Название: Die verlorene Handschrift
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Der Professor trat wieder schweigend an das Fenster. Fritz, der sich in stiller Empörung zurückgehalten hatte, empfand, daß es Zeit war, dieser Unterredung ein Ende zu machen, er erhob sich zum Aufbruch: »Und Sie haben uns wirklich Ihre letzte Meinung gesagt?«
»Ich bedaure, Ihnen keinen andern Bescheid geben zu können,« versetzte der Landwirth und sah mit einer Art Mitleid auf die beiden Fremden. »Es thut mir in der That leid, daß Sie den Umweg zu mir gemacht haben. Verlangen Sie meine Wirthschaft zu sehen, jede Thür soll Ihnen geöffnet sein. Die Mauern meines Hauses öffne ich Niemandem. Ich bin übrigens bereit, Ihre Mittheilung als Geheimniß zu bewahren, um so lieber, da dies auch in meinem Interesse liegt.«
»Ihre Weigerung, irgendwelche Nachforschungen auf Ihrem Eigenthume anzustellen, macht ein ferneres Geheimhalten dieser Nachricht unnöthig,« entgegnete der Doctor, »meinem Freunde bleibt jetzt nichts übrig, als seine Entdeckung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu berichten, er hat dann seine Pflicht gethan, vielleicht daß Andere Ihnen gegenüber glücklicher sind als wir.«
Der Landwirth fuhr auf. »Donnerwetter, Herr, sind Sie des Teufels? Sie wollen die Geschichte in der Zeitung Ihren Collegen erzählen? Wahrscheinlich werden diese ebenso denken wie Sie.«
»Zuverlässig werden Hunderte die Sache genau so ansehen wie wir, und Ihre Weigerung ebenso verurtheilen wie wir,« rief der Doctor.
»Herr, wie Sie mich beurtheilen, ist mir ganz gleichgültig, ich muß Sie bitten, mich so schwarz zu schildern, als Ihre Wahrheitsliebe irgend zuläßt,« rief der Landwirth unwillig. »Aber ich sehe voraus, daß das alles nichts helfen wird. Verwünscht seien die Mönche und ihr Schatz! Jetzt habe ich jeden Sonntag und jede Stunde Ihrer Ferien einen Besuch wie den Ihren zu erwarten, fremde Gesichter mit Brillen und Regenschirmen, welche den Anspruch erheben, unter das Holzgestell meines Milchkellers zu kriechen und in der Schlafstube meiner Kinder an der Decke herumzuklettern. Zum Teufel mit diesem Tacitus!«
Der Professor ergriff seinen Hut: »Wir empfehlen uns Ihnen,« und ging nach der Thür.
»Halt, meine Herren,« rief der Wirth unruhig, »nicht so schnell. Lieber will ich noch mit Ihnen beiden zu thun haben, als mit einer unablässigen Wallfahrt Ihrer Collegen. Weilen Sie noch einen Augenblick, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie selbst sollen durch mein Haus gehen, Sie mögen den alten Bau vom Boden bis zum Keller untersuchen. Es ist eine harte Zumuthung für mich und meine Hausgenossen, ich will das Opfer bringen. Finden Sie eine Stelle, die Ihnen Verdacht einflößt, so reden wir darüber. Dagegen versprechen Sie mir, daß Sie gegen meine Hausleute von dem Zweck Ihres Hierseins schweigen. Meine Arbeiter sind ohnedies aufgeregt; wenn Sie dem unseligen Gerücht neue Nahrung geben, so kann ich nicht dafür stehen, daß nicht meine eigenen Leute auf den Einfall kommen, mir an einer Ecke des Hauses die Grundmauer durchzustoßen. Mein Haus ist Ihnen den ganzen Tag geöffnet, so lange sind Sie meine Gäste. Dann aber, wenn Sie mündlich oder schriftlich über die Sache reden, fordere ich den Zusatz, es sei von Ihnen das Mögliche geschehen, mein Haus durchsucht, aber nichts gefunden worden. Wollen Sie diesen Vertrag mit mir eingehen?«
Der Doctor sah zweifelnd auf den Professor, ob der Stolz des Freundes sich solcher Bedingung beugen werde. Wider Erwarten flog ein Strahl von Freude über das Antlitz des Gelehrten, und er erwiederte artig: »Sie haben uns in einem Punkt mißverstanden. Nicht wir beanspruchen die verborgene Handschrift aus Ihrem Eigenthum herauszuholen, sondern wir sind nur gekommen, um Sie selbst für den Versuch zu gewinnen. Daß wir in einem fremden Hause, unbekannt mit den Räumen und ungeübt in dieser Art Nachforschung, nichts finden werden, ist uns sehr deutlich. Wenn wir dennoch die lächerliche Lage, in welche Sie uns versetzen, nicht vermeiden und Ihr Anerbieten annehmen, so thun wir dies nur in der Hoffnung, daß uns in den Stunden unseres Hierseins gelingen wird, Ihnen selbst ein größeres Interesse an dem möglichen Funde beizubringen.«
Der Landwirth bewegte abweisend das Haupt auf den hohen Schultern. »Ich habe nur das Interesse, die Sache so schnell als möglich in Vergessenheit zu bringen. Sie mögen thun, was Sie für Pflicht halten. – Meine Geschäfte verhindern mich, Sie zu begleiten, ich übergebe Sie meiner Tochter.«
Er öffnete die Thür des Nebenzimmers und rief: »Ilse!«
»Hier, Vater,« antwortete eine klangvolle Altstimme. Der Landwirth ging in das Nebenzimmer. »Komm hervor, Ilse, ich habe heut einen besondern Auftrag für dich. Da drin sind zwei fremde Herren von einer Universität. Sie suchen ein Buch, das vor alten Zeiten in unserm Hause versteckt sein soll. Führe sie durch das Haus, schließ ihnen alle Räume auf.«
»Aber Vater –« unterbrach ihn die Tochter.
»Thut nichts,« fuhr der Landwirth fort, »es muß sein.« Er trat näher an sie und sprach leiser: »Es sind zwei Gelehrte, sie haben einen Sparren –« er wies nach dem Kopfe. »Was sie sich einbilden, ist verrückt, und ich gebe ihnen nur nach, um in Zukunft Ruhe zu haben. Sei vorsichtig, Ilse, ich kenne die Leute nicht. Ich muß auf’s Vorwerk, dem Hofverwalter will ich sagen, daß er sich in der Nähe des Hauses hält. Sie scheinen mir zwei ehrliche Narren, aber der Teufel mag trauen.«
»Ich fürchte mich nicht, Vater,« erwiederte die Tochter, »das Haus ist voll Menschen, wir werden schon mit ihnen fertig werden.«
»Sorge dafür, daß die Mägde nicht herumstehen, während die Fremden an den Wänden klopfen und messen. Sie sehen mir übrigens nicht aus, als ob sie viel finden würden, wenn auch alle Wände aus Büchern gemauert wären. Aber daß sie irgendwo einschlagen oder die Wand beschädigen, das leidest du nicht.«
»Recht, Vater,« sagte die Tochter. »Bleiben sie über Mittag?«
»Jawohl, dein Dienst geht bis zum Abend. In der Molkerei wird dich die Mamsell vertreten.«
Durch die Thür hörten die Freunde Bruchstücke der Unterredung, sie gingen nach den ersten Worten der Anweisung schnell an das Fenster und sprachen laut miteinander über eine große Strohanhäufung am First der Scheuer, die nach der Behauptung des Doctors ein Storchnest war, während der Professor die Ansicht vertrat, daß Störche nicht auf solchen Höhen nisteten. Dazwischen sagte der Professor leise: »Es ist unbequem, in dieser demüthigen Lage auszudauern. Aber wir vermögen nur durch unser Beharren den Hauswirth zu überzeugen.«
»Vielleicht entdecken wir doch etwas,« antwortete der Doctor. »Ich habe einige Erfahrung in Maurerarbeit, als Knabe fand ich beim Bau unseres Hauses Gelegenheit, schöne Kenntnisse in Statik und Balkenklettern zu erwerben. Gut, daß der Tyrann uns allein läßt. Unterhalte du die Tochter, ich will derweile an den Wänden klopfen.«
Wer jemals einer undeutlichen Spur nachgegangen ist, der weiß, wie schwierig in der Nähe erscheint, was in der Ferne so leicht dünkt. Während zuerst die trügende Göttin Hoffnung alle guten Möglichkeiten mit hellen Farben malt, regt die Arbeit des Suchens selbst jeden Zweifel auf. Die lockenden Bilder verbleichen, Kleinmuth und Ermüdung werfen ihre Schatten. Zuletzt wird pflichtmäßige Ausdauer, was im Anfange ein frisches Wagen war.
4.
Das alte Haus
Der Landwirth trat ein, die Reitgerte in der Hand, hinter ihm die hohe Gestalt vom Friedhof. »Hier meine Tochter Elise, sie wird meine Stelle vertreten.«
Die Freunde verneigten sich. Es war dasselbe schöne Antlitz, aber statt СКАЧАТЬ