Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 157

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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      Sie ist nun ganz ruhig. Vor ihr steht der Mörser.

      Die Beerenstauden rauschen, und mit zwei Füßen zu gleicher Zeit springt einer in den Turm.

      Die Magd hat sich gebückt, und ihre Hände umklammern die Griffe des Mörsers.

      Die Stufen knarren unter polternden Tritten.

      Sie steht regungslos, aber ihre Muskeln sind gespannt, und mit weitaufgerissenen Augen starrt sie hinab in die Tiefe.

      Da stürmt er die krachenden Stufen empor, um die Ecke zur letzten Treppe. Er hat den Kopf im Nacken und späht nach oben. Er sieht das kauernde Weib. Er brüllt auf wie ein Stier und springt drei Stufen hinan.

      Wie ein Weidenkörblein hebt sie den Mörser hoch und läßt ihn senkrecht fallen. Krachend stürzt der Mörser mit dem Mann auf die Bretter.

      Aber da poltern zwei andre um die Ecke und klettern wie die Pantherkatzen die Treppe hinan.

      Sie rasseln die Bachgasse herauf, der Erbgraf und seine französischen Reiter, sie hauen die Wachen zusammen und durchschneiden die Stricke der Gefangenen.

      Der Doktor rafft einen Säbel vom Pflaster und rast zu seiner Behausung. Der Erbgraf ihm nach.

      Die Tür steht offen sperrangelweit. Im Hausflur ducken sich zwei plündernde Kerle, kriegen Hiebe über die Schädel und fliehen auf den Marktplatz hinaus. Der Doktor rennt die Stiege empor. Er schreit nach seinem Weibe, er brüllt den Namen der Magd, er stürmt von Stufe zu Stufe bis hinauf unters Dach. Der Erbgraf hinter ihm her.

      Vom Bodenfenster fällt sein Blick auf den Gartenturm. Da sieht er seine Knaben.

      Er weiß nicht, wie er in den Hof hinuntergekommen ist, er stürmt in den Garten. Er hört eine schwache Stimme aus der Höhe: »Papa, Papa!«

      Sie dringen durch die Beerenstauden. Die Treppen krachen unter ihren Tritten.

      Der Doktor stutzt. Ein Toter liegt im Wege. Daneben, halb versunken in eingedrückte Dielen, noch gehalten von zersplitterten Brettern, der Mörser.

      Droben ist's totenstill.

      Sie stehen in der Turmstube. Das Mädchen lehnt an der Mauer. Ihre Haare hängen wirr herab. Mit entsetzten Augen sieht sie den beiden entgegen.

      »Klara – ist dir 'was geschehen?«

      »Ja – Herr,« bringt sie heiser heraus.

      »Die Frau –?«

      Sie wendet den Kopf nach oben und lallt: »Gerettet.« Dann gleitet sie ohnmächtig an der Mauer zu Boden.

      Es währte lange, bis sie das Schloß gesprengt hatten; dann kostete es harte Mühe, die Falltüre zu heben. Denn die Frau lag darauf.

      Endlich gelang es, und die Knaben drängten sich lautlos dem Vater entgegen.

      Liebkosend zog sie der Erbgraf hinab in die Stube. –

      Lange lauschte der Arzt am Herzen seiner Frau. Endlich stand er auf.

      Der Graf sah fragend empor.

      »Das Herz steht still. Aber nun hilf mir die Magd hinunterbringen.«

      Die Magd erwachte und richtete sich auf, versuchte ihre Haare zurecht zu streichen und sagte mühsam: »Zuerst die Frau. Ich geh' allein.«

      7. Totenstille

       Inhaltsverzeichnis

      Es liegt ein Totes in der Kammer.

      Die Leute kommen und gehen und reden mit verhaltenen Stimmen. Ruhig brennen die Kerzen, und das Haus ist erfüllt vom Dufte der Blumen.

      Warum doch schneidet man die Blume ab und steckt sie sorglos in den Gürtel? Willst du dich an Blumen erfreuen, dann gehe hinaus, bücke dich und atme den Duft der Rose, wenn ihr Kelch alle Süßigkeiten ausströmt in der heißen Mittagsluft, wandle zwischen Resedabeeten, wenn der Mond golden hinter dem Walde emporsteigt. So tue, nur stecke nimmermehr die abgeschnittene Blume in deinen Gürtel! Wenn aber ein Totes in der Kammer liegt und wartet, bis die schwarzen Träger kommen, dann überschütte den Leib mit der Fülle der Blumen, daß nur das Antlitz hervorschaut aus der schimmernden Decke; bette auch die gelben Hände auf Rosenkissen und überlaß es den abgeschnittenen Blumen, daß sie in Todesnot ihre letzten Düfte hinhauchen über das, was gleich ihnen verfallen ist der Verwesung.

      Es liegt ein Totes in der Kammer, die Lebenden aber sind gezwungen zur Geschäftigkeit vom frühen Morgen bis zum späten Abend und wandeln leise, leise im Dufte der Blumen.

      Es liegt ein Totes in der Kammer. Die Zukunft hat sich klein gemacht und kauert draußen vor der Türe. Zu Häupten des Sarges aber steht, so unbewegt, wie der Tote in seinem Sarge liegt, mit geöffneten Augen die Vergangenheit. Und aus ihrem faltenreichen Gewande kommen in buntem Gewimmel die Tage, die gewesen sind, umdrängen den Trauernden und zeigen ihm ihre Stirnen, die leuchten im Abglanz eines versunkenen Glückes, ihre Augen, an denen noch die Tropfen längst vergossener Tränen blinken. Lautlos huschen sie vorüber und schlüpfen in die dunklen Falten zurück. Es liegt ein Totes in der Kammer. Hoheitsvoll ist das Antlitz, hoheitsvoll, wie es niemals im Leben gewesen. Still brennen die Kerzen, und über Vergangenheit und Gegenwart duften die sterbenden Blumen.

      Fahl wie eine Tote geht die andere, die Lebende, im Hause umher, die andere, die der Toten da drinnen den ungestörten Augenblick des Sterbens mit der Ehre eines Lebens erkauft hat. Ja, fahl wie das der Toten ist ihr schönes Antlitz, aber die Unruhe der wilden Gedanken blickt aus der Tiefe der Augen, zuckt um den krampfhaft geschlossenen Mund. Wohl der Toten, die da stille liegen darf im zitternden Lichte kleiner Kerzenflammen, umduftet von sterbenden Blumen. O, wie so gerne möchte die Lebende liegen, wo die Tote ruht in unantastbarem Frieden. Aber die Lebende ist in bitterkalte Einsamkeit gestellt auf die Gedankenscheide zwischen Vergangenheit und Zukunft. Vielhundertmal am Tage gleitet ihr Blick zurück, dorthin, wo riesengroß das Entsetzliche steht und alles verdunkelt, was jemals gewesen ist. Da vorne aber hebt aus wallenden Nebeln im tiefen Tale die andere, die blutleere Zukunft ihr starres Antlitz und richtet lautlos ihre unbarmherzigen Fragen an sie.

      Schier unerträglich war der Geruch der verwesenden Blumen geworden. Da pochten die schwarzen Männer an die Türe, kamen mit schweren Tritten herein, nahmen die Kränze vom Sarge, schlossen ihn und stampften unter ihrer Last aus dem Hause.

      Mit gefalteten Händen, mit tränenlosen Augen steht die Magd in der Stube zur ebenen Erde hinter den Vorhängen und starrt hinaus auf den Marktplatz, wo die Menge Kopf an Kopf sich drängt bis an den Grafenbrunnen hinüber. Und nun singen die Kinder, nun läuten die Glocken, nun schwankt der blumenbedeckte Sarg um die Ecke, nun zieht die Tote ihren letzten Weg.

      Den letzten Weg! Und was hindert die Magd?

      Schlaff sinken ihre Arme herab, schmeichelnd kommt es herangekrochen und ringelt sich empor an ihr – legt sich um ihren Leib, zieht sich zusammen und züngelt ihr von der Seite her in die Augen. Ein scheuer Blick mißt die Höhe des Kirchturmes drüben vom großen Schalloch bis herab aufs Pflaster, und ein anderer Blick schweift hinüber in die Ecke, wo des Doktors Handapotheke steht und die versperrte Lade mit dem gemalten Totenkopfe. Aber nicht СКАЧАТЬ