Schöne Tage 1914. Gerhard Jelinek
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Название: Schöne Tage 1914

Автор: Gerhard Jelinek

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783902862754

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СКАЧАТЬ war klar gegenüber dem wachsenden Deutschen Reich zurückgefallen. Die deutsche Industrie und Wirtschaft hatten Frankreichs Industrie längst abgehängt. Russlands scheinbar unerschöpfliche Bevölkerung sollte einen Ausgleich an »Menschenmaterial« gegenüber den Mittelmächten möglich machen. In Berlin und Wien wuchs in den militärischen Planungsbüros die Überzeugung, nur mit einem raschen Krieg könne die empfundene Bedrohung aus dem Osten beseitigt werden. Österreichs Generalstabschef Conrad von Hötzendorf war diesbezüglich eines Sinnes mit seinem Berliner Kollegen Helmuth von Moltke. Beide Militärs glaubten, noch ein wenig Zeit zu haben. Moltke schrieb am 13. März 1914 einen Brief nach Wien: »Frankreich tut alles, um seinen Bundesgenossen Rußland militärisch nach Möglichkeit zu stärken, es wird denselben aber schwerlich in absehbarer Zeit zum Krieg gegen Deutschland treiben.«

      Im Jahr 1914 rechnete Moltke jedenfalls nicht mit einem Angriff auf Deutschland und Österreich-Ungarn.22

      31. Jänner 1914 »Sauglück«

      Emerich Maresch aus Furthof bei Hohenberg in Niederösterreich hatte »Schwein«. Seine gut zwei Jahre alte »Mustersau« aus deutsch-westfälischer Kreuzung brachte bei der Schlachtung exakt 512 Kilo auf die Waage – tot waren es immer noch 452 Kilo. Das Neuigkeits-Welt-Blatt wusste, dass dieses Schwein, »wohl als das schwerste seit langer Zeit in Niederösterreich geschlachtete angesehen werden kann«. Der Wirtshausbesitzer Maresch habe mit seinem Schlachtopfer wirklich ein »Sauglück« gehabt. Immerhin bekam er für jedes Kilo Schweinefleisch 2 Kronen, in Summe 904 Kronen. »Eine Summe, die wirklich ein Unikum darstellt.« Furthof im Bezirk Lilienfeld war um die Jahrhundertwende in der Monarchie eher nicht für seine landwirtschaftlichen Rekorde bekannt, eher schon für seine Metallfeilen. Am wirtschaftlichen Höhepunkt der Produktion stellten mehr als 590 Arbeiter pro Jahr rund drei Millionen »St. Egyder-Feilen« her. Die Fabrik war damit europäischer Marktführer.23

      1. Februar 1914 »Die Zentral-Sparkassa der Gemeinde Wien zahlt vier Prozent Zinsen«

      Die »Zentral-Sparkassa der Gemeinde Wien« veröffentlicht den Monatsausweis ihrer Geschäftstätigkeit. 37 903 Parteien haben im ersten Monat des neuen Jahres 9 065 847 Kronen und 13 Heller eingelegt. Insgesamt verwaltet die städtische Sparkasse anno 1914 knapp 170 Millionen Kronen und hat im Gegenzug 93 Millionen Kronen an Hypothekarkrediten vergeben. Die »Zentral-Sparkassa« zahlt ihren »Parteien« unabhängig von der Einlagenhöhe vier Prozent Zinsen pro Jahr und verrechnet sehr faire viereinhalb Prozent Zinsen für Hypothekarkredite. Die Zinsspanne beträgt also einen halben Prozentpunkt. Anleihen, etwa die des Landes Steiermark oder eine neue »ungarische Rente«, die bei der im Kirchenbesitz stehenden Bank »Schelhammer & Schattera« am Stephansplatz Nr. 11 »subskribiert« werden kann, bringen viereinhalb Prozent Zinsen. Vom »Kuponschneiden« konnten Anleihebesitzer aber kaum nachhaltig leben. Denn die Teuerungsrate – etwa für Lebensmittel – betrug 1911 sieben Prozent. Die allgemeine Inflation lag freilich deutlich darunter. Generell hatte sich das Wachstum der europäischen Volkswirtschaften in den Jahren vor 1914 verlangsamt. Die stürmische industrielle Entwicklung von 1890 bis etwa 1910 hatte für die Arbeiterschaft eine deutliche Verbesserung der Einkommenssituation gebracht, die aber durch die Inflation ab 1911 wieder aufgezehrt werden sollte. Die Realeinkommen der Arbeiter stagnierten. Der sozialistische Theoretiker Otto Bauer schrieb im Frühjahr 1914 eine Analyse für den Kongress der »Sozialistischen Internationale«, der vom 23. bis 29. August in Wien tagen sollte: »Die gewaltige technische Umwälzung, die schnelle Bevölkerungsvermehrung, die beschleunigte Expansion des Kapitalismus und die gesteigerte Goldproduktion — das sind wohl die wichtigsten Ursachen der beschleunigten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte. Die Arbeiterklasse hat die günstige Konjunktur der letzten Jahrzehnte ausgenützt. Durch die Kraft ihrer Gewerkschaften hat sie sich höhere Löhne erobert. Die Naturalwirtschaft auf dem Lande wird schnell durch die Geldwirtschaft verdrängt; das Landvolk erscheint auf dem Markte als Käufer von Waren, die es früher selbst erzeugt hat. Die Erhöhung des allgemeinen Bildungsniveaus weckt in den Volksmassen neue Bedürfnisse. Die Nachfrage nach Lebensmitteln, nach Wohnungen, nach allen Gegenständen des Massenverbrauches steigt schnell. So hat die stürmische Entwicklung der Industrie in den letzten Jahrzehnten sowohl den Bedarf nach industriellen Rohstoffen, als auch die Nachfrage nach allen Gegenständen des Massenkonsums schnell vermehrt. Aber die Entwicklung der Landwirtschaft vermochte mit der Entwicklung der Industrie nicht gleichen Schritt zu halten. Die Landwirtschaft konnte ihre Produktion teils überhaupt nicht, teils nur bei steigenden Produktionskosten so schnell ausdehnen, wie der Bedarf der Industrie nach ihren Erzeugnissen stieg. Dieses Mißverhältnis ist eine der Ursachen der Teuerung.«

      Die Vorbereitungen für den Kongress waren schon weitgehend abgeschlossen und die Kommissionsberichte zur Vorbereitung auf die Tagung der Sozialisten lagen gedruckt vor. Doch der Kongress der »Sozialistischen Internationalen« konnte Ende August nicht mehr in Wien stattfinden. Die Inflation sollte schon während des Krieges einsetzen, in den Jahren danach aber einen Großteil der Vermögen zerstören, Erspartes vernichten und die Gesellschaft auf den Kopf stellen. Wer sein Kapital patriotisch in Kriegsanleihen investiert hatte, musste die immensen Kosten des »Völkerringens« unfreiwillig durch den Verlust seines privaten Vermögens finanzieren.24

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