Wie Satan starb . Artur Landsberger
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Название: Wie Satan starb

Автор: Artur Landsberger

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ sich – warum nich,« erwiderte der Landrat.

      »Ja oder nein?« fragte Frau Julie.

      »Er kann es sein.«

      »Genau so gut und so schlecht, wie es ein Landrat sein kann.«

      »Erlaube! erlaube!« widersprach Anton heftig. »Mir scheint doch, daß der Vergleich . . .«

      » . . . i Gott bewahre!« fiel ihm Frau Julie ins Wort. »Ich erlaube gar nicht: es gibt anständige Pedells und unanständige, genau so wie es anständige und unanständige Landräte gibt.«

      ». . . und – unanständige . . . Land . . . räte!« wiederholte Anton. »Na, da muß ich doch sagen, daß man bei der Auswahl der Landräte denn wohl doch etwas sorgfältiger verfährt, als bei der Auswahl von Schuldienern. – Verzeih, Mama, aber der Vergleich ist grotesk.«

      »Ist es durchaus nicht. Denn ich spreche nicht von der Herkunft, von der Kinderstube, von der Bildung, die neben verschiedenen andern weniger wichtigen, meist rein äußern Formen die Voraussetzung für die Ernennung eines Landrats sind: sondern ich spreche von der rein menschlich moralischen Seite, und da wirst du mir zugeben, daß ein Pedell ein ebenso anständiger Mensch wie ein Landrat sein kann.«

      »Diese Nebeneinanderstellung!« wehrte Anton verdrießlich ab. »Fühlst du denn jar nich, wie unanjenehm und kränkend das für mich is.«

      »Ganz und gar nicht. Ich für meine Person wenigstens ziehe einen anständigen Schuldiener einem unanständigen Landrat vor.«

      »Das sind doch rein jesellschaftlich jar nich miteinander komparable Begriffe.«

      »Wir sprechen ja jetzt von höheren als gesellschaftlichen Werten,« lenkte Frau Julie ein ohne es zu wollen, »nämlich von menschlichen. Jedenfalls, du gibst mir zu, ein Pedell kann bei allem, was ihn gesellschaftlich vom Landrat trennt, ein anständiger Mensch sein.«

      »Jewiß!«

      »War nun Oberpedell Hoffmann ein anständiger Mensch?«

      »Das war er wohl.«

      »Und seine Frau?«

      »Die war es wohl auch.«

      »Diese Aenne war demnach achtbarer Leute Kind.«

      »Ja, ja, aber was soll das nur?« fragte der Landrat ungeduldig.

      »Diese Aenne besuchte eine höhere Schule, eine Handelsakademie, sprach mehrere Sprachen und bekleidete in einem der ersten Anwaltsbüros eine durchaus nicht untergeordnete Stellung.«

      »Jewiß! jewiß! ’n Bürovorsteher oder ’n Volksschullehrer wäre wahrscheinlich sehr glücklich mit ihr jeworden.«

      »Peter, der kurze Zeit bei demselben Anwalt arbeitete,« fuhr Frau Julie fort, »erkannte ihre außergewöhnlichen Qualitäten und die beiden Menschen verliebten sich ineinander.«

      »Was man so lieben nennt,« warf Baron Zobel ein.

      »O nein!« widersprach Frau Julie, »vielmehr eine Liebe, wie man sie heutigen Tages leider nur noch selten findet. Sie vertraute ihm und er hatte den ernsten Willen, sie zu seiner Frau zu machen.«

      »Das is ja doch der Wahnsinn!« erwiderte der Landrat. »Um es dazu nich kommen zu lassen, um diese Mesalliance zu verhindern, veranlaßten wir seine Versetzung nach Südwest.«

      »Weil wir keine Ahnung von der Tiefe des Gefühls hatten, das die beiden Menschen miteinander verband,« sagte Frau Julie, und der Medizinalrat ergänzte:

      »Weil wir uns einredeten, diese Trennung würde genügen, um sie auseinander zu bringen.«

      »So hattet ihr es mir wenigstens dargestellt,« sagte Frau Julie, »ich sehe euch beide« – wandte sie sich an ihre Schwiegersöhne – »noch vor mir, als wenn es heute wäre. ›Laß uns nur machen‹ sagtet ihr, ›das geht ganz schmerzlos. Man macht ihr klar, daß Peter für die nächsten Jahre fort ist, für ihre Zwecke also ausscheidet, legt auf die Wunde ein Pflaster und verabschiedet sie an den Nächsten, mit dem es ihr ein paar Monate später dann genau so geht.«

      »Das ist ja doch so üblich,« erwiderte Zobel, und Frau Julie sagte:

      »Ich, die ich von den Dingen natürlich keine Ahnung hatte, war entsetzt und fragte: ist es denn möglich, hat so eine Frau denn kein Gefühl? worauf ihr nicht ohne Spott erwidertet: ›Gewiß! das hat sie schon. Aber die Person spielt dabei keine so große Rolle. Wen sie hat, auf den konzentriert sie’s.‹ »

      »Tut se’ auch,« bestätigte der Landrat, »wenigstens im allgemeinen.«

      »Aber ihr nahmt euch nicht die Mühe, festzustellen, ob euer Wald- und Wiesenrezept auch auf diese Aenne zutraf. Bei ihr war die Liebe nicht das Primäre, für das sie nur einen Gegenstand der Betätigung suchte: gleichviel, wer es war. Peter war es, der jenes Gefühl in ihr zum Erwachen brachte, das eine Frau nur einmal und nur an einen zu vergeben hat. Für eine Frau von Wert wird das ihr Schicksal bedeuten. Aenne war so eine! Ihr kamt ihr erst in moralischer Pose und suchtet mit Geld und sachlichen Argumenten ein Gefühl, wie einen Vertrag oder eine Sache wegzudiskutieren. Und der Erfolg? Und das Ergebnis? Es stellte sich heraus, wieviel tiefer und moralischer ihr Gefühl war, als euer Zorn und eure Entrüstung. Ihrem einfachen und unverfälschten Wesen gegenüber, den schlichten Worten, die ihr Herz als Antwort auf alle eure spitzfindigen Reden fand, wirktet ihr in eurer Gespreiztheit und mit euren gesellschaftlichen Phrasen, verzeiht, possenhaft. Aller Schmutz, den ihr, da euer so erprobtes System bei Aenne nicht zum Ziele führte, in eurer gekränkten Eigenliebe auf sie abzuladen suchtet, glitt von diesem reinen Kinde, das nichts wußte und nichts wollte, das nur liebte und geliebt sein wollte, ab wie von einer Heiligen. Ich übertreibe nicht und die Zeit hat ihr Bild nicht verklärt – aber nie in meinem langen Leben habe ich die Gegensätze und gesellschaftliche Lüge stärker empfunden als in jenen peinlichen Stunden, da ihr über diese Aenne zu Gericht saßt, und ihre reine Liebe trotz aller Liebesnächte über eure anempfundene Moral und künstliche Erregung triumphierte.«

      »Aber Mama,« sagte Hilde mit einem ängstlichen Blick auf den Landrat.

      »Laß nur, mein Kind,« erwiderte Frau Julie, »wir alle spielen ja das ganze Leben über Komödie. Einmal dürft ihr euch von eurer alten Mutter schon die Wahrheit sagen lassen. Wenn der armen Aenne auch nicht mehr damit geholfen ist, so sollt ihr wenigstens mit Scham und Reue und Achtung an sie denken.«

      Der Landrat verzog den Mund, glitt lässig in den ledernen Fauteuil zurück, zog mit großer Nachlässigkeit erst sein goldenes Zigaretten-Etui, dann sein goldenes Gehänge aus der Tasche und zündete sich eine Zigarette an. Frau Julie aber sah an dem Ausdruck seines Gesichts, wie erkünstelt seine Ruhe war.

      »Ihr empfandet es ja denn auch als das, was es war,« fuhr Frau Julie fort, »als eine moralische Niederlage, die euch um so schwerer traf, als ihr auf seiten eures Gegners alles vorausgesetzt hattet, nur keine Moral. Auf Wut, Niedertracht, Geldgier, auf alles das wart ihr gefaßt! Denn über diese Mittel verfügtet auch ihr und konntet sie daher mit der Art nach gleichen, an Wirkung aber zehnfach, hundertfach stärkeren Waffen niederkämpfen. Nur über Moral verfügtet ihr nicht! Ich will euch nicht zu nahe treten, gesellschaftliche Moral, gewiß, die besaßet ihr! Darin übertrifft euch niemand! Aber die reine Moral, die unbewußte, die von Gott kommt, davon habt ihr in euren Kindertagen vielleicht einmal einen Hauch gespürt. Nun, da sie in dieser Aenne wieder vor euch hintrat, wart ihr entwaffnet. Und in dieser Bedrängnis – und darin liegt denn auch die einzige Entschuldigung für euch! – wuchs eure Wut ins Ungeheure СКАЧАТЬ