Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays
Автор: Stanislaw Przybyszewski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027205639
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Falk bebte.
– Ich sah sie heut den ganzen Abend an, ich bewunderte Sie und war glücklich und fühlte Sie ganz nah bei mir ... bei mir.
Er preßte sie noch fester an sich, seine Stimme keuchte fast.
– Marit, ich liebe dich; ich ...
Seine Hand umschlang die ihre. Sie fühlte, wie heiße Ströme in sie übertraten.
– Ich bin nur deinetwegen hergekommen; ich lag da in Paris und sehnte mich wie verrückt nach dir; ich mußte kommen. Und jetzt weißt du; jetzt habe ich eine krankhafte Lust, dich auf meine Hände zu nehmen und an mein Herz so wild, so wild zu pressen und deine Brust an meiner atmen, dein Herz an meinem klopfen zu hören.
Sieh, Marit, mein Gold, mein alles; ich werde alles, alles für dich tun; du darfst dich nicht sträuben; du gibst mir ein unnennbares Glück; du gibst mir alles dadurch; sieh, ich habe so gelitten; mein süßes Mädchen, meine Sonne, gib mir das Glück!
Um sie beide herum flocht sich enger und enger die heiße, geschlechtliche Atmosphäre. Sie konnte kaum atmen.
– Ich war so maßlos unglücklich die ganze Zeit, weil ich dich so endlos liebe; niemals hab ich ein Wesen vor dir so geliebt.
Sie fühlte über sich zwei abgründige Augen wie zwei Sterne leuchten; in ihrem Kopf wurde es wirr, sie konnte nicht denken, verstand nur seine heißen, keuchenden Worte, die wie heiße Bluttropfen in ihre Seele niederfielen und über sich sah sie zwei abgründige Sterne, die sie lenkten und zogen und an ihr zerrten.
Sie fühlte, wie er sie umschlang, wie er ihren Mund suchte, und fühlte seine heißen, fiebernden Lippen, wie sie sich in ihre Lippen saugten.
Sie sträubte sich nicht mehr; ihre ganze Seele warf sich in den einen Kuß, sie umschlang ihn. Es war wie ein Jauchzen, das mit wilden Sprüngen über einem Abgrund tanzt. Sie küßte ihn.
Falk hatte diese wilde Leidenschaft nicht bei ihr vermutet. Eine heiße Dankbarkeit stieg in ihm auf.
– Du wirst mein sein, Marit; du wirst es ... wirst ...
Ja, das mußte wohl sein ... sie fühlte es, das mußte sein ... die Augen, die furchtbaren Augen über ihr ... und die Stimme ... es klang wie ein Befehl.
Nur laß mich –jetzt – laß mich – zur Besinnung – laß ...
Sie gingen wieder schweigend neben einander, zitternd, mit verhaltenem Atem.
– Du wirst mein sein?
– Wie, wie? Was?
Falk schwieg.
Den Rest des Weges sprachen sie kein Wort.
An der Gartentür reichten sie sich stumm die Hände.
IX.
Falk ging.
Er blieb auf dem Wege stehen.
Ob er nicht zurückkehren solle, sie auf seine Hände nehmen und auf ihr Zimmer hinauftragen?
Ja: sie bitten, nur vor ihrem Bett kauern dürfen, mit ihr zusammen wilde Gebete stammeln!
Er prüfte sich plötzlich, ob dies wirklich ein unüberwindliches Verlangen in ihm sei oder nur die Absicht Marit neue Suggestionen seiner großen Leidenschaft zu geben.
Ja: ob er wirklich dies Verlangen habe? Oder sei es gar nur eine Autosuggestion?
Er prüfte sich und prüfte, aber er konnte wirklich nicht unterscheiden. Er hatte so viele Pläne geschmiedet, wie er sie erobern könnte, so viele Worte sich selber vorgesprochen, so viele Gefühle erdichtet und erlogen, daß er nicht mehr unterscheiden konnte, was echt daran und was – hm, ja, wie sollte er es nennen – künstliches Wachstum war.
Die Suggestionen, mit denen er auf sie einwirken wollte, wurden zu Realitäten, oder sie nahmen wenigstens die Formen realer Gefühle an. Die Worte, die er früher mit dem Gehirne erfunden hatte, bekamen jetzt geschlechtliche Wärme: er hatte so oft Gefühle gespielt, bis er sie tatsächlich in sich erzeugt hatte.
Ihm kam es vor, als hätten sich gewisse Gehirnstellen einen neuen Blutumlauf geschaffen. Warum denn komme sein Herz in diese Zuckungen, wenn er jetzt Liebesworte wiederholte, die er früher kaltblütig ohne die geringste Spur von seelischer Erregung hundertmal gesprochen hatte?
Falk verlor sich in psychologische Untersuchungen über die Form einer Liebe, die durch Autosuggestion erzeugt werde.
Er dachte nach, wie er sie schildern würde. Ja, er könne an nichts anderes denken, er müsse sein Gehirn beruhigen.
Also: er habe einen Auftrag von einer psychologischen Zeitschrift, ja. Zeitschrift für wissenschaftliche Psychologie. Wie werde er es nun klar machen?
Nun: ein oft wiederholter, im Gehirne wiederholter Zustand hat sich mit neuen Blutbahnen verknüpft, auf diese so lange eingewirkt, daß ein regelmäßiger Blutumlauf entstanden ist, und so wurde der Gedankenzustand zu einem sinnlichen Zustande.
Ja so; das würde wohl stimmen. Es wurde ein sinnlicher Effekt durch reine Gedankensuggestion erzeugt.
Er hörte einen Wagen dicht an ihm vorbei rollen. An den Seiten brannten Laternen, und er sah, wie der Wagen an einer scharfen Straßenkrümmung umbog. Dann sah er nur noch die Lichter sich in schnellem Laufe weiter bewegen; er verfolgte sie, bis sie in dem Wald verschwanden. Unwillkürlich mußte er an die Irrlichter des Torfstechers denken.
Dann sah er sich um. Dort lag Marits Haus. Ja, er könnte hineingehen. Vielleicht erwartete sie ihn. Vielleicht würde sie sehr glücklich sein, wenn er jetzt so plötzlich erschiene. Vielleicht geht sie im Park herum, um sich abzukühlen. Oder ist an den See gegangen, um sich auf den großen Stein zu setzen, auf dem sie Beide so oft zusammen saßen, ja; dicht an dem Graben, an der Schlucht, wo der Boden ringsherum so tief aufgerissen war.
Merkwürdig diese Schlucht; ob das wohl ein altes Flußbett sein könnte?
Nun ging er; blieb stehen; ging wieder. Sein Gehirn war sehr ermüdet; und doch diese eigentümliche Tendenz zu grübeln!
Wieder dachte er an den psychologischen Aufsatz.
Nein, das ließe sich wohl besser für eine Novelle verwerten. Also: der Mann hat diese autosuggestive Liebe. Bien, gut! Nun aber hat er nebenbei noch eine wirkliche Liebe, die er beständig fühlt, ja ganz so, wie man ein krankes Organ in seinem Körper fühlt.
Er liebt also gleichzeitig, das heißt er liebt beide. Nur: die eine ist zuerst ins Individuelle getreten und trat später ins Gehirn, die andre hat den umgekehrten Weg genommen, und das Urewige in unserm Helden fingt allmählich heftig an zu reagieren.
Ja, Falk fühlte deutlich, wie es reagierte; aber gleichzeitig empfand er eine СКАЧАТЬ