Ein Mann. Joachim Nettelbeck
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Название: Ein Mann

Автор: Joachim Nettelbeck

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066118167

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СКАЧАТЬ brauchten dazu wiederum acht bis neun Wochen, bis wir endlich wohlbehalten im Angesichte von Amsterdam den Anker fallen ließen. Es war im Juni 1751, und die ganze Reise hin und zurück hatte einundzwanzig Monate gedauert. Elf Leute von unserer Mannschaft waren während dieser Zeit gestorben.

      

In Amsterdam ließ ich es mein erstes sein, nach Kolberg an meine Eltern zu schreiben und ihnen Bericht von meiner abenteuerlichen Reise zu erstatten. Denke man sich ihr freudiges Erstaunen beim Empfange dieser Zeitung! Ich war tot und wieder lebendig geworden! Ich war verloren und war wiedergefunden! Ihre Empfindungen drückten sich in den Briefen aus, die ich unverzüglich von dort her erhielt. Segen und Fluch wurden mir darin vorgestellt. Ich Unglückskind wäre ja noch nicht einmal eingesegnet! Augenblicklich sollte ich mich aufmachen und nach Hause kommen!

      Es traf sich erwünscht, daß ich mich in Amsterdam mit einem Landsmanne, dem Schiffer Christian Damitz, zusammenfand. Auf seinem Schiffe ging ich nach Kolberg zurück. Von meinem Empfange daheim aber tue ich wohl am besten, zu schweigen.

      In meiner Vaterstadt blieb ich nun und hielt mich wieder zum Schulunterricht, bis ich mein vierzehntes Jahr erreichte und die Konfirmation hinter mir hatte. Dann aber war auch kein Halten mehr, ich wollte und mußte zur See, wie der Fisch ins Wasser, und mein Vater übergab mich (zu Ostern 1752) an Schiffer Mich. Damitz, der soeben von Kolberg nach Memel und von da nach Liverpool abgehen wollte, und in den er ein besonderes Vertrauen setzte. Beide Fahrten waren glücklich. Wir gingen weiter nach Dünkirchen, wo wir eine Ladung Tabak einnahmen; dann über Norwegen nach Danzig – und so kam ich, kurz nach Neujahr, zu Lande, um neunzehn Taler Löhnung reicher, nach Kolberg zurück. Ich glaubte Wunder, was ich in diesen neun Monaten verdient hätte! Und noch vor wenig Jahren brachten es unsere Matrosen wohl auf fünfzehn und mehr Taler monatlich. So ändern sich die Zeiten!

      In den beiden nächstfolgenden Jahren (1753 und 54) schwärmte ich auf mehr als einem Kolbergschen Schiffe und unter verschiedenen Kapitänen auf der Ost- und Nordsee umher, und war bald in Dänemark und Schweden, bald in England und Schottland, in Holland und Frankreich zu finden.

      

Aber der alte Hang zum Abenteuern erwachte, so daß ich in Amsterdam, wo ich mit Kapitän Joach. Blank, einem alten lieben Kolbergschen Landsmann und Verwandten, zusammentraf, der Versuchung zu einem weiteren Ausflug länger nicht widerstehen konnte, sondern mich, ohne weitere Erlaubnis von Hause, flugs und freudig auf sein Schiff Christina, das nach Surinam bestimmt war, als Konstabler verdingte. Als indes auf der Hinfahrt unser Steuermann das Unglück hatte, über Bord zu fallen und zu ertrinken, kam ich für diese Reise zu der Ehre, den Untersteuermann vorzustellen.

      Man weiß, daß die Kolonie Surinam ihren Namen von dem Flusse führt, an welchem auch dritthalb Meilen aufwärts die Hauptstadt Paramaribo gelegen ist. An seiner Mündung ist er wohl zwei Meilen breit und bleibt gegen sechzig Meilen landeinwärts, auch bei der niedrigsten Ebbe, für kleinere Fahrzeuge noch schiffbar. Nur wenig geringer ist der mit ihm verbundene Fluß Komandewyne, welcher bis gegen fünfzig Meilen aufwärts befahren wird. Mit beiden steht noch eine Menge toter Arme oder Kreeks in Verbindung, und an allen Ufern hinauf drängen sich die Zucker- und Kaffeeplantagen, während alles übrige Land eine fast undurchdringliche Waldung ausmacht. Eben dadurch wird diese Kolonie eine der ungesundesten in der Welt; und wenn eine Schiffsequipage von vierzig Mann binnen den vier Monaten, welche man hier gewöhnlich verweilt, nur acht bis zehn Tote zählt, so wird dies für ein außerordentliches Glück gehalten.

      Diese große Sterblichkeit hat aber zum Teil auch wohl ihren Grund in den anstrengenden Arbeiten, wozu die Schiffsmannschaften nach hiesigem Gebrauche angehalten werden: denn sie müssen ebensowohl den Transport der mitgebrachten Ladung an europäischen Gütern nach den einzelnen Plantagen, als die Rückfracht aus denselben an Kolonialwaren, besorgen. Man bedient sich dazu einer Art von Fahrzeugen, Punten genannt, die wie Prahme gebaut sind und ein zugespitztes, mit Schilf gedecktes Wetterdach tragen; so daß sie das Ansehen eines auf dem Wasser schwimmenden, deutschen Bauernhauses gewähren. Zwei solcher Punten werden jedem Schiffe zugegeben, und mir, als Untersteuermann, kam es zu, mit Hilfe von vier Matrosen die Fahrten auf den Strömen damit zu verrichten, wozu denn oft vierzehn Tage und noch längere Zeit erfordert wurden.

      Bei unserer Ankunft gab es auf dem Schiffe ein kleines Abenteuer, das unseren Schiffer eine Zeitlang in nicht geringe Sorge setzte, endlich aber dennoch einen ziemlich lustigen Ausgang gewann. Unter der Ladung nämlich, die wir in Amsterdam eingenommen hatten, befand sich auch eine Kiste von etwa drei Fuß ins Gevierte, worüber der Kapitän zwar das richtige Konnossement in Händen hatte, ohne gleichwohl beim Löschen vor Paramaribo die Kiste selbst an Bord wieder auffinden zu können. Sie war an einen dortigen Juden adressiert, dessen wiederholte Nachfrage trotz alles Suchens unbefriedigt bleiben mußte. Diese Verlegenheit schlau benutzend, brachte endlich der Hebräer nicht nur seine Klage bei dem holländischen Fiskal (Kolonie-Richter) an, sondern reichte zugleich ein langes Verzeichnis ein von goldenen und silbernen Taschenuhren, Geschmeiden und anderen Kostbarkeiten, zu einem Belaufe von beinahe viertausend Gulden an Wert, die in der Kiste enthalten gewesen. Der Prozeß ging seinen Gang, und der Jude brachte seine Beweise so bündig vor, daß das endlich erfolgte rechtskräftige Erkenntnis meinen Kapitän zur völligen Schadloshaltung binnen vierzehn Tagen verurteilte, dem es übrigens überlassen blieb, sich wiederum an seine Leute zu halten.

      Ganz unerwartet aber fand sich nunmehr die verwünschte Kiste im hinteren untersten Schiffsraum wieder auf, wo sie durch irgendein Versehen hoch mit Brennholz überstaut gewesen war. Glücklicherweise hatte ihr Siegel, das auch auf dem Konnossement abgedruckt war, keinen Schaden gelitten. Aber zugleich kam es uns wunderlich vor, daß die Kiste beim Heben und Schütteln sich gar nicht so anließ, als ob Sachen von der angegebenen Art darin enthalten sein könnten. Dieser Verdacht ward dem Fiskal unter der Hand gesteckt. Er kam selbst an Bord, überzeugte sich von Richtigkeit des Konnossements und der Unversehrtheit des Siegels, und da der Jude ein armer Teufel war, dem sich mit einer Geldstrafe nichts anhaben ließ, so sollte er, wie es in aller Welt Brauch ist, für den versuchten Betrug mit seiner Haut bezahlen.

      Zuvörderst ward ihm gemeldet, daß sein Eigentum wieder zum Vorschein gekommen sei und von ihm alsogleich am Bord in Empfang genommen werden könne. Sein Erschrecken über diese Nachricht war drollig genug, aber dem Frieden nicht trauend, verlangte er, man möchte ihm die Kiste in Gottes Namen nur an Land und in sein Haus schaffen; bis auf seine beharrliche Weigerung der Fiskal ihn durch zwei Neger mit Gewalt und gebunden an Bord holen ließ. Hier mußte er in dessen Beisein die Kiste als die seinige und als vollkommen unverletzt anerkennen; dann aber auch öffnen, und nun kam ein gar bunter Inhalt zum Vorschein. Der ganze Trödel bestand aus Redoutenanzügen und fratzenhaften Gesichtslarven; der unglückliche Eigentümer aber ward, auf des Richters Geheiß, über seine Kiste hingestreckt und von ein paar Matrosen mit ihren Tauendchen so unbarmherzig zugedeckt, daß ihm wahrscheinlich alle ähnliche Spekulationen für eine lange Zeit vergangen sein werden.

      Eher hätte man Surinam damals eine deutsche, als eine holländische Kolonie nennen können, denn auf den Plantagen, wie in Paramaribo, traf man unter hundert Weißen immer vielleicht neunundneunzig an, die hier aus allen Gegenden von Deutschland zusammengeflossen waren. Unter ihnen hatte ich während dieser Reise Gelegenheit, auch zwei Brüder, des Namens Kniffel, kennen zu lernen, die aus Belgard in Pommern gebürtig und also meine nächsten Landsleute waren. Sie hatten in früherer Zeit als gemeine holländische Soldaten sich hierher verirrt, aber Glück, Fleiß und Rechtlichkeit hatten sie seither zu Millionären gemacht, welche hier eines wohlverdienten Ansehens genossen. Am Komandewyne besaßen sie zwei Kaffeeplantagen. Die eine hieß Friedrichsburg, und eine andere dicht daneben, welche von ihnen selbst angelegt worden, hatten sie ihrer Vaterstadt zu Ehren Belgard genannt. Zu Paramaribo war eine Reihe von Häusern, die eine Straße von vierhundert Schritten in der Länge bildeten, ihr Eigentum und führte nach ihnen den Namen Kniffels-Loge. Ebendaselbst hatten sie eine lutherische Kirche aufgeführt und zur Erhaltung derselben für СКАЧАТЬ