Ein Mann. Joachim Nettelbeck
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Название: Ein Mann

Автор: Joachim Nettelbeck

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066118167

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СКАЧАТЬ nun gleich das Wiederflottmachen des Schiffes glücklich vonstatten, so war doch das Korn durchnäßt, zum Vermahlen untüchtig und die Hoffnung all der darauf vertrösteten Menschen vereitelt. Die Kolberger Bürger kauften den beschädigten Roggen um ein Viertel des geltenden Marktpreises, und da mein Vater damals königlicher Kornmesser im Orte war, so ging auf diese Weise die ganze geborgene Ladung durch seine Hände. Jeder suchte mit seinem Kauf so gut als möglich zurechtzukommen und ihn aufs schnellste zu trocknen. Alle Straßen waren auf diese Weise mit Laken und Schürzen überdeckt, auf welchen das Getreide der Luft und Sonne ausgesetzt wurde. Kurze Zeit darauf erschien ein zweites großes Kornschiff; und nun ward es endlich möglich, die fremde Armut zu befriedigen.

      Im nächstfolgenden Jahre erhielt Kolberg, durch des großen Friedrichs versorgende Güte, ein Geschenk, das damals hierzulande noch völlig unbekannt war. Ein großer Frachtwagen nämlich voll Kartoffeln langte auf dem Markte an; und durch Trommelschlag in der Stadt und auf den Vorstädten erging die Bekanntmachung, daß jeder Gartenbesitzer sich zu einer bestimmten Stunde vor dem Rathause einzufinden habe, indem des Königs Majestät ihm eine besondere Wohltat zugedacht habe. Man ermißt leicht, wie alles in stürmische Bewegung geriet, und das nur um so mehr, je weniger man wußte, was es mit diesem Geschenke zu bedeuten habe.

      Die Herren vom Rate zeigten nunmehr der versammelten Menge die neue Frucht vor, die hier noch keiner gesehen hatte. Daneben ward eine umständliche Anweisung verlesen, wie diese Kartoffeln gepflanzt und bewirtschaftet, desgleichen wie sie gekocht und zubereitet werden sollten. Besser freilich wäre es gewesen, wenn man eine solche geschriebene oder gedruckte Instruktion gleich mit verteilt hätte; denn nun achteten in dem Getümmel die wenigsten auf jene Vorlesung. Dagegen nahmen die guten Leute die hochgepriesenen Knollen verwundert in die Hände, rochen, schmeckten und leckten dran; kopfschüttelnd bot sie ein Nachbar dem andern; man brach sie voneinander und warf sie den gegenwärtigen Hunden vor, die dran herumschnupperten und sie gleichmäßig verschmähten. Nun war ihnen das Urteil gesprochen! »Die Dinger«, hieß es, »riechen nicht und schmecken nicht, und nicht einmal die Hunde mögen sie fressen. Was wäre uns damit geholfen?« – Am allgemeinsten war dabei der Glaube, daß sie zu Bäumen heranwüchsen, von welchen man zu seiner Zeit ähnliche Früchte herabschüttle. Alles dies ward auf dem Markte, dicht vor meiner Eltern Türe, verhandelt; gab auch mir genug zu denken und zu verwundern und hat sich darum auch, bis aufs Jota, in meinem Gedächtnisse erhalten.

      Inzwischen ward des Königs Wille vollzogen und seine Segensgabe unter die anwesenden Garteneigentümer ausgeteilt, nach Verhältnis ihrer Besitzungen, jedoch so, daß auch die Geringeren nicht unter einigen Metzen ausgingen. Kaum irgend jemand hatte die erteilte Anweisung zu ihrem Anbau recht begriffen. Wer sie also nicht geradezu in seiner getäuschten Erwartung auf den Kehrichthaufen warf, ging doch bei der Auspflanzung so verkehrt wie möglich zu Werke. Einige steckten sie hier und da einzeln in die Erde, ohne sich weiter um sie zu kümmern; andere (und darunter war auch meine liebe Großmutter mit ihrem ihr zugefallenen Viert) glaubten das Ding noch klüger anzugreifen, wenn sie diese Kartoffeln beisammen auf einen Haufen schütteten und mit etwas Erde bedeckten. Da wuchsen sie nun zu einem dichten Filz ineinander; und ich sehe noch oft in meinem Garten nachdenklich den Fleck drauf an, wo solchergestalt die gute Frau hierin ihr erstes Lehrgeld gab.

      Nun mochten aber wohl die Herren vom Rat gar bald in Erfahrung gebracht haben, daß es unter den Empfängern viele lose Verächter gegeben, die ihren Schatz gar nicht einmal der Erde anvertraut hätten. Darum ward in den Sommermonaten durch den Ratsdiener und Feldwächter eine allgemeine und strenge Kartoffel-Schau veranstaltet und den widerspenstig Befundenen eine kleine Geldbuße aufgelegt. Das gab wiederum ein großes Geschrei und diente auch eben nicht dazu, der neuen Frucht an den Bestraften bessere Gönner und Freunde zu erwecken.

      Das Jahr nachher erneuerte der König seine wohltätige Spende durch eine ähnliche Ladung. Allein diesmal verfuhr man dabei höheren Orts auch zweckmäßiger, indem zugleich ein Landreiter mitgeschickt wurde, der, als ein geborner Schwabe (sein Name war Eilert, und seine Nachkommen dauern noch in Treptow fort), des Kartoffelbaues kundig und den Leuten bei der Auspflanzung behilflich war und ihre weitere Pflege besorgte. So kam also diese neue Frucht zuerst ins Land und hat seitdem, durch immer vermehrten Anbau, kräftig gewehrt, daß nie wieder eine Hungersnot so allgemein und drückend bei uns hat um sich greifen können. Dennoch erinnere ich mich gar wohl, daß ich erst volle vierzig Jahre später (1785) bei Stargard, zu meiner angenehmen Verwunderung, die ersten Kartoffeln im freien Felde ausgesetzt gefunden habe.

      

Neben manchen anderen Kindereien war ich auch ein großer Liebhaber von Tauben. Von meinem Frühstücksgelde sparte ich mir so viel am Munde ab, daß ich mir ein Paar kaufen konnte. Das war nun eine Herrlichkeit! Da aber meine Großeltern unter dem Posthause bei Herrn Frauendorf wohnten, so gab es hier keine Gelegenheit, die Tauben ausfliegen zu lassen. Ich machte daher mit dem sogenannten »Postjungen«, Johann Witte (nachherigem Post- und Bankodirektor in Memel), einen Akkord, daß er meine Tauben zu sich nehmen, ich aber täglich eine gewisse Portion Erbsen zum Füttern hergeben sollte, die ich meinen Großeltern leider heimlich in den Taschen wegtrug! Die Tauben vermehrten sich, hinfolglich auch die Futtererbsen.

      Bei all diesen Spielereien ward (wiederum leider!) die Schule versäumt; ich hatte weder Lust noch Zeit dazu. Wenn meine Großmutter meinte, ich säße fleißig auf der Schulbank, so schiffte ich in Rinnsteinen und Teichen, oder ich verkehrte mit meinen Tauben; und das machte mir so viel zu schaffen, daß ich weder bei Tag noch bei Nacht davor ruhen konnte. Diese unruhige Geschäftigkeit hat mich auch nachmals bei weit wichtigeren Dingen und selbst bis in mein Alter verfolgt. Freilich habe ich mir wohl dabei weniger für mich als für andere meiner Mitmenschen zu tun und zu sorgen gemacht.

      Einigen Vorschub zu diesen Possen tat mir Pate Runge, der nicht Frau noch Kinder hatte, mich sehr liebte und sich viel mit mir abgab. Endlich aber nahm er mich einmal etwas ernsthafter ins Verhör (wie auch zuweilen von Pate Grüneberg geschah), und gab mir zu bedenken, daß, wenn ich Schiffer werden wollte, so müßte ich auch fleißig in die Schule gehen, eine firme Hand schreiben und gut rechnen lernen, sonst dürft' ich nie an so etwas denken. Mir fuhr das gewaltig aufs Herz. Ich sann nach, was denn wohl von meinem jetzigen Tun und Treiben abgestellt werden müßte? – Was anders, als meine Tauben, die mir so viel Zeit kosteten und doch so sehr am Herzen lagen! Wie ich's aber auch bedenken mochte, so war es doch nicht anders; ich mußte meine lieben Tierchen fahren lassen, die sich indes ansehnlich vermehrt hatten! Dies geschah denn auch mittels eines förmlichen schriftlichen Kontraktes, wodurch ich den Johann Witte zu ihrem alleinigen Herrn und Besitzer einsetzte.

      So war ich also meine Tauben los und nun kriegt' ich einen so brennenden Trieb zur Schule, daß mich die Lernbegierde auf Schritt und Tritt verfolgte. Ich wollte und mußte ja ein Schiffer werden! Auch alle meine heiligen Christgeschenke, woran es meine Herren Paten nicht fehlen ließen, hatten immer eine Beziehung auf die Schifferschaft. Bald war es ein runder holländischer Matrosenhut, bald lange Schifferhosen, bald Pfefferkuchen, als Schiffer geformt.

      

So mochte es in meinem achten Jahre sein, als Pate Lorenz Runge mir unter anderen Weihnachtsbescherungen auch eine Anweisung zur Steuermannskunst in holländischer Sprache verehrte. Dies Buch machte meine Phantasie so rege, daß ich Tag und Nacht für mich selbst darin studierte, bis mein Vater ein Einsehen hatte und mir bei einem hiesigen Schiffer, namens Neymann, zwei wöchentliche Unterrichtstage in jener edlen Kunst ausmachte. Dagegen blieben die anderen vier Tage noch zum Schreiben und Rechnen bei einem anderen geschickten Lehrer, namens Schütz, bestimmt. Ein Jahr später aber ward die Steuermannskunst die Hauptsache und alles andere in die Neben- und Privatstunden verwiesen.

      Mein Eifer für diese Sache ging so weit, daß ich im Winter oftmals bei strenger Kälte, wenn des Nachts klarer Himmel war, und wenn meine Eltern glaubten, daß ich im warmen Bette steckte, heimlich auf den Wall und »Die hohe Katze« ging, mit meinen Instrumenten die Entfernung der mir bekannten Sterne СКАЧАТЬ