Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 155

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

isbn:

СКАЧАТЬ an die uralte Mauer hingepappten Hüttchen sein Wesen treibt.

      Wolkenloser Himmel ist ausgespannt über dem Getümmel der Erde. Dunkelgrün ragen die friedlichen Linden hinter der Stadtmühle im Grunde, ragen die Kastanien draußen an der Heerstraße über des Ochsenwirts Bierkeller. Bepackte Wagen rasseln in langem Zuge von der Brücke zu Tal.

      Schon trotten unter Trommelschlag die Fußsoldaten im Staube dahin. Weit unten im Grunde reiten die Chasseurs. Noch eine kurze Weile, dann zerflattert ihre Musik.

      Das Fußvolk wandert unter Trommelschlag, und die vielen Wagen und Karren rollen im Staub der Straße. Soldaten und Wagen werden kleiner und kleiner. Die Trommeln schweigen. Langsam senkt sich der Staub.

      »Wo ziehen sie hin?« fragt einer von denen auf der Mauer.

      »Gegen den Kaiser,« antwortet ein anderer.

      Gegen den Kaiser. Das ist ihnen ein gleichgültiges Wort; denn der Kaiser wohnt weit von ihnen. Sie haben eine dumpfe Ahnung, daß zahllose Kolonnen dieser Art zur gleichen Zeit in der Morgensonne nach Osten marschieren, sie vermuten, daß es zur Schlacht kommen wird, aber sie wissen, es wird ferne von ihnen sein. Der eine oder der andere gedenkt wohl auch des Kaisers und sieht ihn noch sitzen in der großen Reisekutsche, wie er vor etlichen Jahren durch das Städtchen gerollt ist. Aber was ist ihnen der Kaiser? Mögen die da drunten, die da drüben weithin ziehen gegen den Kaiser. Was ist diesen gräflichen Untertanen der Kaiser?

      *

      Auf dem Marktplatz liegt das zerwühlte Stroh, zwischen dem Stroh glimmen die zusammengesunkenen Kochfeuer, und die Morgenluft trägt den Gestank des verlassenen Lagers in die Fenster, die sich allgemach öffnen. Gefährlich glimmen die Kohlen zwischen dem Stroh. Da kommt ein vorsichtiger Bürger mit der Butte zum Brunnen, füllt sie und trägt auf dem Rücken von Feuerstätte zu Feuerstätte das einzige, was rein geblieben ist in diesen Tagen – das Wasser. Wo eine Kohle glimmt, macht er halt, beugt sich seitwärts und gießt das Wasser in die Glut, daß sie leise zischt und erlischt. Immer wieder kehrt er zum Brunnen zurück und füllt die Butte und geht seinen Weg. –

      Vor dem Rathause stehen nun etliche Bürger. Sie stehen im Kreise, haben die Hände in die Hosentaschen gesteckt und blicken zu Boden.

      Der Schultheiß kommt die Freitreppe vom Rathaus herunter. Sein Gesicht ist grau, und mit heiserer Stimme sagt er den andern sein Gutenmorgen. Wer eine Kappe auf dem Kopfe hat, der hebt die Hand und rückt ein wenig daran. Wer barhäuptig ist, der nickt. Dann stehen sie wieder und schweigen. Und auch der Schultheiß findet kein Wort. Er sieht sich wohl noch knieen vor dem kleinen, schwarzen Kerl da vorn auf dem Pflaster.

      Die rote Mütze aber hat keiner von den Bürgern mehr auf dem Schädel.

      Der Doktor kommt von seinem Hause herüber. Er geht mit hocherhobenem Haupte und machte große Schritte. Sein langer, blonder Bart leuchtet im Morgensonnenscheine. Dort, wo vorgestern der Schneider Koram gestanden ist, steht nun der Doktor, und alle sehen auf ihn. Das Schriftstück Jourdans hängt lose herab, es hängt nur noch an einem von den vier Nägeln und flattert im Lufthauch.

      Von allen Seiten kommen die Bürger, und im Umsehen ist aus dem Trüpplein ein großer, dunkler Haufe geworden.

      Der Doktor weiß, was er will. Es ist über ihn gekommen wie ein Befehl aus der Höhe, und in seinen Ohren summt es: »Burschen heraus!« Sind freilich keine Burschen, diese da. Nun kommt aber auch der dicke Notar. Der ist ja ein Bursche gewesen. Und neben ihm der Kanzleiassessor. Burschen, Ordensmänner! Und da drüben am Eingange zur Bachgasse liegt auch der zerbrochene Wagen mit einem Teil der geraubten Waffen – es muß gelingen.

      Wäre nur nicht jetzt gerade der kleine Direktor vor seine Behausung getreten. Er stelzt heran und hat das hochmütige Gesicht wie vordem in guten Zeiten. Denn die Gefahr ist vorüber, und jetzt will er abrechnen mit denen da. Lottchen ist der gleichen Meinung wie er, und Lottchen steht droben hinter den Gardinen. Das weiß er ganz gut. Darum tritt er auch hocherhobenen Hauptes vor den Haufen und hindert den Doktor am Sprechen. Dürfte nur der Doktor sprechen. So aber muß er doch höflich sein und dem andern den Vortritt lassen.

      Und mit seiner hohen, dünnen Stimme beginnt der Kanzleidirektor: »Da seht ihr nun, Leute, wohin die Unbotmäßigkeit gegen die Obrigkeit, die Rebellion gegen alles, was recht ist, das Jakobinertum, das gottverdammte, führen.«

      Die Bürger haben die Köpfe gehoben und beginnen zu murren. Und einer im Haufen ruft: »Hat man denn auch gestern und heute nacht was gesehen oder gehört von unserer hohen Obrigkeit?«

      Der Direktor ist rot geworden und will etwas sagen. Ein anderer aber fällt ihm in die Rede: »Oder ist's wahr, daß die hohe Obrigkeit gestern am hellichten Tag im Bett gelegen ist?«

      »Mitbürger, Freunde!« ruft nun der Doktor. »Ist es jetzt an der Zeit, daß wir stehen und uns zanken?«

      Etliche murmeln ihm Beifall.

      »Jetzt, wo unsere Häuser noch stinken von den fremden Soldaten?«

      »Stinken, da hat er recht,« ruft einer im Haufen.

      Aber der Direktor gedenkt dem Arzte das Feld nicht zu räumen. Lottchen steht doch am Fenster, und die da sind vom Feinde geduckt. Also jetzt oder nie. Und mit kreischender Stimme beginnt er eine Rede über die Pflichten des gemeinen Mannes und über die Sünden der letzten Tage.

      Die Bürger murren; etliche lachen. Aber die Angst liegt ihnen noch in den Gliedern, sie sind geneigt, sich unter jede Obrigkeit, auch unter die kläglichste, zu fügen. Nur wollen sie ihn nicht reden hören, den feigen Mann. Und so geht einer nach dem andern fort, heim, nach dem Seinen zu sehen.

      Zuletzt sind nur noch wenige beisammen; aber der Direktor läßt sich nicht stören: er fährt weiter in seiner Strafrede.

      Dem Doktor ist zu Mute, als stehe er auf der heißen Asche eines zusammengesunkenen Wachtfeuers. Er sieht die Bürger auseinanderlaufen und ahnt doch, daß sie beisammen bleiben sollten. Er möchte sie allesamt an den zerbrochenen Wagen hinführen und möchte sie bitten, daß sie sich waffnen; denn es ist unsichere Zeit. Aber der Direktor spricht und spricht. Dann wendet er sich und geht befriedigt in seine Behausung.

      Nur ein Häuflein steht noch vor dem Rathause.

      Da – – Hufschlag galoppierender Rosse!

      Vom Bachtor herauf klingt's. Was ist denn? Da klappert's auch schon auf den Markt herein und hallt wider von den Häusern. Chasseurs sind's.

      Woher denn kommen diese Chasseurs? Sie sind doch fortgeritten, die Herren Chasseurs? Sind's Nachzügler?

      Wie die Hühner vor dem Falken sind die Bürger auseinandergestoben, dahin und dorthin. Etliche erreichen ihre Haustüren, die andern werden zu Boden gerissen. Was vermag man gegen die Übermacht? Man kann sich nicht wehren, man kann nicht schreien – Burschen heraus! Man muß sich binden lassen und ist den Teufeln übergeben auf Gnade und Ungnade.

      Des Doktors Knecht hat vom Fenster des ersten Stockes alles mit angesehen. Er rennt auf den Vorplatz hinunter zur Küche. Er reißt die Türe auf und schreit hinein: »Die Franzosen kommen!« Dann rennt er zur hinteren Haustüre hinaus.

      Klara ruft ihm nach. Helfen soll er. Die Frau ist mit den Kindern im Garten. Aber der Knecht hört nicht; er rennt über den Hof in den Stall. Er will auf den Boden klettern, sich verkriechen im Heu und sein kostbares Leben retten vor dem wütenden Feind.

      Da dröhnen auch schon СКАЧАТЬ