Schöne Tage 1914. Gerhard Jelinek
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Название: Schöne Tage 1914

Автор: Gerhard Jelinek

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783902862754

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СКАЧАТЬ sollte die Einwohnerzahl von Mitterndorf – wie in fast allen Gemeinden der Monarchie – um etwa fünf Prozent sinken.11

      15. Jänner 1914 »Der Hochdruckteil im südwestlichen Rußland ist durch Hereinrücken der nördlichen Depression zerstört worden«

      Der »Telegraphische Wetterbericht der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie in Wien« meldet am 15. Jänner um sieben Uhr morgens ein Mittelmeertief und ein Hochdruckgebiet über dem Nordwesten. »Der Hochdruckteil im südwestlichen Rußland ist durch Hereinrücken der nördlichen Depression zerstört worden. Die Mittelmeer-Depression ist stationär.« Der meteorologischen Logik zufolge scheint in den nördlichen Alpenländern die Sonne »bei intensivem Frost«. Salzburg meldet minus 8,6 Grad, auch in Wien ist es eher frisch. Und am Semmering frieren die Wintersportler bei minus 11 Grad. Die Puchwerke AG in Graz bietet passend zur Wetterlage »Schneeketten für alle Dimensionen« zum Kauf. Der Grazer Lokalreporter der Tagespost rutscht angesichts der weißen Pracht ins Lyrische: »Ununterbrochen wirbelten gestern tagsüber die Flocken hernieder und bedeckten immer dichter Fahrbahnen und Wege. Man hört kein Rumpeln der Wagen, der Straßenlärm ist gedämpft und nur der Schnee knirscht unter den Füßen der Passanten. Die liebe Jugend begrüßt den Gast mit Freude und etabliert, wo es nur halbwegs möglich ist, seine Wintersportplätze.«

      In der steirischen Landeshauptstadt schneit es am 15. Jänner ohne Unterlass, dagegen sitzen die Klagenfurter in den oberen Stockwerken ihrer Häuser auf dem Trockenen. In der Stadt ist die Wasserversorgung ausgefallen. Sämtliche Reservoirs sind leer. Die Stadtverwaltung macht die Bürger für die Misere verantwortlich. Der akute Wassermangel sei Ergebnis einer »geradezu ungeheuerlichen Wasserverschwendung seitens der Bevölkerung«. Per Rundschreiben des Klagenfurter Magistrats wird verfügt, dass »sämtliche Bäder und Wasserspülungen bei Klosettanlagen bis auf Widerruf außer Benützung gestellt werden«. Bei Nichtbefolgung droht die Stadtgemeinde mit Strafen von 20 Kronen, »eventuell Arreststrafen«. Die lokalen Zeitungen registrieren mit feinem Gespür: »Das Rundschreiben hat in Kreisen der Hausbesitzer und Mieter arg verschnupft.«

      Auch in noch südlicheren Landesteilen der Monarchie hat der Winter Einzug gehalten. In Istrien und den Küstenregionen Dalmatiens hält das trübe und kühle Wetter an. Es schneit. Und wie: »Infolge der Schneefälle kam es auf der Strecke Mostar–Sarajewo zu Lawinenstürzen, wodurch in der Nähe der Station Prenji ein Lastzug vom Schnee verschüttet wurde, so daß nur noch der Rauchfang der Lokomotive sichtbar war. Alle Bemühungen des Bahnpersonals, den Zug zu befreien, waren vergeblich. Selbst drei Lokomotiven konnten ihn nicht fortbringen. Es wurde Militär requiriert, welches in vierundzwanzig Stunden den Schnee wegschaufelte, so daß nach eintägiger Unterbrechung der Verkehr wieder aufgenommen werden konnte.« Auch in Kroatien verursacht der Wintereinbruch Störungen. Aus Agram wird telegrafisch berichtet: »Seit sechsunddreißig Stunden herrscht heftiger Schneesturm. Der Schnee liegt bis zu einem halben Meter hoch, stellenweise sogar bis eineinhalb Meter. Die Züge aus Fiume erleiden Verspätungen von vier Stunden. Ein Zug ist nur mit der Lokomotive und zwei Waggons angekommen; die übrigen hatte er auf den Stationen der Strecke zurückgelassen.«

      15. Jänner 1914 »Besprechung zum Bau der Wiener Untergrundbahnen«

      In Wien treffen einander Vertreter der Pariser Großbank »Société Centrale des Banques de Province«, der Omnium-Lyonnaise, der Siemens & Halske Aktiengesellschaft und der Union-Elektrizitätsgesellschaft beim Generaldirektor der Wiener Länderbank, August Lohnstein. Die Tagesordnung enthält nur einen Punkt: »Besprechung zum Bau der Wiener Untergrundbahnen«. Am Beginn des Jahres 1914 soll das größte städtebauliche Vorhaben der wachsenden Millionenstadt in Angriff genommen werden. Es geht um die Linienführung der Wiener U-Bahn und um technische Einzelheiten. Die Siemens & Halske Aktiengesellschaft will dann gemeinsam mit den finanzierenden französischen Banken ein Offert legen.

      Die deutsche Firma Siemens & Halske war erst relativ spät mit dem Projekt einer »electrischen Sekundärbahn« an die Politiker im Rathaus herangetreten. Das Siemens-Konzept sah zum ersten Mal die Untertunnelung der Innenstadt und drei Linien in Form eines Ypsilons vor.

      Der Banker Lohnstein zählte zum engsten Kreis des verstorbenen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger und half dem christlichsozialen Politiker bei der Finanzierung der verstaatlichten Kommunalbetriebe. Die Reichs- und Residenzstadt Wien hatte unter christlichsozialer Führung eine Art »kommunalen Sozialismus« eingeführt und die gewaltigen Investitionen in eine moderne städtische Infrastruktur über meist im Ausland gezeichnete Anleihen finanziert. In den ersten Jahren erwies sich diese Art des kommunalen Wirtschaftens als sehr erfolgreich. Mit dem Betrieb von Straßenbahnen machte die Gemeinde Wien ein außerordentlich gutes Geschäft.

      In zehn Jahren fuhr die Tramway einen Umsatz von 330 Millionen Kronen ein und machte dabei einen Reingewinn von 104 Millionen Kronen. Das Budget der Hauptstadt ließ sich so zu einem Gutteil aus den Gewinnen der kommunalen Betriebe finanzieren. Außerdem konnten Lueger und sein Nachfolger, Richard Weiskirchner, auch viele Parteigänger in den städtischen Betrieben »unterbringen« und sich damit eine treue Anhängerschaft sichern. Das System Luegers bewährte sich dermaßen, dass es Krieg und Machtwechsel im Rathaus überlebte.

      Obwohl die Gespräche positiv verliefen und am 16. Jänner fortgesetzt wurden, sollte es dann bis zur Eröffnung der ersten Wiener U-Bahn-Linie noch ein wenig dauern: exakt 64 Jahre.12

      15. Jänner 1914 »In Berlin werden die Spiele der VI. Olympiade für 1916 vorbereitet«

      Die Idee ist gut. Die friedensstiftende Kraft des olympischen Gedankens erweist sich freilich als sehr schwach.

      Alexandria, Amsterdam, Brüssel, Budapest und Cleveland hatten sich um die Austragung der Olympischen Spiele des Jahres 1916 beworben. Nach dem großen Erfolg des Sportereignisses in Stockholm, das 1912 die ersten wirklich weltweiten Spiele organisiert hatte, setzte IOC-Präsident Pierre de Coubertin große Erwartungen in Berlin. Der Franzose hoffte, die Vergabe der Spiele könnte sich positiv auf die innenpolitische Situation im deutschen Kaiserreich auswirken und auch einen Beitrag zur Entspannung in Europa leisten. Vorerst jedoch herrschte dort Streit um die Finanzierung der Spiele. Die Länder weigerten sich, Geld für Berlin lockerzumachen. Auch eine Spendenaktion wurde zum Fehlschlag. Am 15. Jänner lehnte der Budgetausschuss des deutschen Reichstages in Berlin die Bewilligung einer ersten Rate von 46 000 Mark zur Vorbereitung der Olympischen Spiele 1916 in Berlin ab. Abgeordnete des Zentrums verwiesen dabei auf die Zuständigkeit der einzelnen deutschen Länder, während die Sozialdemokraten die Unterdrückung des Arbeiterturnens kritisierten.

      In Paris dachte man an jenem Tag ein wenig weiter. Ministerpräsident Gaston Doumergue sicherte eine finanzielle Unterstützung von 150 000 Francs für die französische Mannschaft zu.

      Während die deutschen Politiker um die Organisationskosten stritten, war das Berliner Olympiastadion schon fertig. In nur 200 Arbeitstagen hatte Architekt Otto March in der Kaiserstadt eine Arena für die Olympischen Spiele 1916 geplant und gebaut. Sie bot insgesamt für 40 000 Zuschauer Platz und hatte etwas mehr als 2 Millionen Mark gekostet. Das Areal um das »Deutsche Stadion« war bereits um die Jahrhundertwende von der Pferderennbahn Grunewald sportlich genutzt worden. Dementsprechend wirkte die Sportarena wie eine Pferdebahn. Länger als der Bau dauerte nur der Streit um den Namen. Ultrakonservative Sportfunktionäre wollten den griechischen Begriff »Stadion« vermeiden und plädierten für den Namen »Deutsche Kampfbahn«. Das klang selbst 1913 ein wenig zu martialisch. So blieb es beim »Deutschen Stadion«. Immerhin durften sich die Herren an einer mächtigen Eiche erfreuen, die das Stadion begrenzte. Die Sportanlage war von Kaiser Wilhelm persönlich eröffnet worden. Die »Berliner Zeitung« schrieb damals: »Um 10 Uhr bereits ist das ungeheure Gebiet von Menschenmassen überschwemmt. Unter dem aus Beton gefügten Tunnel hindurch wandert die Zuschauermenge zum riesigen Amphitheater.« Die Laufbahn war mehr als 600 Meter lang, das Schwimmbecken befand sich direkt neben den Leichtathletikanlagen, und erstmals СКАЧАТЬ