SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze. Tim Curran
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Название: SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze

Автор: Tim Curran

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958350298

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СКАЧАТЬ es nicht fast so aus, als würden fünf oder sechs jetzt ein wenig überstehen? Vielleicht so, als ob etwas sie von innen herausdrücken würde? Hyden spürte, wie sich ein grausiges Gewicht auf ihn legte, ihn zermalmte wie eine Grabplatte aus Granit. Er fühlte sich schwach, geradezu paralysiert. Die Atmosphäre um ihn herum war gebleicht, gesäuert, gefüllt mit etwas, das ihm geradewegs das Herz aus der Brust riss.

      Er beobachtete, wie zwei Nägel mit einem Knarzen aus dem Deckel glitten. Sie sprangen heraus und klackerten in die Ladeluke.

      »Was war das, beim Allmächtigen?«, fragte Goode. Seine Stimme klang abgewürgt und trocken. Der Mond kam wieder hervor und seine Oberfläche sah verfärbt und kränklich aus. »Antworte, Junge! Was war das?«

      »Nägel …«, versuchte Hyden zu sagen, aber in seiner Lunge war keine Luft mehr. Nur etwas Pfeifendes und Verwehtes, wie Sand in der Wüste. »Die Nägel … sie fangen an, herauszuspringen …«

      »Die Scheiße bildest du dir ein!«, rief Goode. »Oder … oder die Leiche bläht sich auf. Habe schon erlebt, wie sie eine Kiste glatt aufsprengen … passiert manchmal.«

      Aber Hyden schüttelte den Kopf. So etwas geschah nicht, wenn es kalt war.

      Dann hörten sie es beide. Laute Geräusche aus dem Inneren der Kiste – ein Schaben und Kratzen von Fingernägeln auf Holz. Entsetzen spiegelte sich in den Augen beider Männer. Ein ungeheures, unbarmherziges Entsetzen, das sich wie Tränen ergoss und in die Nacht herausströmte, sie umgab, sie einschloss, sie eng in ein Leichentuch wickelte. Die Dunkelheit glitt heran und flüsterte. Dann: bamm, bamm, bamm. Hämmernde Fäuste.

      Goode zog scharf die Luft ein: »Los geht's, los geht's!«, schrie er die Pferde an. Seine Peitsche krachte wie Donner. »Los geht's, ihr Hurenböcke, los geht's!«

      Hyden beobachtete weiter die Kiste und fragte sich, ob vielleicht seine Schrotflinte etwas ausrichten würde gegen das, was da herauszuklettern versuchte. Was auch immer da drin vor sich ging: Es war nichts Gutes. War nicht von dieser Welt. Obskure Mysterien gärten dort, ein Gebräu dunkler Alchemien, spektrale Wahrheiten, die mit den Zähnen fletschten. In der schwarzen, übel riechenden Dunkelheit atmete etwas, war wach. Und dieses Etwas war furchtbarer als alles, was Hyden sich vorzustellen vermochte.

      Jetzt kam der Wagen richtig ins Rollen, raste eine lang gezogene Kurve entlang, die die Berge durchschnitt. Sie führte über eine knackende hölzerne Brücke, die einen reißenden, eisigen Fluss überspannte.

      »Nur noch ein paar Meilen!«, schrie Goode, während der Wagen seinem Ziel entgegen donnerte, die Pferde vorwärts stürmend, als sei der Teufel persönlich hinter ihnen her … und möglicherweise war er das. Goode blickte besorgt zu Hyden hinüber, dann zurück zu der Kiste. »Halt durch! Ich kann schon … yeah, da unten kann ich die Lichter sehen!«

      Hyden nahm ihn beim Wort.

      Er drehte sich nicht um, sah nicht nach.

      Er konnte sich nicht umdrehen und nachsehen.

      Seine weit aufgerissenen Augen blickten starr, der eisige Wind versetzte ihm unbarmherzige Stöße. Aber er spürte es nicht. Spürte nicht seine tauben Finger um den hölzernen Gewehrschaft. Spürte nicht die eisige Leichenhauskälte, die in seine Knochen kroch und sie wie tiefgefroren eisenhart erstarren ließ. Die Kiste war das Einzige, was er wahrnahm. Sie war der Mittelpunkt seines Universums. Sie war ein dunkler Stern, und er war ein Staubkorn, gefangen in ihrem bösartigen Orbit. Alles, was er tun konnte, war zu beobachten, wie sich die Nägel lockerten und heraussprangen, einer nach dem anderen.

      In der Kiste war ein hektisches Kratzen, Scharren und dumpfes Dröhnen.

      Etwas in Hyden rastete plötzlich aus. Ein wilder, kreischender Terror durchzuckte ihn, und er fing an zu schreien: »Ich hau ab! Ich springe runter! Das ist Wahnsinn …«

      Aber Goode zwang ihn wieder nach unten und sagte, er solle das Maul halten, einfach das Maul halten, verdammt noch mal, das wäre alles in seinem Kopf, nur in seinem Kopf. Doch die Vorstellung, mit der Kiste im Wagen allein zu sein und mit dem, was darin war … Goode wusste, dass er es nicht alleine schaffen würde. Es einfach nicht schaffen konnte. Whisper Lake lag nun geradewegs vor ihnen. Auf beiden Seiten waren die Lastkräne und Gerätschaften und die gebeugten Hütten der abseits gelegenen Minencamps. Etwas von hinten machte ein lautes, schnappendes Geräusch, und Goode musste sich nicht umdrehen, um zu sehen, dass eines der Messingbänder aufgebrochen war und das andere bald folgen würde … und dann … und dann …

      Hyden keuchte in scharfen, schmerzenden Atemzügen. Er zitterte so sehr, dass er die Schrotflinte nicht mehr halten konnte. Klirrend fiel sie herunter und lag nutzlos zu seinen Füßen. Dann waren sie in der Stadt, und was auch immer in der Kiste war, schien das zu spüren, denn es zog sich zurück in seine kalte Schlafstatt und wartete, wie die Dinge sich entwickeln würden. Goode und Hyden seufzten gemeinschaftlich, entspannten sich aber erst, als sie den Leichenbestatter gefunden hatten und das abscheuliche Ding losgeworden waren.

      1-3

      Hiram Callister war der, den sie aufsuchten.

      Der rundliche, schmierige Hiram Callister, Bestatter und Tischler. Er bereitete die Toten vor und fertigte die Särge, in die sie vorsichtig hineingepackt wurden. Meist verarbeitete er billiges Pinienholz, manchmal auch importiertes schwarzes Mahagoni, das mit dem Zug für reiche Minenarbeiter oder Eisenbahner herangeschafft wurde. Hiram arbeitete bevorzugt bei Lampenschein, während sein jüngerer Bruder Caleb – Mitbesitzer der Bestattungsfirma der Callister-Brüder – lieber bei Tageslicht arbeitete. Und wenn Hiram nicht gerade mit Holz und Totholz zu tun hatte, zog er sich in seine oben liegenden Gemächer zurück und machte sich über seine Sammlung pornografischer Bilder her, von denen die meisten ein Freund aus New Orleans geschickt hatte. Dort konnte ein Kenner solche Dinge leicht bekommen … für den entsprechenden Preis.

      Hiram war nie gut im Umgang mit Frauen gewesen.

      Mit Leuten im Allgemeinen.

      Zumindest nicht mit Lebenden. Ein dickliches und streberhaftes Kind war er gewesen, aus dem ein übergewichtiger und unansehnlicher Mann geworden war. Ein Mann mit scheinbar mehreren schwabbelnden Kinnen, die wie eine Herde auf seinem Unterkiefer umherzogen, und mit einem Nacken wie rosa Schweinchen am Trog. Er liebte Kuchen und Süßigkeiten. Eine Fehlfunktion seiner Talgdrüsen sorgte dafür, dass er ausgiebig schwitzte. Seine Hände waren merkwürdig kühl und in der Gegenwart anderer stotterte er. Oft zeigten die Kinder auf der Straße mit dem Finger auf ihn. Nachts konnte man ihn finden, wie er Sahnekaramel, Schokolade und französische Cremes neben den umhüllten Körpern in der Leichenhalle verspeiste, wobei er immer wieder sein feuchtes Gesicht und die nasse Stirn mit einem Taschentuch abtupfte. Das war seine Welt, die Welt der Särge und Chemikalien, der Leichen und silberglänzenden Instrumente. Eine Welt, die abgeschlossen und trübe war und die nach Jod, Alkohol und weniger angenehmen Dingen roch.

      Aber es war Hirams Welt, und es verlangte ihn nach ihr.

      Sollte Caleb das Tageslicht haben. Denn Caleb war ein Gewächs, das ans Tageslicht gehörte – gut aussehend, charmant und selbstsicher. Seine Tage verbrachte er damit, Witwen zu trösten, und in den Nächten war er in Spielhöllen und Bordellen, wo er anrüchige Geschichten von den Toten zum Besten gab. Die Menschen nannten ihn Freund und Liebster, so wie sie Hiram Leichenschänder und Perversling nannten. Hässliche Geschichten erzählten sie über ihn.

      Hiram war es egal.

      Letzten Endes – ob Mann, Frau oder Kind – gehörten sie stets СКАЧАТЬ