Der schwarze Atem Gottes. Michael Siefener
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Название: Der schwarze Atem Gottes

Автор: Michael Siefener

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783864020551

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СКАЧАТЬ Tagesritten um das Kloster seit einiger Zeit in Angst und Schrecken versetzten. Auf dem Ritt nach Volkach aber war kein Angriff erfolgt.

      Der Gedanke daran, von nun an solche Folterschauspiele öfter sehen zu müssen, machte Martin regelrecht krank. Warum hatte Pater Hilarius nicht den robusteren Suitbertus zu seinem persönlichen Gehilfen bestimmt?

      Jetzt konnte es der Zauberer offenbar nicht mehr ertragen. Er schrie etwas, das Martin nach einigen Wiederholungen als den Namen »Burgebrach« erkannte. Burgebrach war ein Städtchen, das einige Tagesritte weiter östlich lag. Dann kam ein weiterer Name über die Lippen des Geschundenen, den Martin als »Laurenz Hollmann« deutete.

      Nun wies Pater Hilarius den Nachrichter an, die Winde loszulassen. Der Zauberer stöhnte auf. Martin sah, wie ihm ein dünner Blutfaden aus dem Mund troff. Er murmelte etwas. Hilarius beugte sich über seinen Mund, um die Worte verstehen zu können. Dann lief ein Zucken durch den Körper des Gefolterten, und er lag ganz still und regte sich nicht mehr.

      Pater Hilarius richtete sich sehr langsam wieder auf. Er legte die Hände vorsichtig auf seinen vorstehenden Bauch und sah Bruder Martin an. Martin konnte den Blick der dunklen Augen nicht lange ertragen.

      »Er ist tot; der Teufel hat ihm den Hals umgedreht«, sagte der Pater leise. In seiner Stimme lag nicht der geringste Triumph. Was hatte er von dem Sterbenden erfahren?

      Seinem Blick nach zu urteilen, hatten ihm die letzten Worte des Zauberers die Pforten der Hölle aufgeschlossen.

      2. Kapitel

      Nun war der Schankraum brechend voll. Pater Hilarius saß zusammen mit seinen beiden Konfratres am selben Tisch, an dem sie am Morgen gemeinsam gefrühstückt haben. Er starrte schweigend in seinen großen Weinhumpen und rührte wieder einmal kaum das Essen an, das vor ihm stand. Bruder Suitbertus hingegen schien nichts zu erschüttern. Er säbelte mit einem großen Messer an dem Schweinebraten herum, den die Magd nahe an den Pater gestellt hatte, sodass sich Suitbertus jedes Mal weit vorbeugen musste, um an die begehrten Köstlichkeiten zu kommen. Er schmatzte vernehmlich und zufrieden.

      Auch Martin war nicht nach Essen zumute. Noch immer gellten ihm die Schmerzensschreie des Zauberers in den Ohren. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Mensch solche Laute ausstoßen konnte.

      An den anderen Tischen johlten und grölten Zunftmitglieder, kleine Kaufleute, Bauern aus dem Umland, die ihr Vieh und ihr Gemüse auf dem Markt mehr oder weniger gewinnbringend verkauft hatten, und allerlei Gesindel, dem der Wein niemals schnell genug floss. Nur am Tisch der drei Mönche herrschte eisiges Schweigen. Martin sah, wie vereinzelte Blicke zu ihnen herübergeworfen wurden – dunkle Blicke, angewiderte Blicke. Natürlich hatte es sich bereits herumgesprochen, dass der Zauberer auf der Folter gestorben war. Zwar weinte ihm niemand eine Träne nach, aber einige Bürger fühlten sich offenbar in ihrer Geringschätzung des Klerus bestätigt.

      Wenn doch nur Pater Hilarius dieses schreckliche Schweigen durchbrechen und etwas sagen würde!

      Schließlich hielt Martin es nicht mehr aus. Während er nervös mit dem weißen Zingulum spielte, das seine Kutte über der Hüfte zusammenhielt, fragte er Pater Hilarius: »Habt Ihr dem schändlichen Zauberer wichtige Informationen entlocken können? Werden wir uns nun nach Burgebrach aufmachen, um auch seinen Spießgesellen zu verhören?« Insgeheim schauderte es ihn bei dem Gedanken, eine weitere Tortur erleben zu müssen.

      Pater Hilarius schaute Martin offen an. Der junge Mönch zuckte zusammen. Teufel schienen in den geweiteten, finsteren Pupillen des Heiligmäßigen zu tanzen. Er sagte kein Wort.

      Suitbertus schlürfte den letzten Tropfen aus seinem Humpen und rief lautstark nach der Magd, damit sie ihm Nachschub bringe. Sie kam schnell mit einem neuen Krug heran und stellte ihn mit einem unverbindlichen Lächeln vor den Mönch, der ihr bei dieser Gelegenheit rasch unter den langen Rock griff. Das Mädchen kreischte auf. Es klang gekünstelt. Auch wurde sie nicht rot. Aber sie entfernte sich schnell wieder vom Mönchstisch. Suitbertus nahm sofort einen großen Schluck; dann sagte er:

      »Unsere Mission ist erledigt, nicht wahr, Pater Hilarius? Was gehen uns die Zauberer im Osten an, die nicht einmal mehr zur Hoheit unseres Klosters gehören. Sollen sich doch unsere eifrigen Brüder, die Dominikaner von Bamberg, darum kümmern. Ich für meinen Teil …«

      Ein einziger Blick von Hilarius brachte ihn zum Schweigen.

      Martin ging nicht aus dem Kopf, was der Zauberer auf der Folter gesagt hatte. »Was hat er mit dem Untergang der Welt gemeint?«, fragte er leise, eigentlich eher an sich selbst als an den Pater gerichtet.

      Der Pater schaute wieder in seinen Humpen und faltete die Hände um den klobigen Steinkrug. Dann zuckten seine Mundwinkel wie in einem plötzlichen Schmerz. Er ließ den Krug los und fasste sich an den halb von der Tischplatte verborgenen Bauch. Es war Martin, als habe sich die Kutte des Paters wie von selbst bewegt. Sicherlich war es nur ein Luftzug gewesen, vielleicht auch ein widriger Wind.

      Der Lärm in der Schankstube schwoll immer stärker an. Jemand hatte eine Fiedel hervorgekramt und entlockte ihr nun entsetzlich quietschende und klagende Töne. Martin sah, wie einer der Tische beiseitegeschoben wurde, wie einer der Männer aufsprang und sich die Magd schnappte. Sie ließ den Bierkrug, den sie gerade in der Hand hielt, fallen und drehte sich zusammen mit dem Mann in einem plumpen Tanz, dass ihre Röcke rauschten und wie toll wirbelten.

       Es ist, als wollten sie sich in Lärm und Rausch versenken, dachte Martin. Es ist, als hätten sie alle die Schreie des sterbenden Zauberers gehört.

      Und als hätten sie alle seine letzten Worte verstanden; jene Worte, die aus Pater Hilarius einen anderen Menschen gemacht hatten. Aber anstatt wie er zu schweigen, versuchten sie, die ganze Welt mit all ihren Farben, Lauten und Gerüchen in diese kleine Stube hineinzuzerren.

      Doch mit einem Schlag war alles still – so still wie Pater Hilarius.

      Die Stille war wie ein Schock.

      In sie hinein fiel das leise Knirschen von Stiefelabsätzen. Es musste weiches, teures Leder sein, das diese Laute verursachte, und keine der harten, klappernden Kuhmaulschuhe, die die Bauern und kleinen Händler und Handwerker trugen.

      Die Schritte waren hinter Martin; sie kamen auf ihn zu; irgendwo in seinem Rücken befand sich die Eingangstür der Schänke. Mit ihnen kam ein eisiger Hauch. Er sah, dass die beiden Tänzer mitten in ihrer Bewegung erfroren waren und mit großen Augen auf das glotzten, was sich Martin von hinten näherte.

      Auch Pater Hilarius starrte an Martin vorbei. Er runzelte die Stirn.

      Bruder Suitbertus bemerkte erst mit einiger Verzögerung, dass etwas nicht stimmte. Er legte langsam das fetttriefende Messer zur Seite und starrte in dieselbe Richtung wie der neben ihm sitzende Pater. Martin drehte sich endlich um.

      Der Mann, der nun fast schon neben Martin stand, war keineswegs so beeindruckend, als dass seine bloße Erscheinung eine derart erstaunliche Wirkung auf die anderen Gäste hätte hervorrufen können. Er war groß und sehr hager, trug einen Vollbart, der ihm ein verwegenes Aussehen verlieh, und steckte in sündhaft teurer Kleidung. An seinem Pelzbarett hing eine grotesk lange, grün schillernde Pfauenfeder herab. Sein Wams war wie ein Feuer: grellrot mit schwarzen Schlitzen. Wenn man ihn von Weitem auf der Straße gesehen hätte, hätte man ihn zwar für einen reichen Mann gehalten, ihn aber nicht weiter beachtet. Doch hier, in der Beengtheit der billigen Schankstube, war seine Gegenwart so beherrschend und erdrückend, dass sie Martin fast den Atem nahm. Er hätte nicht sagen können, aus welchen Attributen des vornehmen Mannes dieses Gefühl herrührte, СКАЧАТЬ