Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 107

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ Geldstück hin. »Es ist gut. Eng halten!«

      Das Gesicht des Kerkermeisters verzog sich, während er nach dem Geldstücke griff:

      »Könnt Euch verlassen, Euer Gnaden!«

      Mit schweren Schritten ging der Mensch die Stiege hinunter, am Fenster aber stand der Sekretär, hielt mit zitternden Händen das Schreiben und las mit gierigen Augen:

      »Dem wohledeln, gestrengen Hans Georg Portner von Theuern, meinem in Ehrengebühr freundlichen, vielgeliebten Herrn Bruder zu eignen Händen.«

      ›Bruder!‹ murmelte der Sekretär.

      »Demselben sind meine jederzeit willigen Dienste und Gruß zuvor, freundlicher, vielgeliebter Bruder, ich habe aus seinem Schreiben mit hocherschrecklichem und sehr betrübtem Herzen vernommen, daß ihm von kurfürstlicher Regierung zu Amberg die Ursache, daß ich nicht will katholisch werden, gegeben wird und er daher in so langwährendem Arreste verbleiben muß, da ich doch durch Gott bezeugen kann, daß er hieran keine Schuld habe. Sondern dieweil ich's in meinem Gewissen je und einmal nicht befinden kann, wie ich auch meinem Herrn Vater gesagt habe, als ich noch zu Zant war: so komme ich nimmermehr nach Amberg, werde auch nicht katholisch, man mach's mit mir, wie man will. Denn ich habe vorher lang müssen in Amberg verbleiben und bald von diesem, bald von einem andern höhnische und spöttische Worte genug müssen anhören. Käme ich wieder hinein, es würde mir wohl noch besser gemacht werden. Und wundert mich sehr von meinem Herrn Vater, daß er solches der kurfürstlichen Regierung nicht berichtet hat, also daß der Herr Bruder so lang und so gar unschuldigerweise in Arrest verbleiben muß, wo er doch gar keine Schuld an meiner Abwesenheit hat. Sondern, wie vorgemeldet, dieweil ich's in meinem Gewissen nicht befinde, kann ich mich zur katholischen Religion nicht bequemen, es geschehe gleich wie der liebe Gott will. Welches ich dem vielgeliebten Herrn Bruder nicht habe verhalten können, ihn daneben freundlich, ehrengebührlich grüßend und Gott treulich befehlend. Datum Hilpoltstein, den 29. Oktober 1629. Eure getreue Dienerin und Freundin, weil ich leb', Ruth von Zant. Pferd', mich nach Amberg zu bringen, wollt Ihr mir schicken? Ach, wollt Ihr denn wünschen, daß ich, da Gott gnädig vor sei, in Verzweiflung sollte geraten, dieweil ich's über mein Gewissen nicht bringen kann, von meiner Religion abzuweichen?«

      Kriemhofen stöhnte:

      ›Und da ist die Hand aufgelegen und hat Zeile für Zeile geschrieben! – Und was alles zwischen drinnen steht!‹ Und er preßte seine Lippen auf den Brief, andächtig, als wär's eine heilige Reliquie.

      *

      Es war spät am Abend. In seiner finsteren Zelle ging Hansjörg auf und nieder und zählte seine Schritte.

      ›Eins, zwei, drei –‹

      Er blieb stehen, ballte die Fäuste und flüsterte:

      ›Ach, wollt Ihr denn wünschen, daß ich, da Gott gnädig vorsei, in Verzweiflung sollte geraten?‹

      Er lachte leise auf und faltete die Hände, daß sich die Fingernägel ins Fleisch gruben:

      ›Wenn es überhaupt noch einen Gott da droben giebt.‹

      Stille stand er und grübelte.

      ›Nur einen Stumpen Licht, nur so lang wie mein Daumen! Aber leise, Hansjörg, leise! Zantner, es giebt noch andre Foltern als Daumenschrauben und Aufziehen. Eine satanische Folter ist es, wenn sie dem armen Sünder kaltes Wasser in Tropfen – leise, leise, Hansjörg! Mir lassen sie die Zeit tropfenweise auf den Schädel fallen – ist das weniger grausam?‹

      Er ging an den wackeligen Tisch und tastete:

      ›Es geht nicht in einer Linie fort – leise, Hansjörg, leise! – es ist nicht wahr – große Wirbel sind's, langsame, träge Wirbel, und jeder Wirbel ist ein Tag, und jeder Tag ein Kerbschnitt im Holz und im Leben, und einer wie der andre – wie viele? Einunddreißig doch! Aber ich muß zählen – leise, Hansjörg, leise!‹

      Er fuhr mit dem Daumennagel langsam über die eingekerbte Tischkante, und einunddreißigmal ging es wie leises Knistern durch die Zelle – zweiunddreißigmal!

      ›Zweiunddreißig?‹ flüsterte Portner und begann von neuem.

      ›Es ist richtig – zweiunddreißig! – Wenn ein Kind zweiunddreißig Tage alt ist, so sagt man, es sei aus dem Gröbsten; wenn nun aber ein Mensch zweiunddreißig Tage lang nicht aus den Kleidern gekommen ist? Leise, Hansjörg, leise!‹

      Und wieder und wieder, immer schneller, immer schneller ließ er den Daumennagel über die Kerbschnitte gleiten, daß es klang wie scharfes Geprassel. ›Wie geschwinde so – du kannst's gar nimmer zählen. Und doch ist jeder Schnitt ein Tag gewesen. Leise, Hansjörg, leise! Wie lange mußt du wohl diese hohlklingenden Schritte da drunten noch – pst, Hansjörg, lustig, Hansjörg – jetzt kommt er wieder geschlichen und horcht – lustig, Hansjörg!‹

      Und er ging mit festen Schritten auf und ab und pfiff ein Schelmenlied. Dann hub er an mit lauter Stimme zu singen:

      Drum genieße, was die Stunde

       Dir an reinem Glück beschert!

       Weißt du denn, du Eintagsfliege,

       Ob es jemals wiederkehrt?

      Und lachend sagte er:

      ›Wenn der Mensch niemand hat, mit dem er reden kann, so redet er mit sich selber. Was ist dabei verwunderlich? Und eigentlich, Portner, bist du mit einem ganz erträglichen Gesellen zusammengesperrt. Was wär's für eine Qual, wenn du liegen müßtest unter allerhand Malefizgesindel! Im übrigen, sie werden dich in Bälde entlassen. Und jetzt will ich schlafen gehen und mich der Stille freuen.‹

      Er entledigte sich mit starkem Geräusche seiner Stiefel und lauschte dabei angestrengt nach der Thüre.

      ›Diesmal sind's ihrer zwei gewesen,‹ flüsterte er und setzte sich auf den Rand seines Lagers. ›Herr Gott im Himmel, wenn es nur einmal seine Wirkung thäte! Nur heraus, nur heraus da – und wenn sie mich unter Diebe und Mörder legten!‹

      Er streckte sich und murmelte:

      ›Horch, nun geht ein Mann über die Brücke – wie das hohl klingt und dumpf und doch weithin hallt! – Ach, wollt Ihr denn wünschen, daß ich, da Gott gnädig vorsei, in Verzweiflung sollte geraten?‹

      Die Regierungsgasse hinunter ging ein Mann. Der hatte den großen Hut ins Gesicht gedrückt und trug sein Haupt gesenkt.

      In der Mitte des Regierungsgebäudes, hart unter dem schönen Erker, wandte er sich und sah zum Schlosse zurück.

      Finster ragte der massige Fuchssteiner neben der Brücke in die Nacht empor.

      Den Mann schüttelte ein Schauer, daß seine Zähne aufeinander schlugen:

      ›Kriemhofen, die Mutter hat recht, du bist – krank! Was Wunder? Mich frißt der Haß, wenn ich die Stimme höre. Wenn aber sie diese – Stimme hörte? Sie käme dennoch – geritten und – geflogen. Er sagt – nein. Er – lügt. Es ist – ein abgekartet – Spiel. Aber warte – Portner – nun wirst du – unter das gemeine Gesindel gestoßen! Und – dann –! Ja dann – was dann?‹

      Auf einmal warf er den Kopf zurück, seine Augen öffneten sich weit, und regungslos stierte er hinüber zum finsteren СКАЧАТЬ