dazu passende Lederhose noch einmal 30 Kronen. Nach gängiger Umrechnungsformel »1 Krone 1914 entspricht 5 Euro 2014« würde das etwa dem Preis von 530 Euro entsprechen. Entweder war Bekleidung damals extrem günstig oder die Umrechnungsrelation ist falsch.

      27. Jänner 1914 »Mit der Elektrischen nach Preßburg«

      Gut Ding braucht Weile. Kein anderes Sprichwort ist so wienerisch. Am Donnerstag, den 27. Jänner, versammeln sich Hunderte Passanten bei der Großmarkthalle nächst dem Hauptzollamt, um die neueste technische Errungenschaft der Residenzstadt Wien zu bestaunen. Die Direktion der »Niederösterreichischen Landesbahnen« hat Journalisten zu einer Probefahrt mit der neuen »Elektrischen« nach Pressburg geladen. Der Lokalreporter der Illustrierten Kronen-Zeitung besteigt einen der zwei »hübsch aussehenden Waggons« und beschreibt für seine Leser jedes Wegstück der neuen Trasse. »Der Zug fährt beim Gebäude der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft vorbei und der Portier grüßt lächelnd den Motorwagenführer der neuen Konkurrenz. Man fährt unterhalb der Franzensbrücke, überall bleiben Passanten stehen, und auf der Erdbergerlände gibt ein alter Mann ein Zeichen, daß er einsteigen will. Er scheint die Elektrische Wien–Preßburg noch nicht zu kennen.« Die neue Direktverbindung von Wien ins – damals ungarische – Pressburg war 16 Jahre lang geplant worden. Die Verwirklichung der Eisenbahnverbindung scheiterte immer wieder an politischen Querschüssen. Die ungarische Reichshälfte und Niederösterreich sollten nicht zu eng verbunden sein. »Daß es so lange gedauert hat, hat seine guten, oder wenn man will, schlechten Gründe gehabt«, klagt der Kronen-Zeitung-Redakteur: »Es war die leidige Politik, die sich dem Bau hindernd entgegenstellte. Die Eisenbahn verbindet Städte, die Elektrische schmiedet und kettet sie aneinander, die Elektrische ist ein kräftigeres Band als die Eisenbahn, und in Ungarn hat man Befürchtungen gehegt, daß Preßburg, die alte Krönungsstadt der ungarischen Könige, durch die neue Verkehrsader viel zu stark nach Wien hinstreben könnte.« Die ungarischen Ängste werden sich als unbegründet erweisen. Kaum fünf Jahre später gehört Pressburg nicht mehr zum Königreich Ungarn, sondern zur neuen Tschechoslowakischen Republik, und die »Preßburger Bahn« ist bald Geschichte. Die neue europäische Nachkriegsordnung wird Passkontrollen einführen und im revolutionären Überschwang Eisenbahnschienen entfernen.

      Im kalten Jänner 1914 herrscht freilich noch Freude über den direkten Schienenweg zum Nachbarn. Die »Preßburger« ist dennoch Abbild eines an seiner eigenen Komplexität erstickenden Gebildes, das zwar ein Reich, aber kein Staat sein wollte. Auf der kaum 70 Kilometer langen Strecke mussten zweimal die Lokomotiven gewechselt werden. Im Wiener Stadtgebiet fuhr die »Elektrische« mit Gleichstrom und nur 700 Volt Spannung, außerhalb der Stadtgrenze wurde der Zugwagen mit Wechselstrom und 16 000 Volt betrieben. Die letzten 7 Kilometer auf ungarischem Reichsgebiet fuhr der Zug wieder mit Gleichstrom. Zum Betrieb der Bahn mussten gleich zwei Gesellschaften gegründet werden (eine österreichische, eine ungarische). Immerhin fuhren schließlich bis zu elf Zugpaare auf der Strecke. Von Wien bis Pressburg benötigte die »Elektrische« gute zweieinviertel Stunden. Da blieb für den Kronen-Zeitung-Journalisten ausreichend Zeit, Betrachtungen über Land und Leute anzustellen. »Über Petronell ziehen Wildgänse in den Lüften dahin. Das malerisch gelegene Hainburg wird von der neuen Elektrischen sehr profitieren, denn es ist wahrscheinlich, daß die meisten Ausflügler in Hainburg Station machen werden.« An einen Pendler- oder Wirtschaftsverkehr dürften die Bahnplaner nicht gedacht haben. »Daß die Elektrische bei einem sicheren Verkehr eine große Zukunft haben wird, ist sicher. Schon für die nächsten Monate haben zahlreiche Vereine Sonderfahrten angemeldet. Vom n.ö. Gewerbeverein allein werden etwa 1000 Mitglieder den schönen und lohnenden Ausflug nach Preßburg unternehmen.«

      Nach der Pressereise dauerte es noch zwei Wochen, ehe der Betrieb offiziell eröffnet wurde. In Wien segnete Fürsterzbischof Dr. Piffl den Zug und der Männergesangsverein stimmte »Großer Gott, wir loben dich« an. Selbstverständlich wurde die erste »Elektrische« an jeder Haltestelle vom örtlichen Bürgermeister begrüßt. »Besonders festlich gestaltete sich der Empfang in Preßburg. Direktionsmitglied Dr. Oberschall brachte in ungarischer Sprache den Königstoast aus, worauf die Kapelle den Radetzky-Marsch und danach O du mein Österreich spielte.« Danach begaben sich die hohen Herren ins Carlton-Hotel, »wo ein Festmahl eingenommen wurde«.21

      29. Jänner 1914 »Wem sagen Sie das!«

      Königin Eleonore von Bulgarien weilte in Wien und warb bei Außenminister Graf Berchtold um Unterstützung für ihren Mann, den bulgarischen König Ferdinand (von Coburg). Der Herr Minister zeigte sich ein wenig indigniert, von der 54-jährigen Königin, einer gebürtigen deutschen Prinzessin Reuß zu Köstritz, in Verlegenheit gebracht zu werden. Wien könne für den bulgarischen König, der ebenso aus deutschem Adel stammte wie sein Kollege aus Albanien, wenig Unterstützung anbieten. Für die deutsche und österreichische Balkanpolitik schien das deutlich mächtigere Rumänien von größerer strategischer Bedeutung. Außenminister Berchtold sagte der Königin unverblümt: Weder habe die deutsche noch die k. u. k. Diplomatie großes Vertrauen in den König. »A qui le ditesvous!«, antwortete Eleonore von Bulgarien seufzend. Das sollte wohl bedeuten: »Wem sagen Sie das!« Die bulgarische Königin musste enttäuscht heim zum Gemahl reisen. Bulgarien kämpfte schließlich doch auf Seiten der Mittelmächte im »Großen Krieg«.

      30. Jänner 1914 »Frankreich tut alles, um Rußland militärisch zu stärken«

      In der russischen Hauptstadt St. Petersburg einigen sich französische und russische Finanzfachleute auf eine französische Anleihe in Höhe von 665 Millionen Francs. Bei einer Laufzeit von 81 Jahren soll dieser Kredit dem Bau strategisch wichtiger Eisenbahnlinien in Russland dienen. Der Abschluss der Anleihe wird am 9. Februar offiziell bestätigt. Die finanzielle Abhängigkeit des Zarenreichs von der französischen Hochfinanz erreicht mit den Eisenbahn-Krediten 1914 einen neuen Höhepunkt. Russland hat sich bei seinem Bündnispartner Frankreich bereits mit 17 Milliarden Francs verschuldet – eine wahrhaft gigantische Summe. Die Regierung in St. Petersburg nutzt viele Millionen des geborgten französischen Geldes, um damit die Zeitungen der »Grande Nation« zu bestechen. Heute würde man diese Praxis als »Kick-back«-Zahlungen verurteilen.

      Beinahe alle führenden Zeitungen des Landes werden aus Geheimfonds beteilt. Der französische Staatspräsident Raymond Poincaré hat direkten Zugriff auf russisches Bestechungsgeld. Er sichert auf diese Weise nicht nur publizistisches Wohlwollen für die Interessen des Verbündeten, sondern nutzt die Korruption auch, um eigene politische Ziele zu verfolgen. Die französische Öffentlichkeit wird systematisch auf einen Konflikt mit dem Deutschen Kaiserreich vorbereitet.

      Die sehr enge französisch-russische Wirtschafts- und Militärzusammenarbeit wurde in Berlin und Wien mit steigendem Argwohn verfolgt, aber nicht nur in in den Hauptstädten der »Mittelmächte«. Auch in Schweden wuchs das Unbehagen an der von Frankreich finanzierten russischen Eisenbahnpolitik. Die Nordländer fürchteten, Russland könne damit in den Westen bis an den Atlantik vorstoßen, um an der norwegischen Küste einen Hafen einzurichten.

      Die Innsbrucker Nachrichten meldeten am 10. Februar, Schweden fürchte um seine Selbstständigkeit und plane sein Heer und seine Marine aufzurüsten. Mehr als Schweden beunruhigte die französische Bahnanleihe die Generalstäbe in Berlin und Wien. Ein massiver Ausbau der Bahnverbindungen hätte die Mobilisierungszeit des russischen Millionen-Heeres von mehreren Monaten auf kaum zwei Wochen drastisch verkürzt, und damit die Reaktionszeit der deutschen Armeeführung auf wenige Tage reduziert.

      Die Eisenbahn war für einen Krieg zum entscheidenden Faktor geworden. Schon im deutsch-französischen Waffengang 1870 konnte die deutsche Heeresführung dank eines guten Schienennetzes fast eine halbe Million Soldaten innerhalb von nur zehn Tagen an die Front bringen. Der deutsche Generalstabschef von Moltke schrieb mehrere Memoranden an Kaiser Wilhelm II. und an die politische Führung: Die Fertigstellung von leistungsfähigen Bahnlinien aus СКАЧАТЬ