Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 109

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ er beugte sich weit über den Tisch herein und schnalzte leise mit der Zunge:

      »Wein her! Wein her! Und einen Becher voll hinunter in die enge Gurgel und noch einen! Spürst du das Feuer in der Tiefe? Spürst du die Geister, wie sie steigen und steigen? Spürst du den Ringkampf in deinem Schädel? Heisa, lustig, wie sie sich drängen und wie sie raufen, die Weingeister mit den Sorgengeistern! Und sie gewinnen den Sieg, und sie fahren in alle Winkel und fegen in allen Winkeln, und alles Enge wird weit wie ein Tanzsaal, und sie tanzen und haschen sich und gucken aus den Fenstern und rufen lustige Gedanken herein. Heisa, Bruder, es sollen leben die lustigen Gedanken und die lustigen Geister, und das Vergessen lebe, das Vergessen! – Lethe, Herr, Lethe! Was ist denn Lethe? Wein ist's – was denn sonst? – Und Ihr sitzet da und habt sicher einen Gulden in der Tasche und könnt Euch alle lustigen Geister und alle lustigen Gedanken und könnt Euch Lethe kaufen –, und thut's nicht?«

      »Narro!« klang es in Portners Ohre, und zweifelnd sah er auf den seltsamen Strolch. Nein, der hatte es nicht gesagt, der saß mit festgeschlossenen Lippen. Und »Narro, Narro!« klang es ihm abermals im Ohre. Doch seine Hand griff heimlich an ein hartes, rundes Ding im Futter seines Wamses.

      »Du bist Student gewesen!« fuhr er auf.

      Der Strolch lehnte sich zurück auf seinem Stuhle und zwinkerte mit den Augenlidern und trommelte leise auf dem Tische; aber seine Lippen blieben fest geschlossen.

      »Lethe!« murmelte Portner und riß am mürben Futter.

      Da war's ihm plötzlich, als spräche eine klare Stimme aus weiter Ferne:

      »Hansjörg!«

      Er ließ die Hand aufs Knie sinken, aber da rollte schon das große Geldstück mit hartem Klingklang unter den Tisch auf die Dielen. Behende bückte sich der Strolch und warf den Thaler auf die Platte. »Hab' ich's nicht gesagt? Kauft Euch die lustigen Geister und kauft Euch Lethe!«

      Und Hansjörg hörte wieder dieselbe klare Stimme, aber noch weiter entfernt, und dazwischen hinein: »Narro, Narro!«

      *

      Vom Turme des heiligen Martin erklangen zwölf Schläge in die stille, finstere Nacht, und hinter den feierlichen Schlägen liefen die zwölf andern, geschwinden Schläge von des Wächters Hand.

      Die Malefikantenstube des Rathauses war erfüllt von dickem Tabaksrauche, und trübe brannte das Talglicht. Vor seinem vollen Kruge saß Portner, blies dann und wann eine Wolke aus der Thonpfeife und stierte vor sich hin.

      »Ei, so trinkt doch, trinkt – es ist Euch vergönnt!« sagte der Stelzfuß lachend mit schwerer Zunge. »So können die Weingeister nicht aufsteigen und können nicht tanzen und können nicht Herr werden über die Sorgengeister. – Sorgengeister und Weingeister friedlich beisammen in einem Schädel – ich danke! – Trinkt doch! Ist ja nicht der Rede wert, was Ihr getrunken habt – kaum drei Maß! – Junker, so trinket doch!«

      Portner schwieg und rauchte und stierte vor sich hin.

      Da lehnte sich der Strolch zurück und begann mit rauher Stimme zu singen:

      Ich wollt', es bräche jeder Quell

       Blutrot aus Goldgestein,

       Ich wollt', es ginge jeder Strom

       Bis an den Rand voll Wein.

      Ich wollt', es drehte Rad an Rad

       Sich in der stolzen Flut

       Und gösse weithin auf das Land

       In Bächen all die Glut.

      Ich aber läg' im kleinen Kahn

       Und hätte meine Ruh,

       Tränk' fort und fort aus hohler Hand

       Und triebe immerzu.

      Und käm' ich dann im Abendschein

       Wohl an die weite See,

       So spräch' ich nur mit Lallen noch:

       Ei, schau den roten Klee!

      Und ließ' mich schaukeln hin und her

       Und hätte gute Ruh

       Und schlürfte aus der hohlen Hand

       Und triebe immer zu.

      Und wär' ich endlich toll und voll

       Auf hoher, hoher See,

       Dann stieg' ich leise über Bord

       Und sänke in den Klee.

      Und läg' als in der Mutter Schoß

       Vor langer, langer Zeit,

       So friedlich wie ein kleine Kind,

       Und schlief' in Ewigkeit.

      O bräche doch ein jeder Quell

       Blutrot aus Goldgestein,

       O ginge doch ein jeder Strom

       Bis an den Rand voll Wein!

      »Auch voll – bis an den Rand!« sagte er nach kurzem Besinnen, erhob sich, spreizte die Beine und hielt sich am Tische. »Genug – Lethe! Was hilft dir – auch die – Lethe – wenn du – alles vergißt? Ich – gehe – schlafen –.«

      Er wandte sich murmelnd und stapfte zur Pritsche in die Ecke; er sank darauf und lag im Schlafe.

      Eine Weile war's totenstille im raucherfüllten Gemache. Dann aber begann der Strolch auf der Pritsche rasselnd zu schnarchen, und Portner hob das Haupt und seufzte tief.

      ›Ja, was hilft dir die Lethe, wenn du alles vergißt? – Du armer Tropf.‹

      Er stand auf und reckte sich.

      ›Ist mir nicht zu Mute, als wäre alles versunken? Bin ich nicht zum erstenmal wieder glücklich?

      ›Glücklich? Was soll's, was ist Glück? Was nennen die Menschen Glück?

      ›Stinkende Ruhe!

      ›Und was ist mir dieses Glück?

      ›Thor, betrüge dich nicht! Wer will denn nicht das Glück der Ruhe? Jeder. Das Wild im Walde, der Vogel in der Luft.

      ›Dann wäre es falsch, zu sagen – Glück? Dann müßt' es heißen – Friede? So wäre Glück – Friede?‹

      Er starrte mit großen Augen in die Ferne und murmelte: ›Friede, Portner, wäre das Glück? Friede?

      ›Ich lechze nach dem Glück, ja, ich lechze. Und es wäre ein schlechter Trost, sich belügen und sagen: Was ist mir das Glück?

      ›Eine Hand voll Schwarzbeeren ist geringer als ein Glas feurigen Weins. Leben!

      ›Was ist denn Leben?

      ›In dem Augenblicke, wo einer von allen die Frage gelöst СКАЧАТЬ