Ein Mann. Joachim Nettelbeck
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ein Mann - Joachim Nettelbeck страница 4

Название: Ein Mann

Автор: Joachim Nettelbeck

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066118167

isbn:

СКАЧАТЬ Verhör ins Kreuz und in die Quere mit mir erneuerten. Auch hier hatte ich nichts als Tränen und Schluchzen. »Aha, Bursche!« legte sich endlich einer aufs Raten – »ich merke schon! du bist von einem Schiffe weggelaufen und denkst, daß wir dich mitnehmen sollen?« – Das war ganz meine Herzensmeinung. Ich stammelte also ein Ja darauf hervor, konnte mich aber diesmal nicht entschließen, noch weiter herauszubeichten. Inzwischen hatte man einiges Mitleid mit mir, gab mir ein Glas Wein samt einem Butterbrot und Käse, und wies mir eine Schlafstelle an, mit dem Bedeuten, daß morgen früh der Kapitän an Bord kommen werde, der mich vielleicht wohl mitnehmen möchte. – Da lag ich nun die ganze Nacht schlaflos und überdachte, was ich sagen und verschweigen wollte.

      Am andern Morgen mit Tagesanbruch fand sich der Lotse ein; der Anker ward aufgewunden und man machte sich segelfertig; wobei ich treuherzig und nach Kräften mit Hand anlegte. Unter diesen Beschäftigungen kam endlich auch der Kapitän heran. Ich ward ihm vorgestellt, und auch seine erste und natürlichste Frage war: Was ich auf seinem Schiffe wollte? – Ich fühlte mich nun schon ein wenig gefaßter und gab ihm über mein Wie und Woher so ziemlich ehrlichen Bescheid; nur setzte ich hinzu (und diese Lüge hat mir nachmals oft bitter leid getan, denn mein Oheim war gegen mich die Milde selbst, als ob ich sein eigen Kind wäre), dieser habe mich auf der Reise oftmals unschuldig geschlagen, wie das denn auch noch gestern geschehen sei. Ich könne dies nicht länger ertragen, und so sei ich heimlich weggegangen und bäte flehentlich, der Kapitän möchte mich annehmen. Ich wollte gerne gut tun.

      Nun ich einmal so weit gegangen war, durfte ich auch die richtige Antwort auf die weitere Frage nach meines Oheims Namen und Schiff nicht schuldig bleiben. »Gut!« sagte der Kapitän – »ich werde mit dem Manne darüber sprechen.« – Das klang nun gar nicht auf mein Ohr! Ich hub von neuem an zu weinen, schrie, ich würde über Bord springen und mich ersäufen, und trieb es so arg und kläglich (mir war aber auch gar nicht wohl ums Herz!), daß nach und nach das Mitleid bei meinem Richter zu überwiegen schien. Er ging mit seinen Steuerleuten in die Kajüte, um die Sache ernstlicher zu überlegen; ich aber lag indes, von Furcht und Hoffnung hin und her geworfen, wie auf der Folter, denn die Schande, vielleicht zu meinem Oheim zurückgebracht zu werden, schien mir unerträglich.

      Endlich rief man mich in die Kajüte. »Ich habe mir's überlegt,« hub hier der Kapitän an, »und du magst bleiben. Du sollst Steuermanns-Junge sein und monatlich sechs Gulden Gage haben, auch will ich für deine Kleidungsstücke sorgen. Doch höre, sobald wir mit dem Schiffe in den Texel kommen, schreibst du selbst an deines Vaters Bruder und erklärst ihm den ganzen Zusammenhang. Den Brief will ich selbst lesen und auch für seine sichere Bestellung sorgen.« – Man denke, wie freudig ich einschlug und was für ein Stein mir vom Herzen fiel!

      Jetzt gingen wir auch unter Segel. Allein ich will es auch nur gestehen, daß, sowie ich meines Oheims Schiff so aus der Ferne darauf ansah, mir's innerlich leid tat, es bis zu diesem törichten Schritte getrieben zu haben. Trotz diesem Herzweh erwog ich, daß er nicht mehr zurückgetan werden konnte, wofern ich nicht vor Beschämung vergehen sollte. Ich machte mich also stark; und als wir im Texel ankamen, schrieb ich meinen Abschiedsbrief, den der Kapitän las und billigte, und mein Steuermann an die Post-Suite besorgen sollte.

      Wie die Folge ergeben hat, ist jedoch dieser Brief, mit oder ohne Schuld des Bestellers, nicht an meinen Oheim gelangt; entweder daß dieser zu früh von Amsterdam abgegangen, oder daß das Blatt unterwegs verloren gegangen. Mein Tod schien also ungezweifelt, denn man glaubte (wie ich in der Folge erfuhr), ich sei in der Nacht aus der Jolle gefallen, die man am nächsten Morgen zwischen anderen Schiffen umhertreibend gefunden hatte.

      Nachdem wir in Texel unsere Ladung, Wasser, Proviant und alle Zubehör, welche der Sklavenhandel erfordert, an Bord genommen hatten, gingen wir in See. Mein Kapitän hieß Gruben und das Schiff Afrika. Alle waren mir gut und geneigt; ich selbst war vergnügt und spürte weiter kein Heimweh. Wir hatten zwei Neger von der Küste von Guinea als Matrosen an Bord. Diese gab mir mein Steuermann zu Lehrern in der dortigen Verkehrssprache, einem Gemisch aus Portugiesisch, Englisch und einigen Negersprachen; und ich darf wohl sagen, daß sie an mir einen gelehrigen Schüler fanden. Denn mein Eifer, verbunden mit der Leichtigkeit, womit man in meinem damaligen Alter fremde Sprachtöne sich einprägt, brachten mich binnen kurzem zu der Fertigkeit, daß ich nachher an der Küste meinem Steuermanne zum Dolmetscher dienen konnte. Und das war es eben, was er gewollt hatte.

      

Unsere Fahrt war glücklich, aber ohne besonders merkwürdige Vorfälle. In der sechsten Woche erblickten wir St. Antonio, eine von den Inseln des grünen Vorgebirges, und drei Wochen später hatten wir unser Reiseziel erreicht und gingen an der Pfefferküste, bei Kap Mesurado, unter sechs Grad nördlicher Breite, vor Anker, um uns mit frischem Wasser und Brennholz zu versorgen. Zugleich war dies die erste Station, von wo aus unser Handel betrieben werden sollte.

      Späterhin gingen wir weiter östlich nach Kap Palmas; und hier erst begann der Verkehr lebendiger zu werden. Die Schaluppe wurde mit Handelsartikeln beladen, mit Lebensmitteln für zwölf Mann Besatzung auf sechs Wochen versehen und mit sechs kleinen Drehbassen, die ein Pfund Eisen schossen, ausgerüstet. Mein Steuermann befehligte im Boot; ich aber, sein kleiner Dolmetscher, blieb auch nicht dahinten und ward ihm im Handel vielfach nützlich. Wir machten in diesem Fahrzeuge drei Reisen längs der Küste, entfernten uns bis zu fünfzig Meilen vom Schiffe und waren gewöhnlich drei Wochen abwesend. Nach und nach kauften wir hierbei vierundzwanzig Sklaven, Männer und Frauen (auch eine Mutter mit einem einjährigen Kinde war dabei!), eine Anzahl Elefantenzähne und etwas Goldstaub zusammen. Bei dem letzten Abstecher ward auch der europäische Briefsack auf dem holländischen Hauptkastell St. George de la Mina von uns abgegeben.

      Unser Schiff fanden wir bei unserer Rückkehr etwas weiter ostwärts, nach der Reede von Laque la How oder Kap Lagos vorgerückt. Acht unserer Gefährten waren in der Zwischenzeit infolge des ungesunden Klimas gestorben. Dagegen hatte der Kapitän anderthalbhundert Schwarze beiderlei Geschlechts eingekauft und einen guten Handel mit Elfenbein und Goldstaub gemacht. Für alle diese Artikel gilt Kap Lagos als eine Hauptstation, weil landeinwärts ein großer See von vielen Meilen Länge und Breite vorhanden ist, auf welchem die Sklaven von den Menschenhändlern (Kaffizieren) aus dem Inneren in Kanots herbeigeführt werden.

      Gerade in dieser Gegend war auch Kapitän Gruben bei den hier ansässigen reichen Sklavenhändlern von alters her wohl bekannt und gern gelitten. Dennoch war ihm schon auf einer früheren Reise hierher ein Plan fehlgeschlagen, den er entworfen hatte, sich zum Vorteil der holländischen Regierung an diesem wohlgelegenen Platze unvermerkt fester einzunisten. Er hatte mit den reichen Negern verabredet, ein zerlegtes hölzernes Haus nach europäischer Bauart mitzubringen und dort aufzurichten, worin zehn bis zwanzig Weiße wohnen könnten und welches durch einige daneben aufgepflanzte Kanonen geschützt werden sollte. Als es aber fertig dastand, kamen diese Anstalten den guten Leutchen doch ein wenig bedenklich vor. Sie bezahlten lieber dem Kapitän sein Häuschen, das so ziemlich einer kleinen Festung glich, reichlich mit Goldstaub; und als ich es sah, war es von einem reichen Kaffizier bewohnt.

      Nachdem wir von hier noch eine Bootreise, gleich den vorigen und mit ebenso gutem Erfolge, gemacht hatten, gingen wir nach vier bis fünf Wochen mit dem Schiffe weiter nach Axim, dem ersten holländischen Kastell an dieser Küste, wo denn auch fortan der Schaluppenhandel ein Ende hatte. Ferner steuerten wir, Cabo tres Puntas vorbei, nach Accada, Boutrou, Saconda, Chama, St. Georg de la Mina und Moure. Überall wurden Einkäufe gemacht; so daß wir endlich unsere volle Ladung, bestehend in vierhundertundzwanzig Negern jedes Geschlechtes und Alters beisammen hatten. Alle diese Umstände sind mir noch jetzt in meinem hohen Alter so genau und lebendig im Gedächtnisse, als wenn ich sie erst vor ein paar Jahren erlebt hätte.

      Nunmehr ging die Reise von der afrikanischen Küste nach Surinam, quer über den Atlantischen Ozean hinüber, wo unsere Schwarzen verkauft werden sollten. Während neun bis zehn Wochen, die wir zur See waren, sahen wir weder Land noch Strand, erreichten aber unseren Bestimmungsort glücklich, vertauschten СКАЧАТЬ