Название: Die verlorene Handschrift
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Jetzt hatte der Kobold, welcher zwischen beiden Häusern hin und her lief, Steine in den Weg werfend und den Menschen Eselsohren bohrend, auch die beiden freien Seelen seines Reviers gegeneinander aufgeregt. Aber sein Versuch blieb kümmerlich: die wackern Männer waren nicht fügsam, nach seiner mißtönenden Pfeife zu tanzen.
Früh am nächsten Morgen trug Gabriel einen Brief seines Herrn zum Doctor hinüber. Als er in den feindlichen Hausflur trat, kam ihm eilig Dorchen, das Dienstmädchen der Familie Hahn, entgegen, einen Brief ihres jungen Herrn an den Professor in der Hand. Die Boten tauschten die Briefe und zu gleicher Zeit lasen die Freunde ihre Zuschriften.
Der Professor schrieb: »Mein lieber Freund, zürne mir nicht, daß ich wieder einmal heftig wurde, die Veranlassung war so abgeschmackt als möglich. Was mich verstimmte, war, ehrlich gesagt, daß du so unbedingt verweigertest, einen Lateiner mit mir herauszugeben. Denn die Möglichkeit, Verlorenes zu finden, welche wir im gefälligen Traume durch einige Augenblicke annahmen, war mir doch auch darum so lockend, weil sie uns beiden eine gemeinsame Thätigkeit in Aussicht stellte. Wenn ich versuche, dich in den engern Kreis meiner Wissenschaft zu ziehen, so wirst du voraussetzen, daß ich dabei nicht nur durch persönliche Empfindungen, sondern weit mehr durch den naheliegenden Wunsch bestimmt werde, für die Wissenschaft, auf welche ich mich beschränken muß, deine Kraft zu gewinnen.«
Fritz dagegen schrieb: »Lieber theurer Freund, ich trage das peinliche Gefühl mit mir herum, daß meine Empfindlichkeit von gestern uns beiden einen schönen Abend verdorben hat. Meine nur nicht, daß ich dir das Recht bestreiten will, mir die Weitschweifigkeit und Systemlosigkeit meiner Arbeiten vorzuhalten. Gerade weil deine Aeußerungen eine Saite berührten, deren stillen Mißklang ich selbst zuweilen empfinde, verlor ich für einen Augenblick die Unbefangenheit. Du hast sicher in Vielem Recht, nur das Eine bitte ich dich zu glauben, daß meine Weigerung, mit dir eine große Arbeit zu übernehmen, weder selbstsüchtig noch unfreundschaftlich war. Ich bin mir bewußt, daß ich ein, wenn auch für meine Kraft zu umfangreiches, Gebiet nicht verlassen, am wenigsten aber mit einem neuen Kreis von Interessen vertauschen darf, in welchem mein mangelhaftes Können dir nur zur Last sein würde.«
Beide waren nach Empfang dieser Briefe doch etwas beruhigt. Da aber einzelne Aeußerungen derselben jedem von ihnen eine weitere Auseinandersetzung nothwendig machten, so setzten sich beide hin und schrieben einander wieder kurz und gedrungen, wie gedankenvollen Männern ziemt. Der Professor antwortete: »Für deinen Brief, mein theurer Fritz, danke ich dir von Herzen. Nur das Eine muß ich wiederholen, du hast von je deinen eigenen Werth zu niedrig angeschlagen, und wenn ich dir einen Vorwurf machen darf, so ist es nur dieser.«
Fritz endlich antwortete: »Wie tief und gerührt empfinde ich in diesem Augenblick deine Freundschaft für mich. Nur das will ich dir noch sagen, unter Vielem, was ich von dir zu lernen habe, ist mir nichts nöthiger als deine bescheidene ›Beschränkung‹. Und wenn du mit diesem Worte deine umfassende und resultatvolle Thätigkeit bezeichnest, so zürne nicht, daß auch ich für meine Arbeit darnach ringe.«
Der Professor ging nach Absendung seines Briefes unruhig in die Vorlesung und hatte das Bewußtsein, daß er zerstreut vortrage, Fritz eilte auf die Bibliothek und suchte emsig alle Notizen zusammen, welche über Schloß Bielstein aufzutreiben waren. Am Mittag nach der Heimkehr las jeder den zweiten Brief des Freundes, dann sah der Professor oft nach der Uhr, und als es drei schlug, setzte er schnell seinen Hut auf und ging mit großen Schritten über die Straße in das feindliche Haus. Während er den Thürgriff an der Stube des Doctors faßte, fühlte er von innen einen Gegendruck, kräftig riß er die Thür auf, Fritz stand vor ihm, ebenfalls den Hut auf dem Kopf, im Begriff, zu ihm hinüberzugehen. Ohne ein Wort zu sagen, umarmten einander die beiden Freunde.
»Ich bringe gute Nachricht vom Antiquar,« begann der Professor.
»Und ich vom alten Schlosse,« rief Fritz.
»Höre zu,« sagte der Professor, »der Antiquar hat das Buch des Fraters von einem Kleinhändler gekauft, der im Lande umherzieht, Geräth und alte Bücher zu sammeln. Der Mann wurde in meiner Gegenwart herbeigeholt, er hat das Büchlein in der Stadt Rossau selbst aus dem Nachlaß eines Tuchmachers erstanden, mit einem alten Schrank und einigen geschnitzten Schemeln. Es ist also wenigstens möglich, daß die handschriftlichen Bemerkungen am Ende, die sich ohnedies ungeübtem Blick entziehen, seit dem Tode des Fraters niemals Aufmerksamkeit erregt und niemals Nachforschungen veranlaßt haben. – Vielleicht gewährt noch ein Kirchenbuch in Rossau Nachricht über Leben und Tod des Mönches Tobias Bachhuber.«
»Wohl,« bestätigte Fritz vergnügt, »es besteht dort eine Gemeinde seiner Confession. Schloß Bielstein aber liegt eine halbe Stunde von der Stadt Rossau auf einer waldigen Anhöhe – sieh hier die Karte. Es war früher Eigenthum des Landesherrn, im vorigen Jahrhundert ist es in Privatbesitz übergegangen. Das Gebäude aber dauert noch, es wird in dieser Landeskunde als altes Schloß aufgeführt, welches gegenwärtig Wohnhaus eines Herrn Bauer ist. – Auch mein Vater weiß von dem Hause, er hat es auf einer Geschäftsreise von der Landstraße gesehen und schildert es als ein langgestrecktes Gebäude mit Erkern und hohem Dach.«
»Die Fäden verflechten sich zu einem guten Gewebe,« sagte der Professor, sich behaglich zurechtsetzend.
»Halt, noch eins,« rief der Doctor geschäftig. »Die Sagen dieser Landschaft sind von einem unserer Freunde gesammelt. Der Wackere ist zuverlässig. Laß sehen, ob er eine Erinnerung aus der Umgebung von Rossau ausgezeichnet hat.« Er schlug eilig nach, sah in das Buch und blickte den Freund sprachlos an.
Der Professor ergriff den Band und las die kurze Notiz: »In der Umgegend von Bielstein erzählt man, daß vor alten Zeiten die Mönche einen großen Schatz im Schlosse vermauert haben.«
Wieder stieg die alte unheimliche Handschrift vor den Freunden aus dem Boden, deutlich sichtbar, mit den Händen zu greifen.
»Unmöglich ist ja nicht, daß die Handschrift dort noch versteckt liegt,« bemerkte endlich der Professor mit künstlicher Ruhe. »An Beispielen für dergleichen Funde fehlt es nicht. Es ist noch nicht lange her, da wurde in dem alten Hause eines Gutsbesitzers meiner Heimat eine Zimmerdecke durchgeschlagen, es war eine Doppeldecke, der leere Raum dazwischen enthielt eine Anzahl Urkunden und Papiere über Eigenthumsrechte, daneben einigen alten Schmuck. Der Schatz war auch zur Zeit des großen Krieges versteckt worden, und durch Jahrhunderte hatte Niemand auf die niedrige Decke der kleinen Stube geachtet.«
»Natürlich,« rief Fritz, sich die Hände reibend, »auch in den Bekleidungen der alten Rauchfänge sind zuweilen leere Räume; ein Bruder meiner Mutter fand beim Umbau seines Hauses an solcher Stelle einen Topf mit Münzen.« Er zog seinen Beutel. »Hier ist eine davon, ein schöner Schwedenthaler. Der Oheim gab mir ihn bei der Einsegnung als Heckgroschen und ich trage ihn seit der Zeit in der Börse. Ich habe manchmal harte Versuchung ihn auszugeben bekämpft.«
Der Professor untersuchte genau den Kopf Gustav Adolphs, als ob dieser ein Nachbar des versteckten Tacitus gewesen wäre und in seiner Umschrift eine Kunde von dem verlorenen Buch brächte. »Es ist richtig,« sagte er nachdenkend, »wenn das Haus auf einer Anhöhe liegt, könnten selbst die Kellerräume trocken sein.«
»Allerdings,« erwiederte der Doctor. »Häufig wurden auch die dicken Wände doppelt gemauert und der Zwischenraum mit Schutt ausgefüllt. Es ist in solchem Fall leicht, durch kleine Oeffnung einen hohlen Raum im Innern der Mauer hervorzubringen.«
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