Gesammelte Werke. Robert Musil
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Robert Musil

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788026800347

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СКАЧАТЬ daß Sie solche unwahre Behauptungen unterlassen!» sagte der Lyriker. «Sonst verlangen Sie nichts? Sie sind ein komischer Mensch» gab ihm K. erleichtert zurück.

      Damit wäre nun eigentlich diese Geschichte zu Ende, wie einer, der keinen Mäzen hatte, gleich zwei fand. E. u K. blieben weiter miteinander böse, und wenn seither einer vom andern etwas Übles sagen wollte, so erzählte er: «Dieser Verschwender hat einmal ein Vermögen für die Förderung von Gedichten ausgegeben!»

      Aphorismen

      Notizen

[17, November 1935]

      Zum Begriff des Genies. Man hätte nicht sagen sollen, das Genie sei um hundert Jahre seiner Zeit voraus. Es hat die Leute sehr geärgert, das zu hören, und hat sie gegen das Geniale aufgebracht. Auch hat es Narren gezüchtet und unterstützt. Und es ist nicht einmal wahr, wenigstens teilweise nicht; denn gerade die genialen Personen stellen den Geist ihrer Zeit dar, wenn auch wider deren Willen und Wissen. Es wäre wahrscheinlich richtiger und erzieherischer zu sagen, daß der Durchschnitt der Menschen um hundert Jahre hinter seiner Zeit zurück sei.

      Ein neuer Geist ist da? Es ist noch nicht lange her, daß diese Behauptung bloß ein Schlagwort von Künstlergruppen gewesen ist; heute bildet sie den Stolz von gedrillten Massen. Da möchte man wohl sagen: Geist bleibt immer das gleiche, auch noch in seinen Widersprüchen; aber die Lebenden haben bald mehr, bald weniger von ihm!

      Der Held braucht Verhängnis und Unglück, um sich beweisen zu können. Not und Held gehören zusammen wie Krankheit und Fieber.

      Viel von sich selbst zu reden gilt als dumm. Dieses Verbot wird von der Menschheit auf eigentümliche Weise umgangen: durch den Dichter!

      Die Menschheit gestattet sich überhaupt gerne in Ausnahmen, was sie sonst verbietet. So gilt es zum Beispiel als ein Zeichen schlechten Geschmacks, wenn nicht als eines der Dummheit, daß sich ein Mensch selbst lobt; wo Menschen aber als Masse, Partei, Glaubensgemeinschaft, Nation und ähnliches verbunden auftreten, loben sie sich schamlos. Sie loben sich, sobald sie «wir» statt «ich» sagen dürfen. Nur wir haben den rechten Willen, sind von Gott erleuchtet oder von der Geschichte berufen, ist noch das wenigste, was sie vorbringen; und sie halten das nicht nur für erlaubt, sondern noch für ein gutes Zeichen!

      Bezeichnenderweise gilt in Zeiten, wo das überhandnimmt, der Dichter als überflüssig oder als Schwächling.

      Eine recht beachtenswerte Skala ist diese: Er ist ein gescheiter Mensch, gilt als unbedingtes Lob. Er ist ein guter Mensch, gilt auch als Lob, aber manchmal doch mit einer leichten Einschränkung in der Richtung: gut gleich dumm. Er ist ein intelligenter Mensch – was doch soviel heißt wie: ein einsichtsvoller – hat dagegen schon lange vor Erfindung der «Intelligenzbestie» in manchen Kreisen als verdächtig gegolten; siehe zum Beispiel den «Intelligenzler» und «Westler» bei Dostojewski. Wir bewerten also: Lieber schlecht als dumm, aber: Lieber gut als intelligent. Wozu bemerkt werden muß, daß dieses zutiefst gestellte Intelligentsein gerade die Klugheit umfaßt, die lieber schlecht sein will als dumm. Der Fall ist also verwickelt.

      Sonniger Schriftsteller: Er lobt sich nicht selbst, aber er lobt die Güte des Herrn, die ihn geschaffen hat. Das ist seine Form der Eitelkeit.

      Die Jugend überschätzt das Neueste, weil sie sich mit ihm gleichaltrig fühlt. Darum ist es ein zweifaches Unglück, wenn das Neueste zu ihrer Zeit schlecht ist.

      Publikumserfolg: Man sollte meinen, daß es schwerer sei, das Bedeutende zu erkennen, als, wenn es einmal erkannt ist, das Unbedeutende von ihm zu unterscheiden. Die Kunsterfahrung, und wohl auch die allgemeine, lehrt aber immer wieder das Gegenteil, daß es beiweitem leichter ist, eine Anzahl Menschen auf das Bedeutende zu einen, als sie davon abzuhalten, bei erstbester Gelegenheit das Unbedeutende mit ihm zu verwechseln.

      Angewandte Dichtung: Es gibt «angewandte» Wissenschaften, die sich von den ihnen zugrunde liegenden «reinen» in vielem unterscheiden, aber auch Wissenschaft sind; so eine Angewandte Mathematik, eine Angewandte Psychologie und die technischen Wissenschaften. Nicht mit gleichem Recht gibt es aber auch eine Angewandte Dichtung. Zu ihr gehören alle die Dichter, die sich als Verkünder und Verbreiter einer Weltanschauung und Weltgestaltung fühlen, die nicht von ihnen selbst stammt. Ferner, um viele Stufen tiefer als sie, alle die, die wirken, das Publikum finden, sich dem Theater anpassen oder ähnliches wollen und sich darauf berufen, daß der Dichter für seine Zeitgenossen schreibe und sich also nach ihnen richten müsse. Sie hat es immer gegeben, und sie sind in der Mehrzahl. Eine völlige Trennung ihrer auf Anwendung bedachten Anschauungen von denen der reinen Dichtung ist nun freilich weder wünschenswert noch hat sie je bestanden; aber wenn sie den Ton angeben und der zugrunde liegende Unterschied nicht beachtet oder gar mißachtet wird, wie es seit langem wieder der Fall ist, verfällt eine Literatur unaufhaltsam.

      In der Metaphysik der Musik sagt Schopenhauer, daß es in der Musik die ganze Welt noch einmal gebe. Alles lasse sich durch Musik sagen … «eine allgemeine Sprache, deren Deutlichkeit sogar die der anschaulichen Welt selbst übertrifft». Nur in dieser Sprache gebe es eine völlige Verständigung unter Menschen. – Hätte dieser große, ausnahmsweise optimistische Pessimist doch noch das Kino erlebt! Wie fesselnd wäre es, ihn darüber zu vernehmen, daß seine Argumente versehentlich auch auf dieses zugetroffen sind!

      Zur Männer-und Frauenfrage: Es ist nicht unbedenklich, von der Seele oder der «Psychologie» des Mannes und der Frau zu sprechen, als wären das zwei Seelen und Psychologien. In Wahrheit dürfte kaum ein anderer wirklich gründlicher Unterschied bestehen als der zwischen einer derberen und einer zarteren Gesamtverfassung; wir stammen ja schließlich von Tieren ab, bei denen auch das Weibchen die meisten Tätigkeiten des Mannes beherrscht, wenn selbst in einem eingeschränkten Maße: und die Seele steht in Einklang mit den Tätigkeiten. Aus diesem Grund ist freilich auch zu erwarten, daß sie sich mit ihnen ändert, und die der Frau hat es mehr tun müssen als die des Mannes; aber da sich die Seele nie völlig ändert und nichts ganz aufgibt, darf es eigentlich nicht verwundern, daß die Frau eine natürliche und ursprüngliche Psychologie neben der hat, die ihr später zuteil geworden ist, man möchte fast sagen, eine wirkliche neben ihrer angeblichen. Eine Frau zum Beispiel von Herzen fluchen zu hören, wirkt abstoßend; aber manchmal kann es rührend natürlich sein, namentlich wenn sie sich nicht beobachtet weiß und mit ihrem Schöpfer allein ist.

      Allerhand Fragliches

[31. Mai 1936]

      Das Übersetzervolk. Wir haben uns gerühmt, ein aufgeschlossenes Volk zu sein, weil wir eifrig übersetzten und weil Übersetzungen einen großen Raum in unserer Nationalliteratur einnehmen. Zuweilen wurde daraus sogar ein recht wundersames Psychologem gemacht, das ungefähr so aussieht: Weil wir Deutschen geographisch in der Mitte Europas wohnten, seien wir auch zu Mittlern seines Geistes bestimmt. In dieser Weise schwärmten wir uns an, als ob es nicht eine bescheidenere Erklärung gäbe, die wir gerade jetzt wiedererleben: Der deutschen Literatur hat es niemals an bedeutenden Dichtern gefehlt, aber es sind immer wieder ihre anderen über sie gekommen! Zuletzt hat sich die deutsche Literatur vor einigen dreißig oder vierzig Jahren an der russischen, skandinavischen und französischen aufrichten müssen, weil sie von ihrem eigenen Unkraut überwuchert worden war, das der natürliche und ungereutete Boden immer in größerer Fülle hervorbringt als die edlen Pflanzen. Wen werden unsere Enkel übersetzen?

      Was sagt Lichtenberg? «Mich dünkt, der Deutsche hat seine Stärke vorzüglich in Originalwerken, worin ihm schon ein sonderbarer Kopf vorgearbeitet hat; oder mit andern Worten: er besitzt die Kunst, durch Nachahmen original zu werden, in der größten Vollkommenheit.» Es ist rund hundertfünfzig Jahre her, seit dies geschrieben worden ist! Aber das bedeutet nicht Rasse, sondern Schicksal!

      Kein Irrtum. In einer Autographensammlung findet sich der folgende Ausspruch eines СКАЧАТЬ