Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
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In dem Garten saßen die vier Kavallerieoffiziere noch beisammen. Sie waren sehr still. Die Begegnungen des Grafen Thalhausen zuerst mit dem Kellner, der zum Offizier geworden war, und dann mit dem Freiherrn von Aschen beschäftigten sie noch.
Als der General von Steinau sie sah, wurde er etwas verlegen. Die Offiziere waren in Uniform; auch er war es. Da durften sie ihn nicht ignorieren, sie mussten sich ihm vorstellen, sich bei ihm melden, wie es heißt. Aber er konnte nicht mehr zurück. Der Domherr hatte ihn wohl absichtlich in die Nähe der Herren geführt.
Die Offiziere kannten den General.
Sie standen auf, zu ihm zu gehen.
Der General ging ihnen höflich entgegen.
Sie meldeten sich bei Seiner Exzellenz.
»Vetter Steinau«, sagte der Domherr, »wollen Sie mir nicht die Ehre erweisen, mich den Herren vor zustellen?«
»Mein Vetter, Domherr Freiherr von Aschen«, stellte der General den Domherrn vor.
Den Offizieren wurden die Gesichter etwas lang und leserlich zugleich.
»Teufel, dieser Domherr ist der Oheim des jungen Freiherrn von Aschen, der vor einer Viertelstunde hier war, und dieser junge Freiherr ist mit dem General noch näher liiert!«
»Hm, lieber Vetter Steinau«, sagte der Domherr, »es wird Ihnen Freude machen, zwischen Ihren Herren Kameraden Platz zu nehmen.«
»Exzellenz würden uns eine große Ehre erweisen«, mussten die Offiziere sagen.
Ihre Gesichter mussten eine andere Lesart verbergen: »Hole der Teufel den verdammten Pfaffen!«
Der General konnte die Einladung nicht ausschlagen.
Er setzte sich mit dem Domherrn an den Tisch der Offiziere.
»Die Herren kommen von Hofgeismar hierher?« fragte der General.
»Zu Befehl, Exzellenz.«
»Werden Exzellenz ebenfalls das Bad besuchen?«
»Ich werde mich vorher noch einige Tage hier aufhalten.«
»Es ist hier so wunderbar reizend, Exzellenz —«
»Ja«, sagte der General.
»Wir führen auch eine teure Kranke bei uns«, sagte der Domherr, »deren Zustand sich plötzlich so sehr verschlimmert hat, dass wir einen gezwungenen Aufenthalt hier nehmen mussten.«
»Eine teure Anverwandte, Exzellenz?« fragte der Herr von Homberg, der alles wissen musste.
Der General wurde rot. Er wollte dem Domherrn einen zornigen Blick zuwerfen; er durfte nicht noch mehr seine Verlegenheit verraten.
Einer Antwort, nach der er suchte, kam der Domherr zuvor.
»Keine Anverwandte«, sagte er, »aber die Gattin eines braven Offiziers, der unter dem Herrn General gedient hat.«
Da keine weitere Auskunft erfolgte, durfte der Herr von Homberg nicht weiter fragen.
Der Domherr aber hatte eine Frage an den General.
»Vetter Steinau, wer brachte Ihnen heute Morgen Ihren Kaffee?«
»Der Kellner. Louis heißt er, wie ich glaube.«
»Ist Ihnen an dem jungen Mann nichts aufgefallen?«
»Er ist ein hübscher, gewandter Mensch. Er hat mir gefallen.«
»Wissen Sie, wie er zum Kellner geworden ist?«
»Wieso, Vetter Aschen?«
»Er war Offizier.«
»Offizier?«
»Er ist es noch.«
»Vetter Aschen!«
»Er ist auch Ritter des Eisernen Kreuzes.«
Der General fuhr auf, als ob ihn eine Wespe gestochen habe.
»Er wäre also preußischer Offizier?«
»Vetter Steinau, erinnern Sie sich eines Freiwilligen Becker, den der alte Blücher auf dem Schlachtfelde von Ligny zum Offizier ernannte? Der junge Mann hatte ein ganzes Bataillon vom unvermeidlichen Untergange gerettet.«
»Vetter Aschen, was soll das? Jener Offizier ist doch nicht —«
»Antworten Sie mir, Vetter Steinau, wenn ich bitten darf. Erinnern Sie sich jener Tat?«
»Ja, ja.«
»Und hätten auch Sie, wenn Sie der General des jungen Freiwilligen oder Unteroffiziers gewesen wären, ihn zum Offizier gemacht?«
»Auf der Stelle. Es war eine Tat des Mutes und der Ehre, die nicht geringer belohnt werden konnte. So sah es auch die ganze Armee an.«
»Der Kellner Louis ist jener Offizier.«
Der General fiel, knickte zusammen. Das Gesicht wurde ihm leichenblass; die Augen starrten wie verglast; die Arme hingen ihm schlaff herunter. Er saß da wie ein gebrochener Mann.
»Ein so braver Offizier und — Kellner! Wenn das der König wüsste!«
»Der König —« platzte der Domherr los.
Aber er schwieg. Es war wohl noch nicht Zeit für ihn, das vorzubringen, was er auch vom König wusste.
»Aber, Vetter Steinau«, sagte er, »ich muss Ihnen noch erzählen, wie der Lieutenant Becker zum Kellner geworden ist.«
Der General hatte sich von der Lähmung erholt, die der Schreck ihm über Geist und Körper gebracht hatte.
»Schweigen wir von der Geschichte, Vetter Aschen, die gar zu betrübend, die empörend ist.«
Der Offiziere hatte sich eine kaum zu beschreibende Verlegenheit bemächtigt, als der Domherr von der Heldentat des Kellners in der Schlacht von Ligny begann.
Die letzten Worte des Generals brachten Triumph in ihre Blicke.
Aber sie kannten den Domherrn von Aschen nicht.
»Vetter Steinau«, sagte der Domherr, »jede Sache hat außer ihrer Schattenseite auch eine Lichtseite, und ein altes deutsches Sprichwort sagt: ‘Eines Mannes Rede ist keine Rede; man soll sie hören alle beede’. Einen preußischen Offizier, den der alte Feldmarschall auf dem Schlachtfelde zum Offizier ernannt und dem sein König dann einen Orden verliehen, den soll kein anderer preußischer Offizier einseitig verdammen, und wollte das einer, der nicht Offizier ist, so sollten seine Kameraden für ihn eintreten, bis ihnen ein strenger Beweis seiner Schuld geliefert worden ist.«
»Bedarf es hier noch eines solchen Beweises?« rief der General.
»Aber des Gegenbeweises, Vetter Steinau.«
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