Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 79

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

isbn:

СКАЧАТЬ hörte nichts als das Geräusch der vier Sohlen auf den Dielen: der zwei schweren mit dem starken Sporengeklirre und der zwei leichten, die kaum den Boden berührten. Der Zantner schwieg.

      Nach einer Weile ging Ruth zur Thüre, wandte sich und fragte mit bebenden Lippen: »Es ist so dunkel bei Euch – darf ich das Licht schicken?«

      »Schicke das Licht!«

      Und Ruth schlich aus der Thüre.

      Ruth befahl der Magd, das Licht zu bringen; dann ging sie und suchte die Mutter.

      Und sie fand die Mutter in der Leinwandkammer.

      »Das ist recht, Ruth, kannst mir helfen!« rief die Zantnerin, und Ruth begann schweigend die Leinwandstücke vom Tische in die Truhe zu legen. Trübe brannte die Laterne.

      »Ruth – kennst du's?« sagte die Mutter und hob ein buntes, flitteriges Ding aus ihrer Truhe.

      »Ja, Frau Mutter,« antwortete Ruth leise.

      Die Zantnerin kam nahe heran und wog das bunte Ding auf den Fingerspitzen.

      »Nun, Ruth?«

      »Die Brautkrone, Frau Mutter,« murmelte Ruth, nahm ein neues Leinwandstück und bückte sich tief in die Truhe.

      Mit glücklichem Lächeln stand die Zantnerin und sah von der glitzernden Brautkrone auf den Scheitel ihrer Tochter.

      »Frau Mutter,« sagte Ruth und erhob sich, »erlaubet, daß ich mir ein Herz nehme, Frau Mutter!«

      »Ei, was denn, Ruth? Und wie siehst du denn aus, Ruth? Erschreckst du mich, Kind!«

      »Gehen wir nicht seit dem Frühling herum, eines um das andre, Frau Mutter, und verbirgt eines die Gedanken vor dem andern, Frau Mutter –?«

      »Welche Gedanken?« fragte die Zantnerin ängstlich und legte die Brautkrone auf einen Stoß frischer Wäsche.

      »Erlaubet, daß ich mir ein Herz nehme, Frau Mutter! Wenn nun in etlichen Monaten die Frage an den Herrn Vater kommt, Zantner, willst du –?«

      »Ruth – geh – geh zum Vater – und – frag – den Vater –!« rief die Zantnerin angstvoll.

      »Ich habe mir das Herz genommen und den Herrn Vater gefragt,« antwortete Ruth; »aber Frau Mutter –«

      »Ruth, was der Herr Vater sagt, dem höre zu, mich – laß –!« Sie schlug die Hände vors Gesicht und brach in Weinen aus.

      »Aber Frau Mutter!« Das Mädchen umschlang die bebende, zitternde Gestalt und bedeckte die Hände vor dem Antlitze mit Küssen.

      »Geh, Ruth, geh! Liebe Ruth!« schluchzte die Zantnerin und wandte sich ab.

      Und Ruth schlich aus der zweiten Thüre.

      Es pochte an der Stube der Ahnfrau.

      »Nur herein – das ist die Ruth, die kenn' ich schon am Pochen!«

      Ruth kam herein. Die Ahnfrau saß in ihrem ledernen Lehnstuhle, auf dem Tische brannte eine dünne Unschlittkerze, und zu Füßen der Greisin kauerte ein Häuflein Kinder.

      »Auch her–etzen, Uth!« rief das Kleinste, trippelte zur Schwester und packte sie am Rocke. »Auch heretzen, Uth! Ahne tählen!« Und das Kind zog die große Schwester zum Stuhle der Ahnfrau.

      »Weiter, Ahne!« drängte der Achtjährige.

      »Ja, weiter, weiter, weiter!« lachte die alte Frau und faltete behaglich die Hände über den Knieen. »Raubvögel, ihr! Blutegel, ihr! Erzählen, erzählen, erzählen! Klebt mir die Zunge am Gaumen, bin leer wie eine ausgequetschte Leberwurst und wie ein ausgebeutelter Kornsack.«

      Die Kinder lachten.

      »Tählen, Ahne!« bettelte das Kleinste und versuchte auf den Schoß der Großmutter zu klettern.

      Die zog das Kind herauf und fragte: »Wovon haben wir also gesprochen?«

      »Von der Salbe, die gegen das letzte Uebel hilft!« rief der Aelteste. »Sagt doch, Ahne, wie kocht man diese Salbe?«

      Die Ahne machte ein ernsthaftes, geheimnisvolles Gesicht und raunte: »Nimm Glanz vom Kirchenknopf, Ton von den Glocken, Blaues vom Himmel, Schnelles vom Hasen, jegliches ein Lot, und koch's mit den Eingeweiden von einem alten Fußsack – das giebt die Salbe, die gegen das letzte Uebel hilft. – Willst was, Ruth?«

      »Ich hätte die Ahne gern etwas gefragt,« flüsterte das Mädchen und hielt zögernd inne.

      »Da habt doch Mitleid mit eurer alten Ahne, ihr Kinder,« sagte die Greisin; »klebt mir ja die Zunge am Gaumen von all dem Erzählen! Habt ihr's denn nicht gehört? Wer bringt mir also ein Schlücklein frischen Wassers?«

      »Ich – ich – ich!« schrieen vier, fünf Kehlen, und die Schar stob aus der Thüre.

      »Nein, du nicht, Wackerl, du bleibe nur da!« sagte die Ahnfrau und hob das Kleinste, das von ihrem Schoße geglitten war, wieder zu sich. »Nun, Ruth –?«

      Ruth kniete vor der Greisin auf den Boden, hob ihr Antlitz und stammelte: »Erlaubet, daß ich mir ein Herz nehme, Frau Ahne! Gehen wir nicht seit dem Frühling herum, eines ums andre, Frau Ahne, und verbirgt eines vor dem andern seine Gedanken, Frau Ahne?«

      Unruhig rückte die Alte auf ihrem Sitze, streichelte hastig die Locken des Kindes, räusperte sich und sagte: »So trocken am Gaumen, schrecklich trocken! Aber so steh doch auf, Kind! Es wird mir ganz heiß. Ich muß ein wenig umhergehen. Der Fuß ist mir wahrhaftig eingeschlafen. Komm, steh auf!«

      Gehorsam erhob sich Ruth und nahm das Schwesterlein vom Schoße der Alten und setzte es auf den Schemel. Dann faltete sie die Hände krampfhaft und stieß heraus: »Frau Ahne, was ist's nun, wenn der Termin abläuft?«

      Aechzend raffte sich die alte Frau von ihrem Sitze auf und humpelte an ihr Bett, nahm die Decke ab, strich das Kissen glatt, humpelte zur Truhe, hob den Deckel, schloß die Truhe, hob den Deckel wieder und kramte in der Tiefe.

      Angstvoll sah Ruth hinüber auf die kleine, gebrechliche Gestalt. »In allen meinen Anliegen und Nöten bin ich von Kind auf zu Euch gekommen, Ahne,« begann sie klagend.

      »Freilich, Gutlein, Lieblein, freilich,« sagte die alte Frau und kam heran. »Freilich sind wir immer freundschaftlich gewesen miteinander. Und da, Ruth, da!« Mit zitternden Händen reichte sie der Enkelin ein kleines, glänzendes Ding. »Da, Ruth, da hast meinen silbernen Schneck, Ruth – da, so nimm doch! Siehst du denn nicht? Den Schneck, den du immer so gern gehabt hättest, Ruth! – Sieh, da geht der Deckel auf, und da liegt das Schwämmlein drinnen, das so gut riecht, und da oben kann man 's Gipfelein abschrauben und – guck doch! – da ist der güldene Pfennig – nimm, Ruth!«

      »Auch teigen!« bat das Kind, und die Ahne kniete nieder, hielt dem Kinde das Kleinod hin und begann mit hastiger Stimme aufs neue: »Sieh, da geht der Deckel auf, und da liegt das Schwämmlein drinnen, das so wohl riecht, und – und –«

      »Auch jiechen!« bat das Kind.

      Viele Schrittlein kamen die Stiege heraufgestapft. Die Thüre ging auf.

СКАЧАТЬ