Название: Armadale
Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Meine Mutter hegte von Anfang an Abneigung und Mißtrauen gegen Ingleby. Als sie entdeckte, daß unsere Bekanntschaft schnell zu vertrauter Freundschaft reifte, daß ich diesem Untergebenen – ich war mein Leben lang fast nur mit Untergebenen umgegangen und fand Gefallen daran – mein vollstes Zutrauen schenkte, machte sie eine Anstrengung nach der andern, um uns zu trennen, doch schlugen dieselben alle fehl. Aufs Aeußerste getrieben, wollte sie ihre letzte Chance versuchen und schlug mir deshalb eine Reise vor, an die ich selbst schon oft gedacht hatte, eine Reise nach England.
Ehe sie den Gegenstand zur Sprache brachte, beschloß sie, für diesen Besuch in England ein Interesse in mir zu erwecken, wie ich es bisher noch nie gefühlt hatte. Sie schrieb an einen alten Freund und ehemaligen Verehrer, den verstorbenen Stephen Blanchard zu Thorpe-Ambrose in Norfolk, einen Grundeigenthümer und Wittwer mit einer zahlreichen erwachsenen Familie. Aus späteren Entdeckungen entnahm ich, daß sie ihn an ihre alte Zuneigung zu einander erinnerte, welche, wie ich glaube, durch die beiderseitigen Aeltern gestört wurde, und daß sie, als sie Mr. Blanchard bat, ihren Sohn willkommen zu heißen, wenn dieser nach England käme, nach seiner Tochter fragte und so auf eine Heirath anspielte, welche die beiden Familien vereinigen würde, falls die junge Dame und ich einander gefielen. Wir waren nach der Ansicht meiner Mutter in jeder Beziehung ein passendes Paar, und die Erinnerung, die sie von ihrer Mädchenliebe zu Mr. Blanchard bewahrte, ließ ihr die Aussicht einer Verbindung zwischen mir und der Tochter ihres alten Verehrers als die schönste und glücklichste erscheinen, die sich ihrem Auge bieten könnte. Von alledem wußte ich nichts, bis Mr. Blanchard’s Antwort in Barbadoes anlangte. Meine Mutter zeigte mir diesen Brief und legte mir die Versuchung, die mich von Fergus Ingleby trennen sollte, offen in den Weg.
Mr. Blanchard’s Brief war von der Insel Madeira datirt. Er war leidend und des Klimas wegen von feinen Aerzten dorthin gesandt worden. Seine Tochter begleitete ihn. Nachdem er seine herzliche Erwiderung aller Hoffnungen und Wünsche meiner Mutter ausgedrückt, schlug er vor, daß ich, falls ich Barbadoes bald zu verlassen beabsichtigte, ihm auf meiner Reise nach England auf der Insel Madeira einen Besuch abstatten sollte. Falls dies jedoch nicht ausführbar sei, nannte er die Zeit, um die er nach England zurückgekehrt zu sein erwartete, wo ich mich dann eines herzlichen Willkommens in seinem Hause zu Thorpe-Ambrose versichert halten solle. Zum Schlusse entschuldigte er sich deswegen, daß er nicht ausführlicher schriebe, indem er erklärte, daß er sehr an den Augen leide und bereits den ärztlichen Verordnungen ungehorsam gewesen, indem er der Versuchung nachgegeben, mit eigener Hand an seine alte Freundin zu schreiben.
Der Brief allein hätte, ungeachtet des gütigen und freundschaftlichen Tons, in dem derselbe gehalten war, wahrscheinlich wenig Eindruck auf mich gemacht. Doch es kam noch etwas mit dem Brief» es war ein Miniaturportrait von Miß Blanchard demselben beigelegt. Auf die Rückseite des Bildes hatte der Vater halb scherzend, halb aus Zärtlichkeit folgende Worte geschrieben: – Ich kann nicht, wie gewöhnlich, meine Tochter bitten, meine Augen zu schonen und für mich zu schreiben, ohne sie von Ihren Fragen zu unterrichten und in ihrer Bescheidenheit erröthen zu machen. Deshalb sende ich sie ohne ihr Vorwissen in effigie, damit sie für sich selbst spricht. Es ist ein gutes Portrait von einem guten Mädchen. Falls Ihr Sohn ihr gesällt, und falls er mir gefällt, wovon ich im voraus überzeugt bin, so dürfen wir es noch erleben, meine gute Freundin, unsere Kinder als das zusehen, was wir einst selbst zu sein hofften, als Mann und Frau.« Meine Mutter gab mir Bild und Brief. Das Bild frappirte mich augenblicklich, ich weiß nicht wie und ich weiß nicht warum, wie nichts der Art mich je zuvor frappirt hatte.
Ein schärferer Verstand als der meinige hätte den außerordentlichen Eindruck, den dasselbe auf mich machte, vielleicht meinem damaligen zerrütteten Gemüthszustande zugeschrieben, oder dem Ueberdrusse an den gemeinen Vergnügungen, der sich seit einigen Monaten meiner zu bemächtigen angefangen, oder dem sich aus diesem Ueberdrusse ergebenden unbestimmten Verlangen nach neuen Interessen und frischern Hoffnungen, als noch bisher meinen Geist erfüllt Ich versuchte keine solche verständige Selbstprüfung; ich glaubte damals an eine Bestimmung; ich glaube noch jetzt an eine solche. Es genügte mir, zu wissen – und ich wußte es – daß die erste Regung von etwas Besserem als meiner thierischen Natur durch jenes Mädchenantlitz in mir erweckt wurde, das mich aus jenem Bilde anschaute, wie mich bisher noch kein Weib angeschaut hatte. In jenen zärtlichen Augen und in der Hoffnung, jenes sanfte Wesen zu meiner Gattin zu machen, sah ich meine Bestimmung geschrieben. Das Bild, welches auf so seltsame und so unerwartete Weise in meine Hände gelangt, war der stumme Glücksbote, der mich zu Warnen, zu ermuthigen und emporzurichten gesandt worden, ehe es zu spät sein würde. Ich legte das Bild abends unter mein Kissen, um es am nächsten Morgen immer und immer wieder zu betrachten. Meine am Tage zuvor gefaßte Ueberzeugung blieb dieselbe; mein Aberglaube, wenn man es so nennen will, zeigte mir unwiderstehlich den Weg, den ich wandeln sollte. Es lag ein Schiff im Hafen, das in vierzehn Tagen nach England absegeln und bei Madeira anlegen sollte. Auf diesem Schiffe nahm ich einen Platz für die Ueberfahrt.«
Viertes Kapitel
Bis hierher hatte der Schotte gelesen, ohne ein einziges Mal unterbrochen zu werden. Bei diesen letzten Worten jedoch mischten sich die leisen, gebrochenen Töne einer andern Stimme in die seinige.
»War sie blond«, fragte die Stimme, »oder dunkel wie ich?«
Mr. Neal hielt inne und sah auf. Der Doctor saß noch immer am Kopfende des Bettes und seine Finger befühlten mechanisch den Puls des Kranken. Das Kind, welches seinen Nachmittagsschlaf vermißte, begann sein Spielzeug zu vernachlässigen. Die Augen des Vaters beobachteten den Knaben mit verzückter und unausgesetzter Aufmerksamkeit. Nur eine große Veränderung hatte unter den Zuhörern stattgefunden, seit die Vorlesung ihren Anfang genommen. Mrs. Armadale hatte die Hand ihres Gatten sinken lassen und saß mit Von ihm abgewandtem Gesichte da. Das heiße afrikanische Blut glühte roth in ihren dunklen Wangen, als sie hartnäckig die Frage wiederholte; »War sie blond oder dunkel wie ich?«
»Blond«, sagte ihr Gatte, ohne die Fragende anzusehen.
Ein krampfhaftes Zusammenpressen ihrer Hände, die gefaltet auf ihrem Schoße lagen, – dies war ihre einzige Antwort. Mr. Neal’s buschige Augenbrauen zogen sich finster zusammen, als er sich der Erzählung wieder zuwandte: Er war höchst unzufrieden mit sich selbst, denn er hatte sich eben darüber ertappt, wie er die Dame im Stillen bemitleidete.
»Ich habe gesagt«, hieß es in dem Briefe weiter, »daß Ingleby mein innigstes Zutrauen gewonnen hatte. Es that mir weh, daß ich ihn verlassen mußte, und der Ausbruch seiner Bestürzung und seines ungeheuchelten Schmerzes, womit er die Mittheilung über meine bevorstehende Abreise aufnahm, machte mich vollends unglücklich. Um mich vor ihm zu rechtfertigen, zeigte ich ihm den Brief nebst dem Bilde und erzählte ihm den ganzen Hergang. Mit der Theilnahme eines wahren Freundes erkundigte er sich bei mir nach Miß Blanchards Familie und Vermögensverhältnissen, ja meine Achtung für ihn und mein Glaube an seine Aufrichtigkeit ward noch dadurch erhöht, daß er mit der größten Selbstverleugnung seine eigne Person in den Hintergrund stellte und mich hochherzig aufmunterte, auf der Ausführung meines jetzigen Vorhabens zu bestehen. Als wir uns trennten, war ich kerngesund und gutes Muths, allein bevor wir uns am nächsten Tage wieder treffen konnten, hatte mich plötzlich eine Krankheit befallen, die meinen Verstand wie mein Leben gleichermaßen bedrohte.
Ich habe keinen Beweis gegen Ingleby. Gab es ja doch mehr als eine Frau auf der Insel, gegen die ich mich in unverzeihlicher Weise vergangen hatte und deren Rache mich in jenem Augenblicke recht wohl erreicht haben mochte. Kurz, ich kann Niemanden anschuldigen Nur das kann ich sagen, daß mein Leben durch meine alte Amme, eine Schwarze, gerettet ward, welche, wie sie mir später bekannte, das gewöhnliche Gegengift der Neger gegen ein dort selbst wohlbekanntes Negergift angewandt hatte. Als ich mich in den ersten Tagen meiner Genesung befand, war das Schiff, auf dem ich meinen Platz zur Ueberfahrt gelöst, СКАЧАТЬ