Der schwarze Atem Gottes. Michael Siefener
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Название: Der schwarze Atem Gottes

Автор: Michael Siefener

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783864020551

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СКАЧАТЬ Fiedel setzte erneut ein, doch ihre Töne waren noch schriller und falscher als zuvor. Der Tanz ging weiter, aber ihm fehlte jegliche Freude; die beiden Tänzer waren wie Figuren in einer jener großen Domuhren, von denen Martin schon viel gehört hatte.

      »Habe ich das Vergnügen, vor dem heiligmäßigen Pater Hilarius zu stehen?«, fragte der Fremde mit einer sanften Stimme, deren Klang bei Martin allerdings sofort eine Gänsehaut hervorrief. »Man versicherte mir, dass ich Euch hier finden kann, und ich freue mich, dass man mir die Wahrheit sagte.«

      Der Pater starrte den eleganten Mann unverwandt an. Martin glaubte in seinem Blick sowohl Trotz und Überheblichkeit als auch Furcht zu erkennen.

      »Wer will Pater Hilarius sprechen?«

      »Mein Name ist …«, hier machte der Neuankömmling einen kurze Pause, als müsse er sich erst einen Namen überlegen, »… Graf Albert von Heilingen. Stets zu Euren Diensten, ehrwürdiger Vater.« Er machte eine übertriebene Verbeugung, die jeder wahren Höflichkeit frech spottete.

      »Was wollt Ihr von mir?« Hilarius hatte die Hände wieder um den Weinhumpen gelegt. Er hatte so fest zugepackt, als wolle er Flüssigkeit aus dem Steingut pressen.

      »Euer Ruf durchdringt die ganze zivilisierte Welt«, sagte der Graf und zog sich den einzigen freien Stuhl heran, der neben Martin gestanden hatte. Er setzte sich und beugte sich über den Tisch, um dem Pater noch näher zu sein. Martin bemerkte einen zwar schwachen, aber eindeutig unangenehmen Geruch an dem Grafen. War es der Unterricht bei Pater Hilarius gewesen, der ihn nun überall Teufel sehen – und riechen – ließ? Er rückte mit seinem Stuhl so weit wie möglich von dem Grafen fort.

      Suitbertus hatte seinen Schweinebraten vollkommen vergessen, ja er hatte sogar vergessen, den Mund zu schließen. Wie ein Verzauberter saß er da und starrte den Grafen an.

      »Ich frage Euch noch einmal: Was begehrt Ihr von mir?«, wollte Pater Hilarius wissen.

      »Nur die Gunst einer Unterredung.«

      »Und worüber wollt Ihr mit mir reden?«

      »Über …« Der Graf unterbrach sich und blickte von Hilarius zu Suitbertus. Dann drehte er sich zu Martin um und sah ihm tief in die Augen. In diesem Moment hatte der junge Mönch den Eindruck, als sehe er zum zweiten Mal an diesem Tag einen abgrundtiefen Schatten. Er legte sich dicht und dick über den Tisch und den ganzen Schankraum. Die verzweifelt fröhlichen Zecher schienen es ebenfalls zu spüren. Mit einem schrecklichen Misston riss eine Saite der Fiedel. Der Tanz war vorüber. Das Johlen war in ein erschrockenes Murmeln übergegangen. Die Magd huschte aus dem Raum.

      »Wenn Ihr mir nichts zu sagen habt, dann lasst mich in Ruhe und zieht Eures Weges«, sagte der Pater. Seine Stimme schwankte.

      »Oh, ich habe Euch vieles zu sagen, aber ich möchte es unter vier Augen tun«, erwiderte der Edelmann.

      »Das ist unnötig. Die beiden Konfratres haben mein volles Vertrauen.«

      Das machte Martin mächtig stolz. Er war der Vertraute eines Heiligen! Er würde es noch weit bringen, wenn er sich nur an solch schreckliche Dinge wie Folterungen und Zaubereien gewöhnen konnte. Nun war er plötzlich sehr neugierig, was der Edelmann von Hilarius wollte.

      »Ich achte Euer Vertrauen, doch Euch selbst achte ich noch viel höher«, gab der Graf zurück. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das, was ich Euch zu sagen habe, in anderen Ohren als den Euren möglicherweise einen seltsamen Klang haben wird. Einen sehr seltsamen Klang.«

      »Wollt Ihr mir etwa drohen?«, schnappte Pater Hilarius. »Ihr sagt, Ihr kennt meinen Ruf. Dann wisst Ihr auch, dass es nichts gibt, mit dem Ihr mir drohen könnt.«

      »Ach, wirklich nicht?« Der Graf lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Martin blickte ihn von der Seite an und sah, dass der vornehme Adlige den Mund zu einem ungeheuer breiten Grinsen verzogen hatte. Er sagte:

      »Das, was ich Euch zu sagen habe, könnte Euch durchaus erhebliche Magenschmerzen bereiten. Magenschmerzen; versteht Ihr?«

      Der Pater wurde blass. Martin begriff überhaupt nichts mehr. Suitbertus hatte inzwischen wenigstens den Mund zugeklappt, doch in seinem Blick lag nicht das geringste Fünkchen Verständnis.

      Der Graf fuhr fort, während er sich den sorgfältig gestutzten Bart kraulte: »Wenn ich mich nicht gewaltig irre, habt Ihr heute Dinge gehört, die Euch sehr verwirrt haben. Ich sehe es in Eurem Blick. Gäbet Ihr denn gar nichts darum, zu erfahren, was es mit diesen Dingen auf sich hat?«

      Allerdings, dachte Martin, kratzte sich verstohlen an der tonsurierten Stelle seines Schädels und stellte beiläufig fest, dass sein Haupthaar dort wieder in lustigen Stoppeln spross. Bald würde es erneut die unangenehme Bekanntschaft mit dem Messer machen müssen. Der Gedanke an das Barbiermesser aber brachte ihm die Erinnerung an all die Folterwerkzeuge in den Gewölben des Rathauses zurück.

      »Ich glaube nicht, dass ich etwas darum gäbe«, sagte Pater Hilarius zögerlich, »aber ich sehe, dass es mir nicht gelingen will, Euch loszuwerden. Ich gewähre Euch ein paar Minuten – oben in meiner kleinen Kammer. Ich muss um Vergebung bitten, dass es in ihr recht ungemütlich ist.«

      »Oh, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, an welch ungemütlichen Orten ich bereits war«, entgegnete der Graf. »Verglichen mit ihnen wird Eure Kammer mir wie Abrahams Schoß erscheinen.« Er stand auf und nickte kurz. Es war der Befehl eines Herrn an seinen Hund.

      Langsam erhob sich auch der Pater und verließ den Tisch. Der Graf folgte ihm. Bald waren sie zwischen den vielen Farben in der Schankstube verschwunden.

      »O gütiger Herr im Himmel«, sagte nun Suitbertus, der wirkte, als sei er aus einem Albtraum aufgewacht. »Was war denn das für ein Fürst der Finsternis?«

      »Meinst du das ernst?«, fragte Martin unsicher. Er hatte immer stärker das Gefühl, dass die Welt ein verwirrendes, undurchdringliches Labyrinth war, und er sehnte sich stärker denn je nach der engen und manchmal unbequemen Geborgenheit seines Klosters zurück.

      Suitbertus schien seinen Mitbruder zunächst nicht zu verstehen, doch dann lachte er kurz auf. »Glaubst du wirklich, dass das der Teufel war?«, fragte er. »Der Teufel bist du selbst – und zwar ein armer. Mir kann der heiligmäßige Pater Hilarius nichts mehr vormachen. Ich zähle zwar gerade erst fünfundzwanzig Sommer, aber ich habe mindestens genauso viel von der Welt gesehen wie er und weiß, dass es keinen Teufel gibt.«

      Bruder Martin war entsetzt. So hatte er Suitbertus noch nie reden gehört. »Wenn es, wie du sagst, keinen Teufel gibt, dann gibt es auch keinen Gott«, keuchte er und kam sich sofort unrein vor, weil er einen so blasphemischen Gedanken ausgesprochen hatte.

      Bruder Suitbertus zuckte nur mit den Schultern, schnitt sich ein weiteres Stück Braten ab und stopfte es sich in den Mund. Dabei nuschelte er: »Aber mich würde trotzdem interessieren, was die beiden hohen Herren zu bereden haben.« Er schlang das Fleisch herunter und spülte mit Wein nach. »Es muss ja ganz schön wichtig sein. Das will ich wissen. Komm!« Er sprang plötzlich auf und lief durch den Schankraum, in den inzwischen wieder das übliche lärmende Treiben eingekehrt war. Martin wollte nicht allein hier unten bei den vielen Fremden bleiben. Also lief er Suitbertus nach, wobei er seine lange Kutte ein wenig raffte, um sich nicht in ihr zu verheddern.

      »Schaut her! Ist er nicht kokett, der Kleine?«, rief grölend einer der Bauern und schlug sich auf die Schenkel. Martin lief rot an und sah starr vor Scham auf den Boden. Er war heilfroh, als er die Stiege nach oben zu den Zimmern erreicht hatte. Suitbertus СКАЧАТЬ