Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
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»Nach Borgentreich können wir nicht«, sah auch Schlom Bendix ein. »Was aber nun, Bursche?«
Aaron Levi sagte nichts.
»Was nun?« erwiderte der Knabe. »Wir gehen nach Warburg. Da erwartet man uns nicht. Auch von da wird der Regierungsrat alle Beamte fortgerufen haben. Wir brauchen nicht über die Diemel zu setzen; wir passieren sie auf der Brücke bei Warburg. An Joel Rosenberg in Borgentreich schicken wir einen Boten, der ihn nach Warburg bestellt.«
»Weißt Du keinen andern Rat, Bursche?« fragte Schlom Bendix.
»Nein. Wisst Ihr einen bessern?«
Die Juden berieten sich in ihrer Sprache. Sie hatten keinen bessern Rat gefunden.
»Kennst Du auch die Wege nach Warburg, Bursche?«
»Wie die nach Borgentreich.«
»So sei es, wie Du sagst. Können wir gleich aufbrechen?«
»Je eher, desto besser. Wir haben nach Warburg einen weiteren Weg.«
»So brechen wir auf.«
»Noch eins, Schlom Bendix!«
»Was willst Du?«
»Bekomme ich mein Geld jetzt gleich?«
Schlom Bendix besann sich.
Aaron Levi kam seiner Antwort zuvor.
»Um mit dem Gelde uns durchzugehen, Bursche? Nichts da. Wenn wir an Ort und Stelle sind, hast Du Deinen Kontrakt gehalten und werden wir den unsrigen halten.«
Schlom Bendix war anderer Meinung.
»Wenn Du willst, Bursche, kannst Du Deinen Lohn sogleich erhalten, dreißig Taler.«
Die Bereitwilligkeit des vorsichtigen Juden schien den Knaben auf einen andern Gedanken gebracht zu haben.
»Nachher, Schlom Bendix, wie der Aaron Levi sagt. Für den Mann zwei Taler! So lautet unser Kontrakt.«
»Schaute!« rief Schlom Bendix seinem Kompagnon zu.
Sie kehrten in den Kohlenschuppen zurück.
»Alle fertig!« rief Schlom Bendix hinein.
Man hörte eine Menge Menschen sich erheben, sich selbst und einander mit Säcken, Ballen, Kisten und anderem Gepäck beladen.
»Noch einen Augenblick Geduld!« sagte Bernhard Henke. »Ich muss sehen, was sie am Wirtshause machen.«
Er verließ den Schuppen, die Schlucht, schlich sich an das Wirtshaus hinan.
Er hörte in dem Gastzimmer Teller und Gläser klingen.
Er wagte sich an die Haustür. Im Flur stand die Kellnerin.
»Jettchen!« rief er sie leise.
Sie trat zu ihm hinaus.
»Was machen die Beamten?«
»Sie sitzen bei Tische.«
»Hast Du nichts gehört?«
»Gar nichts. Sie sprachen kein Wort vom Dienst.«
»Weißt Du nicht, ob sie hier in der Nähe Wachen ausgestellt haben?«
»Ich habe nichts bemerkt. Sie sind äußerst vorsichtig. Umso mehr Angst habe ich Deinetwegen.«
»Habe sie nicht, Jettchen, Du gutes liebes Jettchen.«
Damit entfernte sich der Knabe.
Er hatte die Worte in einem Tone gesprochen, als wenn ihm auf einmal das Herz schwer geworden sei.
Aber den Juden zeigte er es nicht.
Er war zu dem Schuppen zurückgeeilt.
»Seid Ihr fertig?«
»Ja!«
»Vorwärts! Folgt mir!«
Er setzte sich in Bewegung.
Alles, was in dem Schuppen war, folgte ihm.
Unmittelbar hinter, fast neben ihm ging Schlom Bendix.
Dann folgten die sämtlichen Packträger; sie gingen einzeln, wie sie es auf ihren Schmuggelwegen gewohnt waren. Den Zug schlossen Aaron Levi und Konrad Maurer.
Die Packträger waren mit großen, dicken Knotenstöcken versehen, die ihnen zur Waffe und zugleich zur Stütze beim Gehen dienten. Einen solchen Stock trug auch Konrad Maurer, der ohne Gepäck war. Die Juden mussten mit andern Waffen versehen sein; man sah keine Stöcke bei ihnen;·von einem Messer hatte Aaron Levi schon gesprochen.
Der Knabe Bernhard war ohne Stock, ohne Waffe, aber auch ohne Gepäck; er war leicht wie ein Vogel.
So schritt er voran, gefolgt von den andern, aus der kleinen Schlucht, aus dieser nicht wieder in die größere, sondern sofort einen der waldbedeckten Berge hinan, von denen die Schlucht der Dahlheimer Sägemühle gebildet wurde; der Berg zog sich von der Diemel weg in das Land hinein. Ein Weg, ein Pfad war nicht zu sehen, nicht zu fühlen. An der Mitte des Berges schlug sich der Knabe rechts, und nun führte er seine Leute immer an dem Abhange des Bergs hin.
Nach einer halben Stunde machte er Halt.
»Ihr könnt Euch ausruhen«, sagte er. »Hier ist keine Gefahr mehr für uns. Wir find seit einer Viertelstunde im Preußischen.«
»Du bist ein Allerweltskerl!« riefen die Juden.
»Ihr seid also zufrieden mit mir?«
»Bis jetzt!« erwiderte der vorsichtige Schlom Bendix.
»So können wir jetzt von meiner Bezahlung sprechen. Wie viel Mann sind denn da?«
Der Marsch war für die schwerbeladenen Träger ein doppelt beschwerlicher gewesen. Sie lagen schon sämtlich an der Erde, auf oder neben ihrer Last.
Der Knabe zählte sie.
»Zwanzig Mann, Schlom Bendix«, kam er zurück.
»Hast Du Dich nicht verzählt, Bursche?«
»Sollen wir sie zusammen zählen?«
»Wozu? Wir sind auf dreißig Taler einig geworden.«
»Schlom Bendix, sehe ich aus wie einer, der sich betrügen lässt?«
»Betrügen, СКАЧАТЬ