Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ lieber Czerski, es fällt mir gar nicht ein, zwei echte Linien zu haben.

      Nun, dann werd ichs trotzdem Ihrer Gemahlin sagen, denn ich will Sie von der Lüge befreien, ich bin ein Tolstoj, ein Björnstjerne-Björnson, ich kämpfe für die Wahrheit ...

      Aber, lieber Czerski, verstehen Sie nicht, daß die beiden Herren senile Philosophen sind, verstehen Sie nicht, daß die Wahrheit zu einer blödsinnigen Lüge wird, sobald sie Menschen zerstört? Verstehen Sie nicht, daß es mir ein unendliches Glück wäre, zu Isa zu gehen und ihr Alles zu sagen, verstehen Sie nicht, daß mir diese Lüge eine unendliche Qual bereitet, aber die Wahrheit mir noch eine tausendmal größere bereiten, und außerdem noch Isa zerstören würde? Verstehen Sie nicht, daß Wahrheit in diesem Falle eine Idiotie, ein Blödsinn, eine ekelhafte Grausamkeit wäre?

      Das verstehen diese bornierten Gehirne natürlich nicht. Und das Unheil wird kommen. Isa? Ja, Isa wird gehen. Das ist sicher. Sie wird einfach verschwinden ... nein, sie wird mir noch die Hand zum Abschied reichen, nein – vielleicht nicht, weil ich sie durch die Andere beschmutzt habe. Ja, ganz so wird sie sagen ... Aber was dann, was dann?

      Er zerbrach sich den Kopf als müßte er notgedrungen den Stein der Weisen finden.

      Seine Knie waren schwach geworden, er fiel erschöpft auf das Sofa hin.

      Es war zweifellos. Das Andere in ihm hatte ihn zu Grunde gerichtet. Er fühlte sich endlos erschlafft, schwach und machtlos:

      Die Macht der Umstände haben den wissenden Herrn Falk vernichtet, eben weil er wissend war. Aber wenn Herr Falk zu Grunde geht, so ist es doch ganz anders, wie wenn z. B. sich die kleine Marit ins Wasser wirft, weil sie sich nicht dazu hergeben wollte, Mutter einer Falkschen Seitenlinie zu werden. Es ist roh gedacht, sehr roh, aber diese Roheit tut weh, und das ist ein Genuß ... Aber ja, geht Falk zu Grunde, so kann er es kontrollieren, den Zusammenbruch von Etappe zu Etappe verfolgen, notieren, registrieren ...

      He, he, he ... die Natur hatte er nun gründlich entschleiert. Das Gewissen hatte er auch gänzlich überwunden ...

      Wollen Sie wissen, weswegen, Sie Wahrheitsfanatiker? Sperren Sie nur Ihre Ohren gut auf, damit Sie den unsagbaren Umfang Ihrer Dummheit einigermaßen übersehen ... Hören Sie nur auf meine Gründe, auf die Gründe des Wissenden, der die Natur entschleiert hat.

      Die Natur zerstört. Gut, sehr gut! Um zu zerstören, bedient sie sich verschiedener Mittel und zwar erstens der sogenannten Naturgewalten. In diese Kategorie entfallen ihre Gemütsblödigkeiten in Form von Blitzen, Stürmen, Wasser- und Windhosen u. s. w., u. s. w.

      Zweitens hat sie sich als ein ganz hervorragend wirksames Mordmittel die Bazillen auserkoren, eine prachtvolle und unglaublich schurkische Erfindung ...

      Drittens, nein! kein Drittens! Ich bin kein Klassifikator, ich bin Philosoph, folglich überspringe ich eine niedliche Anzahl von den niedlichsten Mord- und Marterwerkzeugen, wogegen die krampfhafteste Erfindungssucht der Inquisition zahm und vor Gott wohlgefällig erscheinen muß, und gehe sogleich zum Menschen über ...

      Der Mensch! Erlauben Sie nur, daß ich tief Atem schöpfe, meine trockene Kehle mit Kognak erfrische und ein wenig Nikotin meinem Magen zuführe.

      Also der Mensch! Homo sapiens in der Linnéschen Systematik: ein selbsttätiger Apparat, versehen mit einer Registrierungs- und Kontrolluhr in Form des Gehirnes!

      Wunderbar!

      Jetzt, bitte, hören Sie nur gut zu. Ich setze mein Evangelium fort, mein großes Erlösungswerk.

      Die Natur hat sich ihrer ewigen, zwecklosen Morde geschämt. Die Natur ist verlogen und feig, sie wollte die Schuld für ihre zwecklosen Morde von sich abwälzen und hat dem Menschen ein Gehirn gegeben.

      Wissen Sie, was ein Gehirn ist?

      Ein sehr schlechter, ausrangierter, unbrauchbarer Apparat. Denken Sie sich einen schlecht funktionierenden Blutwellenschreiber. Er wird das Steigen und Fallen des Pulses natürlich aufschreiben, aber falsch, ganz falsch. Man wird nur daraus ersehen, daß ein Senken und Fallen vorhanden ist, aber nichts weiter. Sehen Sie, auf diese Weise erfährt auch das Gehirn, daß etwas in der Seele vorgeht, aber was? darüber erfährt es nichts. Kurz gesagt, wenn auch der Vergleich hinkt, und durchaus keinen Anspruch auf Exaktheit erhebt, das Gehirn wird betrogen und belogen und erfährt erst später, nachdem es Geschehenes summiert hat, daß es betrogen wurde.

      Aber damit ist die raffinierte Grausamkeit noch nicht zu Ende.

      Mit dem schlecht funktionierenden Gehirne ist noch ein niedliches Zeug von Gewissen verbunden, Jahrtausende lang daraufhin dressiert, Qual zu verursachen für die Sünden, die die Natur begeht.

      He, he, ein ganz unglaubliches Raffinement ...

      Aber auch damit ist die Sache nicht zu Ende.

      Durch einen eigentümlichen Kniff hat es die Natur dem Tölpel von Menschen eingebleut, daß es ein gewaltiger Vorzug sei, Gehirn und Gewissen zu haben.

      Denn was unterscheidet den Menschen vom Tiere?

      Der Mensch weiß, was er tut ...

      Falk horchte. Wird ihn nicht bald ein Lachkrampf überwältigen?

      Der Mensch hat das Gehirn bekommen, auf daß er den Gott scilicet die Natur erkenne, ihm für seine Wohltaten danke ...

      Nein! Ich muß aufhören. Sonst lauf ich wirklich Gefahr, Lachkrämpfe zu kriegen.

      Potz Tausend! Ist das ein raffinierter Schelmenstreich. Sich für das Gehirn bedanken zu lassen, und noch obendrein für das Gewissen, diesen schönen Misthaufen, auf dem die Natur ihre Schurkereien abladet.

      Nein, nein! Ich bedanke mich für das Gehirn, das Gewissen und dergleichen Wissensapparate. O, ich will lieber zum Bazillen hinabsteigen. Er zerstört ohne Qual und ohne Gewissensbisse.

      Der kluge Herr Professor, der dem Menschen den Übermenschen beibringen wollte! Nun! der müßte ja schon am zweiten Tage an seinem Überfluß von Gehirn und Gewissen zu Grunde gehen!

      Falk sah sich tatsächlich auf einer Bühne, das fand er durchaus nicht sonderbar, im Gegenteil: sehr angenehm. Er liebte es, bemerkt zu werden. Er hatte dann die Pose eines bedeutenden Menschen, nein, keine Pose: nur ein ganz natürliches Auftreten von einem bedeutenden Menschen, ganz so wie das Publikum einen bedeutenden Menschen zu sehen wünscht.

      Übrigens, verehrtes Publikum, begeh ich den Blödsinn, die Natur zu personifizieren, und das ist der erste Schritt zur Bildung eines Gottes. – Er kicherte. Des Gottes, ha, ha, ha, den das liberale, freisinnige Bürgertum abgeschafft hatte. Das freisinnige Publikum – o Gott, ich ersticke, – der deutsche Freisinn mit zwanzig Plätzen im Reichstag.

      Nein! Wie er sich köstlich amüsieren konnte!

      Er schrak plötzlich zusammen. Sonst pflegte er sich durch dergleichen Selbstgespräche zu beruhigen, zu vergessen, aber diesmal gelang es ihm nicht. Im Gegenteil: die Unruhe packte ihn von Neuem, überraschend, hinterrücks, mit neuer Heftigkeit.

      Aber zum Teufel, was denn? Was wird, was kann denn geschehen?

      Er mußte es absolut verhindern. Er durfte nicht zu Grunde gehen. Noch nicht. Nein, er mußte Czerski zurückhalten, ihm die ganze Sache ausführlich klar machen, mit Gründen belegen, mit unbesiegbaren Argumenten auseinandersetzen, daß er sich СКАЧАТЬ