Название: Nuancen der Lust
Автор: Lilly Grünberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783942602679
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Ungläubig starrte Steffen seinem Freund in die Augen und legte die Gabel mit dem vorbereiteten Bissen auf dem Teller ab. »Moment mal, Marvin – willst du mir jetzt gerade erklären, dass du weißt, um was es geht? Hast du so was schon mal gemacht oder bist du einfach neugierig?«
Marvin schmunzelte vergnügt. »Mehr als einmal. Ein äußerst erquickliches Spiel, wenn sich dafür die richtigen Partner finden. Ich denke, ich weiß, was deine Kundin braucht.«
Steffen starrte ihn einige Sekunden lang sprachlos an. »Okay, erklär’s mir.«
Als Marvin sich am darauffolgenden Abend mit Steffen vor der Tür des Studios traf, trug er eine Maske, die sein Gesicht bedeckte. Solange er nicht wusste, wer Eva war und ob er ein Problem damit haben würde, ihr womöglich im Alltag über den Weg zu laufen, solange würde er Inkognito bleiben. Zwar sollte sie seine Anwesenheit überhaupt nicht wahrnehmen, aber es schadete nicht, ein wenig vorsichtig zu sein. Bisher beschränkten sich seine Informationen auf das, was Steffen ihm erzählt hatte: Anfang dreißig, Inhaberin eines erfolgreichen Dessousgeschäftes, das hauptsächlich exklusive Marken im Sortiment hatte, und darüberhinaus selbst Designerin einer kleinen aber feinen Dessousmarke.
Beim Studio handelte es sich um einen einzelnen, etwa vierzig Quadratmeter großen Raum in einem umgebauten Fabrikgebäude, mit Kochnische und Nasszelle. Die meisten der anderen Räume wurden von kleinen Firmen genutzt und nach Ladenschluss verlassen. Dann war es in dem riesigen Areal zum Fürchten, so einsam fühlte man sich darin. Andererseits musste man sich nicht sorgen, durch ungewöhnliche Geräusche auf sich aufmerksam zu machen.
Die Studiotür war nur angelehnt, Steffen wurde bereits erwartet. Marvin nickte ihm verschwörerisch zu und ließ den Freund vorausgehen. Es war nicht zu übersehen, dass er nervös und angespannt war. Sein Lächeln wirkte aufgesetzt und unter seinem rechten Auge zuckte ein Nerv. Warum hast du dir nicht einen anderen Nebenjob gesucht oder mich um Hilfe gebeten, dachte Marvin.
»Hi, da bist du ja.« Die Frauenstimme klang angenehm und weniger streng, als Marvin aufgrund von Steffens Beschreibung vermutet hatte.
»Möchtest du ein Glas Wein, Liebster?«
»Vielleicht später. Zuerst werde ich dich dafür bestrafen, dass du mich gestern angerufen hast.« Steffen hielt sich exakt an den abgesprochenen Text. Allerdings klang es sehr einstudiert. Ein Klaps auf nackter Haut war zu hören. »Heute werde ich keine Gnade kennen. Es wird Zeit, dir zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Stell dich ans Kreuz!«
Lag ein Zittern in seiner Stimme? Es war schlichtweg lächerlich, sich Steffen als Dom vorzustellen. Seine anderen Kundinnen wollten nur normalen Sex, hatte er erzählt. Was man landläufig unter normal verstand. Blümchensex. Manche wollten nicht einmal mit ihm schlafen, sondern waren wohl einfach nur so einsam, dass sie jemanden buchten, der Zeit hatte, sich mit ihnen zu unterhalten. Und diese Eva wollte nach seiner Aussage hart rangenommen und verprügelt werden. Er hatte doch tatsächlich »verprügelt« gesagt. Bei dem Gedanken daran schüttelte sich Marvin innerlich. Alleine das hatte ihn schon sehr nachdenklich gestimmt. Irgendetwas lief da vollkommen schief.
Vorsichtig spähte er um die Ecke. Seit ein paar Stunden schwirrte eine Idee in seinem Kopf herum, wie er Steffen helfen könnte. Doch dazu musste er sich erst einmal ein Bild von der Situation machen. Und von der Frau.
Noch war Steffen damit beschäftigt, Eva ans Andreaskreuz zu fesseln. Marvin hörte, wie er Befehle murmelte. Der ganzen Aktion fehlte vollkommen die prickelnde Stimmung, um sie für das Opfer zu einem erfüllenden Erlebnis zu machen. Warum gab sich die Kundin damit zufrieden? Hatte sie keinen anderen gefunden, der ihr Verlangen besser befriedigte?
Erst als Eva eine blickdichte Augenmaske trug, schlich Marvin sich in den Raum. Vorsichtig stellte er seine Schuhe ab und legte seine Jacke über einen Stuhl, darauf bedacht, durch keinerlei Geräusche auf sich aufmerksam zu machen. Dann sah er Eva und war angenehm überrascht. Sie war schöner, als Steffen sie beschrieben hatte. Keine magere Hungerharke, aber auch nicht zu dick. Einfach mit fraulichen Rundungen an den richtigen Stellen und einem wohlgeformten Busen, der sein Herz höher schlagen ließ. Ihre braunen Locken fielen bis auf ihre Schultern herab. Im selben Augenblick war ihm klar, er musste ihr helfen, zumal ihre gesamte Körperhaltung Anspannung verriet. Sie suchte eine Befriedigung, die sie von Steffen niemals erhalten würde.
Während Marvin leise näher ging, schaute er sich im Raum um.
Wände und Decke waren pechschwarz gestrichen und wirkten erdrückend, obwohl der quadratische Raum eigentlich recht groß war. Die einzigen Akzente waren ein leuchtend rot lackierter Türrahmen und rote Vorhänge vor den hohen Industriefenstern. Aus der abgehängten Decke warfen Spots in gleichmäßigen Abständen mit kaltem Licht runde Punkte auf den Fußboden aus schwarzem Linoleum, der seine Schritte dämpfte. Für seinen Geschmack war es überflüssig, eine derart finstere, kühle Gestaltung zu wählen. Sollte der Eindruck einer Folterkammer entstehen? Dann hätte er allerdings noch einen Käfig und eine Schandgeige aufgebaut.
Ein Drittel des Raumes wurde durch eine Sitzecke mit Sesseln und einem roten Kunstledersofa, ein Sideboard aus schwarzem Klavierlack sowie durch eine Stereoanlage eingenommen. An den Wänden darüber hingen großformatige Schwarzweißfotos von Akten. Nichts besonderes, einfach nur eine Dekoration, um die Wandflächen zu gliedern.
Der größere Teil des Raumes diente dem Spiel und wurde von Strafbock und Andreaskreuz dominiert. Die Türen eines deckenhohen Schrankes standen offen. Schubladen waren herausgezogen und an der Innenseite einer Tür warteten verschiedene Rohrstöcke in einer Halterung auf ihren Einsatz.
Steffen schaute Marvin fragend an. Wie geht’s jetzt weiter? Stumm gab Marvin ihm ein Zeichen, dass er zunächst den Inhalt der Schubladen nach brauchbaren Utensilien inspizieren wolle. Eva durfte jedoch auf keinen Fall bemerken, dass sich außer Steffen noch jemand im Raum befand.
»Musik!«, forderte er tonlos. Steffen verstand. Kurz darauf erfüllte laute Popmusik den Raum. Nicht unbedingt Marvins Geschmack, aber besser als nichts. Wenigstens gaben die kleinen Lautsprecher, die an der Wand hingen, einen ordentlichen Sound von sich.
Die Schubladen enthielten übliche SM-Artikel wie Klammern, Handschellen, Knebel, Augenklappen, Wachskerzen und Hundehalsband.
»Was ist jetzt, Steffen?«, nörgelte Eva ungehalten und drehte den Kopf hin und her. »Ich bezahle dich nicht dafür, dass du nur herumstehst.«
Aha, obwohl sie die unterlegene Rolle freiwillig einnahm, wollte Eva diejenige sein, die den Ablauf bestimmte. Das war nicht im Sinne des Spiels und würde sie bestimmt nicht glücklich machen, war aber wohl Steffens unentschlossener Handlungsweise zuzuschreiben. Marvin drückte ihm ein Paddel in die Hand und versuchte ihm zu soufflieren, was er damit machen und zur Kundin sagen sollte. Sein Freund zuckte jedoch nur fragend die Schultern.
Du wirst warten, bis du dran bist. Es steht dir nicht zu, etwas zu fordern!
Steffen wirkte weiterhin ratlos und Marvin verdrehte die Augen. Wieso war sein Freund denn so begriffsstutzig? Entschlossen nahm er ihm das Paddel wieder aus der Hand und strich Eva damit über die Arme, die Brüste, den Bauch und die Beine. Ihr mürrischer Gesichtsausdruck entspannte sich. Okay, dann werden wir mal.
Marvin gab seinem Freund ein Zeichen, dass er es sich in der gegenüberliegenden Sitzecke gemütlich machen und leise sein solle. Steffen СКАЧАТЬ