Gestalten der Wildnis. Sir Charles G. D. Roberts
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gestalten der Wildnis - Sir Charles G. D. Roberts страница 5

Название: Gestalten der Wildnis

Автор: Sir Charles G. D. Roberts

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066114022

isbn:

СКАЧАТЬ an der riesigen Rückenflosse, die nicht viel weniger als fünf Fuß hoch über dem breiten und massiven Schwanze über ihrem Rücken stand, an den beiden auffallenden weißen Streifen ihrer schwarzen Flanke und an der scharf gezeichneten Linie ihres milchweißen Bauches, der sorglos auf dem Rücken einer Welle ruhte. All dies waren Anzeichen von Gefahr, die kein Wissender übersehen hätte.

      Das Kalb der Orca hatte wenig Grund zur Sorge, solange es sich nahe seiner Mutter hielt. Denn dies schnellste und wildeste aller Waltiere fürchtete kein schwimmendes Geschöpf, höchstens ihren riesigen Vetter, den Pottfisch oder Pottwal. Nur zwanzig Fuß lang, attackierte und tötete sie durch die Wildheit ihres Angriffs sogar den großen Tranwal, den man den »richtigen« Wal nennt. Obwohl der viermal so lang ist und vielfach ihr Gewicht hat. Den Menschen hätte sie gefürchtet, doch hatte sie nie seine Macht kennen gelernt. Arm an Tran, hatte ihre Familie den Menschen nie zu einer so schwierigen und gefährlichen Jagd verlockt. Wohl gab es Haie, die ihr an Größe ebenbürtig waren oder sie übertrafen, aber kaum einen, der ihr an Wildheit, Schnelle und List gleichkam. So durfte sie in sorgenloser Behaglichkeit durch die glatte, unbewegte See faulenzen, gleichgültig gegen die Brandung an den gelben Klippen zu ihrer Rechten und die offene Weite des Ozeans zu ihrer Linken. Alle Aufmerksamkeit, die sie nicht auf die kindlichen Reize ihres Kälbchens verwandte, widmete sie der Aufgabe, die durchsichtigen Tiefen unter sich abzusuchen, denn dort verbarg sich der große Tintenfisch, ihre häufige Beute.

      Ganz plötzlich tauchte sie unter; es entstand kein anderer Laut, als das dumpfe Gurgeln des Wassers, das sich über ihr schloß. Tief unten in der Dunkelheit hatte sie einen blassen, trägen Körper erspäht. Es war ein See-Polyp, der töricht genug gewesen, sein Standquartier zwischen den Felsen auf dem Meeresgrund zu verlassen und fremde Jagdgebiete aufzusuchen. Bevor er Zeit gefunden hatte, auch nur an Flucht zu denken, war er in den mächtigen Kinnbacken des Mordwals. Einen Augenblick lang zitterten seine acht langen Fühlhörner verzweifelt und tasteten an die Lippen des Jägers. Dann verschwanden sie, das ganze Tier war mit einem Schluck vertilgt und verschwunden. Friedlich kehrte die Orca zum sonnenhellen Meeresspiegel zurück, zu ihrem ängstlichen Kalb, das nicht flink genug war, der Mutter auf ihrem Jagdzug zu folgen. Sie war nicht zwei Minuten lang abwesend gewesen und nicht einen Augenblick außer Gesicht, aber der Instinkt des Jungen traute dem milden blauen Element nicht, daß für ein Baby voll von Gefahren war.

      Der Polyp, obwohl ein stattlicher Geselle, hatte für den großen Mordwal nicht mehr bedeutet, als einen leichten Imbiß, nur den Erreger für seinen gewaltigen Appetit. Jetzt suchte das Auge der Orca lebhafter in den Tiefen. Auf einmal bekam die blau-grüne Tiefe des Wassers einen helleren, metallischen Schimmer, kaum dreißig Fuß unter dem Meeresspiegel erschien die weiße Linie eines Riffs und fing das Licht. Hier sonnte sich ein breites flaches Tier, das einem großen Pilz nicht unähnlich war, mit flügelartigen Flossen, die wohl zwölf Fuß im Durchmesser hatten, und einem langen Schwanz, der einer Peitsche glich. Seine kalten, unbewegten Augen starrten empor und bemerkten den Körper des Mordwals! Mit einem kaum wahrnehmbaren Schwung der schwarzen Flossen glitt es von seinem Riff und floh in die Tiefe.

      Aber der riesige Rochen war nicht schnell oder verstohlen genug, um dem Blick seines Feindes zu entgehen. Wieder tauchte die Orca, diesmal ohne Geräusch zu vermeiden, und so plötzlich, daß ihre breiten Schaufelflossen auf das Wasser aufknallten. Wie ein Senkblei stieß sie in die Tiefe. Der Rochen, der sie sah, geriet in Panik. Er wich zur Seite aus und schoß wieder empor, in rasender Eile und mit einem herrlichen Schwung. Mit der Gewalt dieses Auftriebs warf er seinen ganzen schwarzen, bebenden Leib schlank in die Luft, wo er sich drehte und eine Sekunde lang tropfend hing, als hätte ihn der Wahnsinn seiner Angst ein neues Element erobern lassen. Dem nervenschwachen Kalb war das ein schreckliches Wunder, darüber die Sonne fast erlosch. Aber der heftige Ausflug in die Luft dauerte nur diesen einen Augenblick lang und war so nutzlos, wie er kurz war. Als die flachen schwarzen Flossen laut klatschend wieder auf die Flut prallten, fing die streitbare Orca ihre Beute auf, ergriff sie und zog sie hinunter. Es war kein Kampf, der Rochen war machtlos gegen seinen gewaltigen Gegner – nur ein kurzes blind-wütiges Toben in schäumenden Wellen, dann blutiger Schimmer im Grün der See.

      Das war jetzt ein ausreichendes Mahl gewesen, selbst für einen Appetit wie den der Orca. Unbenutztes Ueberbleibsel davon trieb umher und sank unter, um die zahllosen Gassenkehrer von Krabben zu nähren, die in den Ritzen und Höhlen des überspülten Riffs lungerten. Die Orca blieb, für eine halbe Stunde etwa, wo sie war, wälzte sich friedlich in dem hellen Wasser über dem Felsen, säugte und liebkoste ihr Kalb und verdaute ihr Mahl. Dann setzte sie friedvoll die Reise fort, aber landeinwärts gerichtet, bis sie nur noch eine halbe Meile weit von der Kette kleiner Inseln und bröckliger Vorberge war, die jene gefährliche Küste umschlossen.

      Es war noch nicht voller Mittag und das wolkenlose Sonnenlicht fiel fast senkrecht auf den Meeresspiegel, durchleuchtete die See bis zu erstaunlicher Tiefe. So etwa in halber Höhe des durchsichtigen Glanzes schwamm sorgenlos ein großer Tintenfisch. Sein schneller, spitzer Körper war etwa sechs Fuß lang und an seiner breitesten Stelle, nämlich dem Kopf, hatte er einen Durchmesser von 12–14 Zoll. Aus diesem formlosen Kopf wuchs ein Bündel von Fühlhörnern, wie Blätter aus einer Mohrrübe wachsen, etwa zehn an Zahl und jedes so lang wie der ganze Körper des Tieres. Körper und Fühlhörner waren von gleicher blasser, schmutzig-gelb-grüner Farbe mit bräunlichen Flecken – eine Farbe, die ihren Träger in dieser sonnenbestrahlten See fast unsichtbar macht. Die Bewegung dieser Sepia war nach rückwärts. Sie geschah nicht durch Arbeit der Fühlhörner, sondern dadurch, daß ein großer muskulöser Sack unter den Fühlhörnern ein Maß Wasser aufsaugte und mit Macht wieder von sich stieß. So sah es aus, als atmete der Fisch das Wasser ein und blies sich damit selbst von der Stelle.

      Nach dem Festessen, das die Orca sich mit dem gewaltigen Rochen geleistet hatte, war sie durchaus noch nicht hungrig. Aber der saftige Bissen, den dieser Tintenfisch bot, war eine Versuchung, der sie nicht widerstand. Leicht niedertauchend, schoß ihr schwerer, aber fein geformter, schwarz-weißer Körper in die schimmernde Flut. Doch der Tintenfisch blickte auf und sah sie, bevor sie ihn erreicht hatte! Im selben Augenblick schlossen seine zehn losen Fühlhörner sich zu einem harten Bündel, das seine Bewegung nicht hinderte. Seine blassen Flanken zogen sich mächtig zusammen, er stieß Wasser aus und schoß davon, schneller als ein Torpedo aus dem Lauf fliegt. Und zugleich stieß er aus einer Drüse in jenem Sack, dessen Arbeit ihn bewegte, eine Masse schwarzer Flüssigkeit, die sofort eine gewaltig-dunkle Wolke erzeugte und seine Flucht ermöglichte. Außerhalb dieses Verstecks wechselte er die Richtung und floh einer tiefen Höhle auf dem felsigen Grund zu, in der er sich vor den Kinnbacken seiner Feindin sicher wußte.

      Die Orca wühlte sich furchtlos in die tintige Wolke hinein, aber im tiefen Dunkel verlor sie jede Spur der ersehnten Beute. Ja, für einen Augenblick verlor sie sich selbst. Hierhin und dorthin ließ sie ihre mächtigen Kinnbacken schnappen, aber immer vergeblich. Was sie erfaßte, war leeres, gefärbtes Wasser. Endlich schnellte sie wieder aus dem Schwarzen in's durchsichtige Grün. Aufwärts spähend erblickte sie so Entsetzliches, daß sie mit fast titanischer Anstrengung an die Oberfläche zurückkehrte. So leidenschaftlich war der Stoß ihrer mächtigen Flanke, daß die Wasser der Tiefe wie unter den Schrauben eines Dampfers aufkochten.

      Das Kalb hatte seiner Mutter erst in die Tiefen folgen wollen, hatte sich dann aber vor der schwarzen Wolke gefürchtet, in der die Mutter verschwand. Angstvoll war es an die Oberfläche zurückgekehrt und schwamm dort ziellos, sehnsüchtig umher, als ein wandernder Haifisch es erblickte.

      Der Hai wußte wohl, mit wem er es zu tun hatte. Er spähte rundum nach der Mutter, denn gegen eine Mutter-Orca wollte er nicht unhöflich sein. Aber es war keine Mutter in Sicht. Er verstand das nicht. Aber er war toll vor Hunger, und eine solche Gelegenheit war unwiderstehlich. Mit einem Ruck schnellte er gegen das Kalb, warf sich, ihm zur Seite auf den Rücken, um die Beute zu fassen, und zeigte dabei seinen hellen weißen Bauch. Das Kalb verzagte beinahe, als es einen schwarzen, dreieckigen mit unzählbaren Zähnen bedeckten Rachen sah, der sich plötzlich vor ihm auftat. Im letzten Moment riß es sich los und schwamm im großen Bogen dorthin, wo die Mutter niedergetaucht СКАЧАТЬ