Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ hab ich es wieder gehört, ich meine, ich weiß nun so sicher, was dann kommen würde. Ich weiß nicht, woher ich diese Sicherheit habe ... Aber, was sprechen wir darüber ... Was macht mein großer Sohn?

      – Er war sehr unruhig heute. Lief und schrie, und als ich ihn fragte, warum er so schreie, antwortete er: Ich muß, ich muß!

      – Sonderbar! Falk ging nachdenklich auf und ab. Das Kind ist doch ganz merkwürdig nervös. Ja, er wird sicher ein Genie werden; alle Genies haben heiße Köpfe und kalte Füße ... Ha, ha, ha. Ihm müßte wohl auch eine kleine Hirnpartie ausgeschnitten werden ... Ich glaube, jeder Mensch hat da eine Partie, die beseitigt werden müßte, ja, ja – dann würden wir Alle sicut Deus werden ... Aber sag mal, Isa: so ein Genie ist doch ein sonderbares Tier, so wie ich zum Beispiel. Sieh mich doch an: bin ich etwa nicht ein Genie? He, he, he ... Nun ist die menschliche Rasse so degeneriert, auf fünfhundert Millionen sind vierhundertneunundneunzig Cretins und Idioten. Sollte da nicht ein Genie die Verpflichtung haben, die Rasse zu verbessern?

      – Wodurch?

      – Nun natürlich dadurch, daß er möglichst viele Kinder mit möglichst vielen Weibern zeugte.

      – Aber Du hast ja gesagt, daß die Kinder von Genies Idioten werden.

      Falk lachte.

      – Ja, Du hast ein fabelhaftes Gedächtnis, aber interessant wäre es für unsern Janek, später einmal an lebenden Exemplaren die Eigenschaften zu studieren, die sein großartiger Herr Papa hatte. In den eventuellen hundert Kindern, die ich an den eventuellen hundert Stellen haben könnte, müßten sich ja die hundert liebenswürdigen Eigenschaften, deren ich mich erfreue, vererben.

      – Nun faselst Du, lieber Erik.

      Isa kleidete sich langsam aus und machte sich das Haar auf.

      – Nun gute Nacht, Isa. Ich will noch heute arbeiten.

      – Erik, ich habe Angst. Geh noch nicht.

      – Sei doch kein Kind ... Ich habe ja nur darüber gesprochen, weil ich es vielleicht schreiben werde. Denk an mich, dann wirst Du die Angst vergessen.

      – Komm, küsse mich.

      – Nein, ich will Dich nicht küssen. Du bist so verwirrend schön, und ich muß arbeiten ... Gute Nacht.

      IV.

       Inhaltsverzeichnis

      Falk trat in sein Arbeitszimmer, setzte sich vor den Schreibtisch hin, stützte seinen Kopf in beide Hände und stöhnte laut auf.

      Seine ganze Ruhe, die er so mühsam Isa gegenüber bewahrt hatte, war verschwunden und wieder fühlte er das Pochen und Bohren seiner Qual. Die Unruhe ringelte sich wie ein spitzer scharfer Trichter in sein Rückenmark hinein, ein Gefühl, als müsse er nun auseinanderfallen, wuchs schäumend in ihm empor; er sprang auf, setzte sich wieder hin, er wußte sich keinen Rat.

      Es war ihm, als müßte nun Alles um ihn her einstürzen, zusammenbrechen, einsinken; er fühlte eine Orgie von Zerstörungs- und Untergangsekstase um sich her.

      Und die schwüle Hitze der Sommernacht erdrückte ihn, breitete sich stickig in seiner Lunge, er wurde so empfindlich, daß er kaum atmen konnte.

      Er riß das Fenster auf und fuhr fast entsetzt zurück.

      Der Himmel! Der Himmel! So hatte er ihn nie gesehen. Es war, als hätte er plötzlich die astronomische Distanz wahrgenommen. Er sah die Sterne, als wären sie in eine millionenmal weitere Entfernung gerückt, größer, feuriger, wie riesige, gangränöse Brandflecken. Und der Himmel kam ihm so entsetzlich lebendig vor ... Schweiß trat ihm auf die Stirn, und die Augen fühlte er schmerzhaft hervorquellen.

      Da faßte er sich wieder.

      Und in einem Momente stürzte auf ihn sein ganzes Leben mit einer visionären Deutlichkeit. Eine Periode wickelte sich nach der andern mit rasender Schnelligkeit ab. All das Furchtbare, Entsetzliche seines Lebens: ein Untergang nach dem andern, eine Zerstörung nach der andern ... So hatte er sein Leben nur einmal gesehen, ja, damals, als er das arme Kind, diese Taubenseele von Marit zerstört hatte ... huh, Marit, das war das Scheußlichste. Diese zwecklose Zerstörung, dieser Mord ...

      Er kam plötzlich zum Bewußtsein und lachte boshaft.

      Zum Teufel! Bin ich denn senil geworden? Was geht mich ein Mord an, den die Natur begeht? Ha, ha, ha ... Daß sie die Liebenswürdigkeit hatte, sich zufällig meiner Wenigkeit als eines Mordinstrumentes zu bemächtigen, dafür sollte ich nun leiden!? Nein! nein! das geht nicht.

      Er kam in Hitze.

      Verehrtes und von mir speziell hochgeschätztes Publikum – beiläufig gesagt, hätt ich keine üble Lust, Euch Allen auf die Köpfe zu spucken, aber das darf ich nur in Parenthese – Gott wie geschmackvoll! Also unglaublich hochgeehrtes Publikum: ich lehre Euch einen neuen Kniff, einen ungemein nützlichen Kniff ... Es ist eine Entschleierung, ein Desavouement, ein neues Testament, ein neues Erlöserheil ... Am Anfang war die pfiffige, boshafte, teuflische Natur ... Man hat Euch gesagt, sie sei gewaltig, unbekümmert, kalt und stolz, sie sei weder gut noch schlecht, sie sei weder Dreck noch Gold ... Lüge, verehrtes Publikum, infame, lächerliche Lüge! Die Natur ist boshaft, raffiniert boshaft, verlogen, hinterlistig ... das ist die Natur! He, he, he ... Natürlich sperrt das verehrte Publikum seine Kauwerkzeuge auf, als ob ein vierspänniger Heuwagen einfahren sollte ... Ein geriebener Schlaumeier ist die Natur, ein boshafter, schurkischer Teufel ... Was bin ich? Weißt dus? Weiß er es? Natürlich! Die Individualisten, die klugen Leute, die sich da in die Brust werfen und schreien: Ich bin Ich! O, die wissen es ... die Individualisten!

      Falk lachte höhnisch auf.

      Ich bin nichts, ich weiß auch nichts! O! es ist furchtbar! Furchtbar ist es! Nicht wahr, Isa? Du bist die Einzige, die das Furchtbare zu würdigen versteht ... Ich sehe, daß sich meine Bewegungen zu Handlungen kombinieren, ich höre mich reden, ich fühle gewisse Vorgänge in den Geschlechtsorganen, und eine Tat ist vollbracht! Was ist geschehen? Ein Unglück ist geschehen! Hi, hi, hi, hört Ihr den Teufel grinsen? Wer hat es gemacht? Ich?! Ich?! Wer bin ich? Was bin ich?

      Er kam in ein Verzweiflungsfieber.

      Ich habe es nicht gemacht! Mein Gott, wie kann ich etwas hindern, das schon lange in mir vorbereitet war und nur auf eine Gelegenheit wartete, um hervorzubrechen und unter seiner Lava Alles zu begraben! Wußt ich etwas davon? Kann ich hindern, daß sich ein Blick in meine Seele senkt und dort Kräfte wachruft, Kräfte, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte? Und dafür, daß etwas Unbekanntes in mir ein Unglück angestiftet hat, soll ich büßen, dafür soll ich von meinem Gewissen gefoltert werden?

      Liebe Natur, versuch deine boshaften, tückischen Kunstgriffe an anderen Menschen; ich kenne zu gut deine Kniffe und Schliche – nein! mich zu quälen, gelingt dir nie – nie!

      Er schenkte sich ein großes Glas Kognak ein und leerte es auf einen Zug.

      Wie wundervoll Der die Sache ausgeklügelt hatte! Er wird zu meiner Isa gehen und ihr einfach sagen: Gnädige Frau, Ihr Mann ist ein Schurke, er hat mit einem fremden Weibe den Anstoß zu einer neuen genealogischen Linie, zu einer unechten Falklinie gegeben. Sie, gnädige Frau, werden sich natürlich von ihm scheiden lassen, damit Ihr Gemahl das Mädchen heiraten kann, wodurch СКАЧАТЬ