Название: Die verlorene Handschrift
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Wenn du öffentliche Mittheilung von dieser Ueberlieferung machst, so gibst du die Aussicht, die Handschrift selbst zu entdecken, und Alles, was sich daran knüpfen mag, aus den Händen.«
»In dieser Sache muß jede persönliche Rücksicht schwinden,« entschied der Professor.
»Und wenn du jetzt die gefundenen Klosternotizen bekanntmachst,« fuhr der Doctor fort, »wer steht dir dafür, daß nicht die behende Thätigkeit eines Antiquars oder eines Ausländers allen weiteren Nachforschungen zuvorkommt? In solchem Falle mag der Schatz, selbst wenn er gefunden wird, nicht allein für dich, auch für unser Land, ja für die Wissenschaft verloren gehn.«
»Das letzte wenigstens darf nicht geschehn,« rief der Professor. – »Und auch, wenn du dich an die Staatsregierung jener Landschaft wendest, ist sehr zweifelhaft, ob dir Verständniß und guter Wille entgegenkommt,« erörterte der Doctor siegreich.
»Es fällt mir nicht ein, die Angelegenheit fremden Beamten zu überlassen,« erwiederte der Professor. »Wir haben aber ganz in der Nähe Jemand, dessen Glück und Scharfsinn im Aufspüren von Seltenheiten wunderbar sind. Ich habe Lust, dem Magister Knips von der Handschrift zu sagen: er mag seine Correcturen auf einige Tage bei Seite legen, für uns nach Rossau reisen und dort das Terrain untersuchen.«
Der Doctor fuhr in die Höhe: »Das darf niemals geschehen. Knips ist nicht der Mann, dem man ein solches Geheimniß anvertrauen darf.«
»Ich habe ihn doch stets zuverlässig gefunden,« entgegnete der Professor. »Er ist bei vieler Wunderlichkeit geschickt und wohlunterrichtet.«
»Mir wäre eine Entweihung deines schönen Fundes, den trödelhaften Mann dafür zu verwenden,«versetzte Fritz, »und ich werde es nie billigen.«
»Dann also,« rief der Professor, »bin ich entschlossen. Die Ferien sind vor der Thür, ich gehe selbst in das alte Haus. Du aber, mein Freund, auch du wolltest dir einige Reisetage gönnen, du mußt mich begleiten: wir reisen zusammen, schlag ein.«
»Von Herzen,« rief der Doctor, die Hand des Freundes fassend. »Wir dringen in das Schloß und citiren die Geister, welche über dem Schatze schweben.«
»Wir sprechen zuerst ein verständiges Wort mit dem Eigenthümer des Hauses. Was dann zu thun ist, wird sich finden. Unterdeß bewahren wir die Angelegenheit als Geheimniß.«
»So ist es recht,« stimmte Fritz bei; die Freunde stiegen vergnügt in den Garten des Herrn Hahn hinab und beriethen, um die weiße Muse gelagert, die Eröffnung des Feldzuges.
Fest eingedämmt durch methodisches Denken war die Phantasie des Gelehrten, aber in der Tiefe seiner Seele strömte doch reichlich und stark dieser geheimnißvolle Quell aller Schönheit und Thatkraft. Jetzt war in den Damm ein Loch gerissen, lustig ergoß sich die Flut über seine Saaten. Immer wieder flog ihm der Wunsch zu der räthselhaften Handschrift. Er sah die Maueröffnung vor sich und den ersten Schein der Leuchte, der auf die grauen Bücher in der Höhlung fiel; er sah den Schatz in seinen Händen, wie er ihn heraustrug und nicht mehr von sich ließ, bis er die unleserlichen Seiten entziffert hatte. – Seliger Geist des Frater Tobias Bachhuber! wenn du etwa deine Ferienzeit im Himmel dazu verwendest, auf unsere arme Erde zurückzukehren, und wenn du dann bei Nacht durch die Räume des alten Schlosses gleitest, deinen Schatz hütend und unberufene Neugierige schreckend, o so winke freundlich dem Manne zu, der jetzt naht, dein Geheimniß ins Sonnenlicht zu tragen, denn er sucht wahrhaftig nicht für sich Gewinn und Ehren, sondern er beschwört dich als ein Redlicher im Dienst guter Gewalten.
3.
Die Reise ins Blaue
Wer aus höhern Regionen auf die Gegend von Rossau herniederblickte, der konnte an einem sonnigen Erntemorgen des August zwischen den Weiden der Landstraße eine Bewegung wahrnehmen, welche den Thoren der Stadt zustrebte. Für nähere Betrachtung wurden zwei wandelnde Männer erkennbar, ein größerer und ein kleinerer, beide in hellen Sommerkleidern, welchen durch die Gewitterregen des letzten Tages aller Glanz abgespült war, beide mit ledernen Reisetaschen, welche am Riemen von der Schulter hingen; der größere trug einen breitkrempigen Filzhut, der kleinere einen Strohhut.
Die Wanderer waren Fremdlinge, denn sie hielten zuweilen an und beobachteten Thal und Hügel mit Genuß, was den Eingeborenen des Landes selten einfiel. Die Gegend war von Vergnügungsreisenden noch nicht entdeckt, in den Wäldern waren nirgend glatte Pfade für die Zeugstiefeln der Städter gebahnt, selbst der Fahrweg war keine Kunststraße, in den ausgefahrenen Wasserlöchern stand das Regenwasser, die Glöckchen der Schafherde und die Axt des Holzfällers wurden nur von den Bewohnern der Umgegend gehört, welche auf dem Felde arbeiteten oder zwischen zwei Orten ihrem Geschäft nachgingen. Und doch war die Landschaft nicht ohne Anmuth, die Umrisse der waldigen Hügel schwangen sich in kräftigen Linien, hier und da ragte Gestein zu Tage, ein Steinbruch zwischen Ackerflächen, ein Felshaupt zwischen den Bäumen des Waldes. Von den Bergen am Horizont zog ein kleiner Bach in gewundenem Lauf dem fernen Flusse zu, umsäumt von Wiesenstreifen, hinter denen sich die Ackerbeete bis zu den belaubten Höhen hinaufzogen. Fröhlich lag die einsame Landschaft im Morgenlicht, seitab von der großen Völkerstraße.
In der Niederung vor den Reisenden erhob sich rings von Hügeln umgeben der Ort Rossau, ein Landstädtchen mit zwei plumpen Kirchtürmen und dunklen Ziegeldächern, welche über die Stadtmauer ragten wie Rücken einer Rinderherde, die sich gegen ein Rudel Wölfe zusammengedrängt hat.
Die Fremden schauten von der Höhe mit warmer Theilnahme auf Schornsteine und Thürme hinter der alten Mauer, welche mißfarbig, geborsten und geflickt vor ihnen lag. Dort war einst ein Schatz bewahrt worden, der wiedergefunden die ganze civilisirte Welt beschäftigen und Hunderte zu begeisterter Arbeit aufregen würde. Die Landschaft sah durchweg aus wie andere deutsche Landschaften, der Ort durchweg wie andere arme Städtchen. Und doch war irgendein kleiner Zug in der Gegend, der den Reisenden eine fröhliche Hoffnung nährte. War es der lustige Zwiebelaufsatz, welcher die dicken alten Thürme krönte? oder war es das Thorgewölbe, welches gerade vor den Reisenden den Eingang zur Stadt in lockendes Dunkel hüllte? oder die Stille des leeren Thalgrundes, in welchem der Ort ohne Vorstadt und Außenhäuser lag, wie auf alten Karten die Städte abgebildet werden? oder die Viehherde, welche aus dem Thore ins Freie zog und aus dem Anger leichtfertige Sprünge machte? oder war es vielleicht die kräftige Morgenluft, welche den Wanderern um die Schläfe wehte? Beide empfanden, daß etwas Merkwürdiges und Vielverheißendes in dem Thale schwebte, welches sie als Suchende betraten.
»Denke die Landschaft, wie sie sich einst dem Auge bot,« begann der Professor, »der Laubwald schloß sich in alter Zeit enger um den Ort, er formte die Hügel höher, das Thal tiefer, wie in einem Kessel lag damals das Kloster mit den Hütten seiner abhängigen Landleute. Hier im Süden, wo das Gelände sich steil hinabsenkt, haben die Mönche sicher einst ihren Klosterwein gebaut. Um das Kloster schlossen sich allmählich die Häuser der Stadt. Nimm den Thürmen die Mütze, welche ihnen vor hundert Jahren aufgesetzt wurde, und gib ihnen die alten Spitzen zurück, an die Mauern setze hier und da einen Thurm, und du hast einen hübschen Steinkasten, der ein geheimnißvolles Stück Mittelalter einschloß.«
»Und auf demselben Weg, der uns hierher geführt, zog einst ein gelehrter Mönch mit seinen Handschriften in das stille Thal, um hier die Brüder zu lehren oder sich vor mächtigen Feinden zu verbergen,« sagte hoffnungsvoll der Doctor.
Die Reisenden schritten am Anger vorüber, der Hirt sah gleichgültig nach den Fremden, aber die Kühe stellten sich an dem Grabenrand auf und starrten auf die Wanderer und das halbwüchsige Volk der Herde brummte ihnen fragend zu. Sie traten durch die dunkle Thorwölbung und sahen neugierig die Gassen entlang, welche hier zusammenliefen. Es war СКАЧАТЬ