Gesammelte Werke. Robert Musil
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Robert Musil

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788026800347

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СКАЧАТЬ könne; man findet es anfangs abstrus u später selbstverständlich. Es liegt etwas ungeheuer Melancholisches, menschlich Rührendes in der Tatsache der Mode. Es ist mit anderen Dingen auch so, nur fällt es nicht so in die Augen: darin liegt die philosoph. Bedeutung der Mode.

      Es spielt mit, daß man die neue Mode anfangs unbefangen, rein optisch sieht u also als absurd erkennt, während man sie später sozial sieht, als Zeichen der Vornehmheit u Eleganz, je nach Reichtum u Geschmack ihrer Ausführung. Kleider waren ja immer ein nach außen Kehren der sozialen Bedeutung. Konsequent müßte man sich mit kostbaren holländischen Gulden oder mit schlichten Mark bekleiden. Ein Grund der Inkonsequenz der Mode ist ihre Indirektheit. Bekanntlich ist sie auch im Erotischen indirekt.

      Sie besteht aus Inkonsequenzen u Indirektheiten.

      Konsequent u direkt führt sie zum Reformsack.

      Es scheint heute eine Vernunftlinie zur Nacktheit zu führen

      Aber die eigentliche Wahrheit der Mode besteht in: Ich kann mich nicht mehr sehn.

      Der Doppelmäzen

[Um 1930?]

      Man spricht u schreibt heute viel darüber, ob es wohl noch Mäzene gebe, daß es sie noch gebe, wie nötig sie wären und was sie zu tun hätten; da mag es willkommen sein, wenn man versichern kann, daß es sogar noch Doppelmäzene gibt. Nennen wir sie dem Märchenhaften ihrer Erscheinung gemäß Emporius & Kömmling; ihre irdische Anschrift steht ernsten Interessenten (nur) gegen Schadensversicherung zur Verfügung.

      Sie handelten mit allem, was es zwischen einem Seidenstrumpf und dem Sauerstoffmangel der Stratosphäre gibt, und niemand wußte, ob sie reich wären, aber sie besaßen alles, was äußerlich zum Reichtum gehört, Palais, Kraftwagen, Bilder, Frauen und Pferde, u daß R.[eichtum] auch innerlich etwas sein müsse, kann sein ist aber schließlich eine Drohung von Leuten, die nicht viel mehr besitzen als ihre Tugenden. So dachte wenigstens Kömmling, der es sich wohlergehen ließ und in seinen allerpersönlichsten Wohnräumen Bilder von Rennpferden, Jagdmeuten und Rebhühnern in Pfirsichen hängen hatte. Nicht so aber Emporius. Dieser stammte aus einer Gymnasiallehrerfamilie, die er nicht unterstützte, von der er aber etwas zurück behalten hatte; allerdings war das nur die Überzeugung, daß man vornehm sein müsse, aber es freute ihn doch. So beschäftigte sich sein Geist viel damit, wie man die Künste fördern könne, und er stritt oft mit seinem Kompagnon K. darüber, der große Summen unwiederbringlich an niedere Begierden verlor, obwohl ihm E. bewies, daß man für das gleiche Geld seine Wohnung mit alten Bildern so bekleben kann, daß sie wie ein Briefmarkenalbum aussieht und sich auch durchaus zu Spekulationen ebensogut eignet wie ein solches. Durch diese Unterschiede ihrer geistigen Haltung waren die beiden Kompagnons meistens miteinander verfeindet, u. Emporius beschloß, einmal K. zu zeigen, wie man es machen müsse, wenn man den Platz verdienen will, auf dem man verdient.

      Er hörte, daß ein berühmter Lyriker in der Stadt anwesend sei, machte ihm seinen Besuch und lud ihn zu sich. Dort setzte er ihn, nachdem sie wie Fürsten bei Kerzenlicht diniert hatten, unter eine Bilderhecke [?], zog für sich einen Stuhl heran u sprach: «Ich bin ein einfacher Kaufmann, aber ich weiß, was man der Kunst schuldet Antike Bilder befriedigen mich nicht, ich will etwas tun, was noch nicht da war: ich stifte einen großen Preis für Lyrik (das schönste Gedicht).»

      Der Lyriker öffnete die Augen.

      «Ich geben 3000 M. jährlich dafür» sagte Emporius. «Für 3 Gedichte»

      Wie Lyriker nun einmal sind, fand der Eingeladene das zu wenig.

      «30000 M. müßten es sein» räumte Emporius ein «Lassen Sie mich nachdenken. Das repräsentiert ein Kapital von rund 400000 M, ich werde 40000 geben, also müssen wir noch 360000 aufbringen: Hören Sie das geht!» Sie nahmen den Kaffee im Privatkontor in einer durch u durch sachlichen Umgebung ein, der Lyriker kniff sich ins Bein u fand, daß alles stimme. «Wir werden Deutschland zum Land der Gedichte machen» erklärte Emporius «Wollen Sie mir an die Hand gehen? Aber Sie allein, Meister, sind bei aller Bewunderung, die ich persönlich für Sie habe, zu schwach, Sie müssen noch 11 der bekanntesten Dichter dafür gewinnen, ein Kuratorium zu bilden. Wenn das geschehn ist, werde ich mich an unsere Staatsmänner u ähnliche hervorragende Persönlichkeiten wenden, damit sie auch ihre Namen an die Spitze stellen, und wenn wir soweit sind, kann ich mich verbürgen, daß wir auch das Geld aufbringen. Wieviel verdienen Sie übrigens monatlich an Ihren Gedichten, Meister?»

      Der Meister berechnete schnell im Kopf, daß er während der 30 Jahre seines lyrischen Schaffens 1053 Mk 27 Pfn. eingenommen habe. «Das ist kein Hindernis» sagte Emporius Aber der Meister teilte noch mit, daß er auch Zeitungsaufsätze schreibe u eine Stellung als Lektor bei einem Verlag einnehme, was ihm 500 M. monatlich einbringe. «Sie werden natürlich fast Ihre ganze Zeit verlieren, u ich bin gern bereit» E. berechnet gleichfalls schnell, «Ihnen die Hälfte Ihres Einkommens zu ersetzen» erklärte Emporius energisch, «solange Sie gemeinsam mit mir arbeiten.»

      So bekam der berühmte Lyriker 250 M. monatlich aus dem Zigarrenbudget seines neuen Freundes, aber die Schecks waren auf ordentlichem Firmenpapier ausgestellt, denn die beiden hatten auf Wunsch des Dichters der nicht weniger kaufmännisch sein wollte als sein Partner lyrisch einen regelrechten Vertrag für 4 Monate geschlossen.

      Nach Ablauf dieser 4 Monate waren die 11 großen Dichter gewonnen, der bekannte Lyriker war auf den Gesellschaften die Emporius gab, unzähligen Menschen vorgestellt worden, er hatte Besuche bei allen Führern der Politik u Finanz, des Zeitungswesens und der Gesellschaft (Vornehme Welt) gemacht u. überall erzählt, wie Herr Emporius ein neues Zeitalter der Gedichte in Deutschland emporrufen wolle. Aber als es so weit war und nun Herr Emporius sein Werk mit den 360000 M beginnen sollte waren gerade zwischen Himmel und Seidenstrumpf allerhand wertvolle Handelsartikel ins Sinken geraten, u. Emporius erklärte, daß er augenblicklich nicht einmal für seine Person 40000 geben könnte, wogegen man einem berühmten Dichter doch viel mehr Entgegenkommen erweise, und dieser möge es also doch noch einmal selbst versuchen.

      Was tut ein berühmter Lyriker in solchem Fall? Das ist wohl verschieden; es gibt auch Lyriker, die sich bei Geschäftsgründungen sehr gut bewähren, aber dieser verzichtete und schrieb sein erstes Gedicht seit langer Zeit. Und damit wäre diese Geschichte zu Ende gewesen, wenn nicht die Gerechtigkeit des Schicksals den leichtsinnigen Mann ein Jahr später aufs Krankenlager geworfen hätte, so daß sie ihn in schwere Not brachte. Freunde sammelten für ihn, der nun wieder sein Durchschnittseinkommen von 2,92 Mk monatlich hatte, sofern er sich zu der Stimmung aufraffte, Gedichte zu machen, und diese Freunde wandten sich auch an E., der inzwischen eine allgemein anerkannte Stellung als Förderer der Künste eingenommen hatte. E. empfing sie mäzenatisch, setzte sie unter eine Bilderhecke [?] usw. u. erläuterte ihnen, daß er sich nicht verpflichtet fühle, für den Dichter etwas zu geben, da er ihn bereits ganz allein durch 4 Monate unterhalten habe. Aber die Freunde gingen, da der Vorrat an Menschen, die Geld für etwas übrig haben könnten, das sie nicht unmittelbar angeht, nicht groß ist, auch zu K. K empfing sie in seinem Herrenzimmer vor einer Wanddekoration mit Reitpeitschen u Hufeisen u erläuterte ihnen ebenfalls, daß er nicht verpflichtet werden könne, für den Dichter etwas zu tun, da er sich nichts aus Gedichten mache und trotzdem schon durch 4 Monate für die Existenz dieses Lyrikers aufgekommen sei. Als dieser das hörte, wurde er vor Zorn gesund – was beweist, daß man über die Handlungsweise anderer Menschen nicht vorschnell aburteilen soll – u. begab sich zu Empor., um ihn zur Rede zu stellen. «Was wollen Sie von mir?» fragte ihn dieser. «Daß Sie solche Behauptungen unterlassen!» rief der Dichter unvorsichtig. «Wenn es sonst nichts ist, gern; Sie sind ein empfindlicher Mensch!» sagte E. mißbilligend. Der Dichter begab sich zu K. «Sagen Sie mir um Gottes willen, wie kommen Sie dazu, eine solche Lüge zu behaupten?!» fragte er den, den er kaum kannte, denn die beiden Sozii verkehrten außergesellschaftlich schon lange nicht mehr miteinander. K. berief sich höflich darauf, daß durch irgendeine Form der inneren Verbuchung die Cheks die gemeinsame Firmenbezeichnung trugen. СКАЧАТЬ