Soll und Haben, Bd. 1 (2). Gustav Freytag
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Название: Soll und Haben, Bd. 1 (2)

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ alle Menschen, welchen das Schicksal Familienerinnerungen aus alter Zeit auf einen Schild gemalt und an die Wiege gebunden hat, war auch unser Freiherr geneigt, viel an die Vergangenheit und Zukunft seiner Familie zu denken. An seinem Großvater war die trübe Erfahrung gemacht worden, daß ein einziger ungeordneter Geist hinreicht, das auseinander zu streuen, was emsige Vorfahren an Goldkörnern und Ehren für ihre Nachkommen gesammelt haben. Er hätte deßhalb gern sein Haus für alle Zukunft vor dem Herunterkommen gesichert, hätte gern sein schönes Gut in ein Majorat verwandelt und dadurch leichtsinnigen Enkeln erschwert, zwar nicht Schulden zu machen, aber dieselben zu bezahlen. Doch die Rücksicht auf seine Tochter hielt ihn von diesem Schritte ab, es kam seinem ehrlichen Gefühl ungerecht vor, dies geliebte Kind wegen künftiger ungewisser Rothsattel zu enterben. Und er empfand mit Schmerz, daß sein altes Geschlecht in der nächsten Generation in dieselbe Lage kommen werde, in der die Kinder eines Beamten oder eines Krämers sind, in die unbequeme Lage, sich durch eigene Anstrengung eine mäßige Existenz schaffen zu müssen. Er hatte oft versucht, von seinen Erträgen zurückzulegen, indeß die Gegenwart war dazu wirklich nicht geeignet; überall fing man an mit einer gewissen Reichlichkeit zu leben, mehr auf elegante Einrichtung und den zahllosen kleinen Schmuck des Daseins zu halten. Und was er in günstigen Jahren etwa gespart hatte, das war auf kleinen Badereisen, welche die zarte Gesundheit seiner Frau nach der Behauptung des Arztes nothwendig machte, immer wieder ausgegeben worden. Der Gedanke an die Zukunft seiner Familie beschäftigte den Freiherrn auch heut, als er auf seinem Halbblut durch die große Kastanienallee dem Schlosse zusprengte. Es war eine sehr kleine Wolke, welche unter dem Sonnenschein seiner Seele dahinfuhr, sie verschwand im Nu, als er Gewänder vor sich flattern sah und seine Gemahlin erkannte, welche mit der Tochter ihm entgegeneilte. Er sprang vom Pferde, küßte sein Lieblingskind auf die Stirn und sagte vergnügt zu seiner Frau: »Wir haben vortreffliches Wetter zur Heuerndte, es wird nach Kräften eingefahren, der Amtmann behauptet, wir hätten noch nie so viel Futter gemacht.«

      »Du hast Glück, Oscar,« sagte die Baronin zärtlich zu ihm aufblickend.

      »Wie immer seit siebzehn Jahren, seit ich dich heimgeführt habe,« antwortete der Gemahl mit einer Artigkeit, die vom Herzen kam.

      »Heut sind es siebzehn Jahr,« rief die Baronin, »sie sind vergangen, wie ein Sommertag. Wir sind sehr glücklich gewesen, Oscar.« Sie schmiegte sich an seinen Arm und sah dankend zu ihm auf.

      »Gewesen?« frug der Freiherr, »ich denke, wir sind's noch. Und ich sehe nicht ein, weßhalb es nicht weiter so fortgehen soll.«

      »Berufe es nicht,« bat die Baronin. »Mir ist manchmal, als könnte so viel Sonnenschein nicht ewig währen; ich möchte demüthig entbehren und fasten, um den Neid des Schicksals zu versöhnen.«

      »Nun,« sagte der Freiherr gutmüthig, »das Schicksal läßt uns auch nicht ungezaust. Die Donnerwetter fehlen uns nicht, aber diese kleine Hand erhebt sich zur Beschwörung und sie ziehen vorüber. Hast du nicht Aerger genug mit dem Haushalt, den Tollheiten der Kinder, und zuweilen mit deinem Tyrannen, daß du dir mehr ersehnst?«

      »Du lieber Tyrann!« rief die Baronin. »Dir danke ich dies Glück. Und wie fühle ich es! Nach siebzehn Jahren bin ich immer noch stolz darauf, einen so stattlichen Hausherrn zu haben, ein so schönes Schloß und ein so großes Gut, wo jeder Fußtritt des Bodens auch mir gehört. Als du mich, das arme Fräulein, mit meinen Fähnchen und dem Schmuckkästchen, das ich der Gnade der Herrschaften verdanke, in dein Haus führtest, da erst lernte ich erkennen, welche Seligkeit es ist, im eigenen Hause als Herrin zu regieren, und dem Willen keines Andern zu gehorchen, als dem des geliebten Mannes.«

      »Du hast doch Vieles aufgegeben um meinetwillen,« sagte der Freiherr. »Oft habe ich gefürchtet, daß unser Landleben dir, dem Günstling der verstorbenen Prinzeß, zu einsam und klein erscheinen würde.«

      »Dort war ich Dienerin, hier bin ich Herrin,« sagte die Baronin lachend. »Außer meiner Toilette hatte ich nichts, was mir selbst gehörte. Immer in den langweiligen Stuben der Hoffräulein umherziehen, an allen Abenden zu der letzten Rolle verurtheilt sein, und dabei die Angst haben, daß das immer so fortgehen soll, bis man alt wird in ewigen Zerstreuungen, ohne eigenes Leben! Du weißt, daß mich das oft traurig gemacht hat. Hier sind die Ueberzüge unserer Möbeln nicht von schwerem Seidenstoff und in unserm Saal steht keine Tafel aus Malachit, aber was im Hause ist, gehört mir.« Sie schlang ihren Arm um den Freiherrn: »Du gehörst mir, die Kinder, das Schloß, unsere silbernen Armleuchter.«

      »Die neuen sind nur Composition,« warf der Freiherr ein.

      »Das sieht Niemand,« erwiederte seine Gemahlin fröhlich. »Und wenn ich das Porcellan ansehe, und am Rande dein und mein Wappen erblicke, so schmecken mir unsere zwei Schüsseln zehnmal so gut, als die vielen Gänge der Hofküche. Und vollends die großen Hoftage und unsere Marschallstafel, wo Jeder den Andern zum Verzweifeln genau kannte, und Jeder dem Andern zum Verzweifeln gleichgültig war.«

      »Du bist ein glänzendes Beispiel von Genügsamkeit,« sagte der Freiherr. »Um deinetwillen und wegen der Kinder wollte ich, dies Gut wäre zehnmal so groß, und unsere Einnahme so, daß ich dir einen Pagen halten könnte, Frau Marquise, und außer der Wirthschafterin ein Paar Hoffräulein.«

      »Nur kein Fräulein,« bat die Baronin, »und was den Pagen betrifft, so braucht man keinen, wenn man einen Cavalier hat, der so aufmerksam ist, wie du.«

      So schritt der Freiherr behaglich zwischen den beiden Frauen dem Schlosse zu. Lenore hatte sich unterdeß der Zügel seines Reitpferdes bemächtigt und redete dem Pferde freundlich zu, so wenig Staub als möglich zu machen.

      »Dort hält ein fremder Wagen, ist Besuch gekommen?« frug der Freiherr, als sie sich dem Hofe näherten.

      »Es ist nur Ehrenthal,« antwortete die Baronin, »er wartet auf dich und hat bereits seinen ganzen Vorrath von schönen Redensarten an uns verschwendet; Lenore ließ ihrem Uebermuth die Zügel schießen, und es war hohe Zeit, daß ich sie wegführte; dem drolligen Manne wurde angst bei der Koketterie des unartigen Kindes.«

      Der Freiherr lächelte. »Mir ist er immer noch der liebste aus dieser Klasse von Geschäftsleuten,« sagte er; »sein Benehmen ist wenigstens nicht abstoßend, und ich habe ihn in dem langen Verkehr stets zuverlässig gefunden. – Guten Tag, Herr Ehrenthal, was führt Sie zu mir?«

      Herr Ehrenthal war ein wohlgenährter Herr in seinen besten Jahren mit einem Gesicht, welches zu rund war, zu gelblich und zu schlau, um schön zu sein; er trug Gamaschen an den Füßen, eine diamantene Busennadel auf dem Hemd und schritt mit großen Bücklingen und tiefen Bewegungen des Hutes durch die Allee dem Baron entgegen.

      »Ihr Diener, gnädiger Herr,« antwortete er mit ehrerbietigem Lächeln, »wenn mich auch nichts herführt von Geschäften, so werde ich Sie doch bitten, Herr Baron, daß Sie mir manchmal erlauben, herumzugehen in Ihrer Wirthschaft, damit ich in meinem Herzen eine Freude habe. Es ist mir eine Erholung von der Arbeit, wenn ich komme in Ihren Hof. Alles so glatt und wohlgenährt, und Alles so reichlich und gut eingerichtet in den Ställen und in den Scheunen. Die Sperlinge auf dem Dach sehen bei Ihnen lustiger aus, als die Sperlinge von andern Leuten. Wenn man als Geschäftsmann so Vieles erblicken muß, was einen nicht erfreut, wo die Menschen durch ihr Verschulden in Unordnung kommen und Verfall, da thut's einem wohl, wenn man ein Leben sieht, wie das Ihre; keine Sorgen, keine großen Sorgen zum wenigsten, und so Vieles, was das Herz erfreut.«

      »Sie sind so artig, Herr Ehrenthal, daß ich glauben muß, etwas recht Wichtiges führt Sie her. Wollen Sie ein Geschäft mit mir machen?« frug der Freiherr gutmüthig.

      Mit einem Kopfschütteln, wie es dem biedern Mann ansteht, wenn er einen ungerechten Verdacht von sich abweisen will, antwortete Herr Ehrenthal: »Nichts vom Geschäft, Herr Baron! Die Geschäfte, die ich mit Ihnen mache, sind solche, wo man sagt keine Artigkeiten. Gute Waare und gutes СКАЧАТЬ