Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
isbn:
»Nun, ein König schuldet einem alten tapferen General manche Verbindlichkeit, manchen Dank.«
»Vetter Aschen, der König kann keinem seiner Untertanen Dank oder dergleichen schulden. Alles, was ich bin, verdanke ich nur dem König.«
»Der König würde Ihnen dennoch für eine Bitte ein geneigtes Ohr leihen.«
»Ich habe den König nie um etwas gebeten. Es war Grundsatz bei mir.«
»Jeder Grundsatz hat seine Ausnahmen.«
»Niemals ohne Not, Vetter Aschen.«
»Zum Beispiel, könnten Sie wohl den König für jemand um ein paar Taler bitten?«
»Um Geld gar, Vetter?«
»Für einen armen Teufel. Er ist Schulmeister drüben, schon alt, kränklich, hat einen lahmen Fuß, das ganze Jahr nicht mehr als fünfzehn oder sechzehn Taler Einkommen und die Erlaubnis, bei den Bauern herumzufragen, ob sie ihm gegen das Verhungern ein Stück Brot geben wollen.«
»Die Gemeinde muss ihm seinen Gehalt erhöhen, Vetter Aschen.«
»Die Gemeinde ist selbst arm.«
Der General zuckte die Achseln.
»Der Mensch heißt Hausmann«, sagte der Domherr.
»So?« sagte gleichgültig der General.
Der Name Hausmann mochte ihm zu hundert Malen vorgekommen sein.
»Er war Soldat, Vetter Steinau.«
»Man macht oft Invaliden zu Schulmeistern.«
»Er war sehr jung eingestellt, noch zu jung. Vom Tragen der Muskete wurde er schief.«
Der General wurde aufmerksam Eine alte Erinnerung schien in ihm emporzutauchen.
»Das Bein war ihm gekrümmt«, fuhr der Domherr fort.
Der General wurde unruhig.
»Man ließ es ihm zerbrechen, um ihn für die Armee zu konservieren.«
Dem General trat der Schweiß auf die Stirn.
»Der Musketier Hausmann war ein hübscher, großer Mensch, maß über sechs Schuh —«
»Vetter Aschen«, sagte der General, »in welcher Absicht erzählen Sie mir die Geschichte?«
»Hm, Vetter Steinau, um Sie und den König für den Mann zu interessieren. Von sechzehn Talern kann er nicht leben. Wenn aber der König ihm eine Pension von nur monatlich zwei Talern dazu gäbe, so wäre der Mann glücklich wie ein Gott in Griechenland. Die griechischen Götter hatten es bekanntlich gut in der klassischen Zeit. Für unsere Dorfschulmeister ist keine klassische Zeit heuer.«
Der General stand in Nachdenken.
»Nun, Vetter Steinau? Oder soll ich — der Mann ist hier — ihn selbst zu Ihnen schicken?«
»Nein«, sagte der General.
»Oder finden Sie es besser, dass er sich unmittelbar an den König wende?«
»Vetter Aschen, Sie sind — Ich werde den König sprechen.«
»Und der Schullehrer Hausmann wird die Pension bekommen?«
»Ja!«
»Ich danke Ihnen im Namen des Mannes, Vetter Steinau. Und nun gehen wir zu der Kranken.«
Sie gingen in das Haus. Der General musste sich doch sammeln. Er suchte sein Zimmer auf.
Der Domherr begab sich zu der Kranken.
Gisbertine und die Frau Friedrichs waren bei dieser.
Die Kranke lag still, mit geschlossenen Augen.
»Sie liegt schon lange so«, flüsterte Karoline dem Domherrn zu. »Sie bewegt sich nicht, sie verlangt nichts, sie spricht kein Wort. Und doch schläft sie nicht. Es macht mich besorgt.«
»War der Leibarzt kürzlich hier?« fragte der Domherr.
»Vor einer Stunde. Er konnte nichts sagen. Der spätere Abend müsse die Entscheidung bringen, ob heftiges Fieber eintrete oder nicht. Er werde in einer Stunde wiederkommen.«
»So wird er bald da sein. — Was macht Gisbertine?« fragte der Domherr dann leise. »Weiß sie, dass auch Gisbert sich schlagen muss?«
»Nein.«
»Sage es ihr auch ferner nicht.«
»Onkel Florens, das Herz ist mir doch recht schwer.
Hast Du keine Nachricht von den Duellanten?«
»Vielleicht ist in diesem Augenblicke alles vorüber.«
»Und wenn einer geblieben wäre? Gisbert oder Becker? Ich weiß nicht, was entsetzlicher wäre!«
»Wo ist Henriette?« fragte der Domherr.
»Sie besorgt etwas für die Kranke.«
»Und wie steht es um ihren Mut?«
»O, Onkel Florens, ich kann sie nicht ohne Rührung und ohne Erhebung ansehen. Sie ist still, fast wie die Kranke dort. Ihr Herz schlägt gewiss in banger Sorge, aber es zittert nicht. Ein wunderbar fester und sicherer Mut, ein edler Stolz stärkt und stählt es ihr. Sie wäre eine echte Soldatenfrau, denke ich mir. Dabei vergisst, übersieht sie nichts; sie ist die Aufmerksamkeit selbst, für die Kranke, für uns. Ich hätte die Kraft nicht.«
»Du hättest sie auch, wenn es sein müsste, Karoline.«
Der Leibarzt trat in das Zimmer.
Er ging an das Bett der Kranken, lauschte ihrem Atem, legte leise seinen Finger an ihren Puls.
Die Kranke schlug die Augen auf.
Der Arzt untersuchte noch zwei Minuten still, ohne ein Wort zu sprechen.
»Madame«, sagte er dann, »Sie sind gerettet. Die Krisis ist vorüber. Sie war lang und schwer.«
Die Kranke lächelte ihm dankend zu mit einem klaren Blick ihrer Augen.
Karoline fiel weinend Gisbertinen in die Arme.
»Hm, Gisbertine«, sagte der Domherr, »auch Du weinst?«
»Und ich habe vielleicht nie in meinem Leben glücklichere Tränen geweint, Onkel Florens.«
»Ein gutes Herz hattest Du ja immer, trotz alledem.«
»Ist es Dein Ernst, Onkel? Im und am Krankenbett lernt man sein Herz kennen. Und, Onkel Florens, ich erschrak in den letzten Tagen vor dem meinigen.«
»Das СКАЧАТЬ