Friedrich v. Bodelschwingh: Ein Lebensbild. Gustav von Bodelschwingh
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СКАЧАТЬ sind. Meine Feldmarken selbst aber sind wie aus der schönsten westfälischen Landschaft herausgeschnitten, mit Eichengruppen, kleinen Wiesen, Hecken und zerstreuten Pächterwohnungen mannigfach verziert; dazu dann eine weite herrliche Aussicht über das ganze Gramenzer Gelände (denn Schoffhütten und Zechendorf liegen wohl mehrere hundert Fuß über den Gramenzer Wiesen). Da geht mir nicht selten das Herz so auf, daß ich laut aufjauchzen möchte vor Fröhlichkeit.

      Zu andern Zeiten kann ich dann freilich auch eine gewisse Wehmut nicht zurückweisen, wenn ich die schönen alten Pächtereien, auf denen oft ein und dieselbe Familie hundert Jahre gewohnt hatte, nun verwaist und verlassen stehen sehe, und nicht selten trifft man auf Leute, denen in Erinnerung an ihre alten Wohnstätten, die sie als ihr Eigentum anzusehen sich gewöhnt hatten, die Tränen in die Augen treten. Wie weit da nun Recht oder Unrecht waltet, kann ich nicht beurteilen, geht mich auch gar nichts an. So viel weiß ich aber, daß so viele Leute ihres heimatlichen Landes beraubt sind, ohne daß bis jetzt Herrn von Senfft der geringste Nutzen daraus erwachsen ist. Denn das den Pächtern genommene Land ist teilweise in Hände geraten, die es noch mehr mißhandelt haben wie jene.

      Der jetzige Oberinspektor aber, dahinter sind wir bald genug gekommen, ist in der Tat ein höchst untüchtiger Mann, der seiner Stellung nicht im geringsten gewachsen ist. Er hat in sehr wilder und leichtsinniger Weise darauf losgewirtschaftet, Land und Leute verdorben und Herrn von Senfft großen Schaden gemacht. Es ist daher auch bald ein drückendes Verhältnis zwischen Ernst und mir auf der einen Seite und ihm auf der andern Seite eingetreten. Wir kamen zuerst mit unsern Verbesserungsvorschlägen zu ihm. Aber da wir von ihm zurückgewiesen wurden, hielten wir uns bald für verpflichtet, sie durch Herrn von Senfft selbst durchzusetzen, der uns in allen Stücken ein fast zu großes Vertrauen schenkt. Dadurch ist nun der Mann moralisch sehr heruntergedrückt, während unser Wirkungskreis sich sehr erweitert hat. Einmal mißtrauisch geworden, haben wir uns bald verpflichtet gefunden, überall mit zuzusehen, haben in der Fruchtfolge geändert, im ganzen Leutewesen reformiert, ohne des Oberinspektors Einwilligung das Rechnungswesen umgestaltet usw. Dadurch sind wir allmählich sehr mächtig geworden und sind fast wider unsern Willen in eine Stellung hineingeraten, der wir gar nicht recht gewachsen sind.

      Zum Schluß will ich nur noch sagen, daß unser Familienleben, nämlich Ernst Senffts und meins, einzig ist und daß die Freude, mit dem unvergleichlichen Jungen zusammen leben zu können, alle andern Freuden, die mir hier Natur und Beruf reichlich gewähren, weit übersteigt. In einem kleinen Zimmer, mit allem möglichen Studentenflitter ausgestattet, hausen wir auf das lustigste, präsidieren bei Tafel über zwei Wirtschaftslehrlinge und einen Schulmeister, denen gegenüber wir die Würde zweier Wirtschaftsprinzipale einzunehmen wissen. Daß bei unserer jetzigen Tätigkeit nicht viel von theoretisch-wissenschaftlichen Studien die Rede sein kann, magst du leicht denken. Gleichwohl passiert es uns gar häufig, daß wir uns des Abends unwillkürlich aus übergroßer Müdigkeit aufrütteln und uns über irgend einem unserer guten alten Klassiker bis tief in die Nacht hinein ergötzen oder uns an beiderseitigen reichen Erinnerungen aus den letzten Jahren, die wir noch lange nicht alle ausgetauscht haben, beglücken.

      In der leisen Hoffnung, wenn nicht Dich selbst, so doch eins der Schwesterchen mit Herrn von Senfft von Berlin ankommen zu sehen, bin ich freilich diesmal getäuscht worden, hoffe aber doch noch einmal, Dir und ihnen unsere Herrlichkeit hier zeigen zu können.

      Verzeih mein wildes, unruhiges, unordentliches Geschwätz noch einmal, indem ich hoffe, bald vollständigere Nachricht geben zu können, und grüße die Mutter und die Schwestern

von Deinem gehorsamen SohnFriedrich.

      „Da der alte Herr”, so heißt es in den Erinnerungen weiter, „die gewöhnlichen Tänzereien bei den Erntefesten nicht litt, so erlaubte er meinem Freunde und mir, unsere Erfindungskraft anzustrengen, auf welche Weise dennoch fröhliche Volksfeste gefeiert werden könnten, um den Tagelöhnern und ihren Kindern nach der heißen Sommerarbeit einen Festtag zu gewähren. An irgend einem hochgelegenen Waldrande unter Eichen und Buchen wurden eine ganze Reihe von Feldküchen eingerichtet und ganze Körbe voll Kuchen und Obst hinausgeschafft. Mit Lied und Lobgesang im Kirchen- und Volkston wurde begonnen. Dann folgte eine Ansprache an die Versammlung, die auf die reiche Güte Gottes hinwies. Jetzt ging’s an die fröhliche Mahlzeit, die von den Gesängen der Kinder unterbrochen wurde. Dann wurde zu den mannigfaltigsten Spielen eingeladen, die für die Größeren und die Kleineren, für die Burschen und für die Mädchen besonders eingerichtet waren. Am Abend wurde mit Gesang und Gebet geschlossen.

      Eins dieser Feste, das wir an einem besonders herrlichen Platz meines hochgelegenen romantischen Schoffhütten feierten, nahm freilich ein trauriges Ende. Denn der Pommer liebt leider den Schnaps über alle Maßen. Lieschen Senfft, die Schwester meines Freundes, hatte den Honoratioren der Gesellschaft eine Überraschung bereitet. In einer besonders dichten Waldecke hatte sie einen kleinen Platz aushauen lassen, zu welchem ein ganz verborgener Pfad führte. Hier war künstlich eine schöne Laube zurechtgeflochten, mit Blumen geschmückt und mit Rasenbänken versehen, zwischen denen die schönsten Kaffeetische mit allerlei Zubehör aufgeschlagen waren. Während nun unsere Dorfbewohner fröhlich schmausten und Kaffee tranken, hatten wir uns hierher zurückgezogen. Da kam plötzlich die Nachricht: „Man prügelt sich.” Irgend ein Nichtsnutz hatte in ein anderes Waldgestrüpp ein Schnapsfaß eingeschmuggelt. Dem hatten eine Anzahl junger Burschen so fleißig zugesprochen, daß alsbald nach pommerscher Weise auch das Prügeln begann. Denn Schnaps und blutige Prügeleien waren hier alte Volkssitte. Die Männer liefen mit langen Knütteln bewaffnet herzu, um Frieden zu stiften. Da galt es denn für meinen Freund und mich, mitten zwischen die Knüppel zu springen, und nur mühselig gelang es uns, den Blutströmen zu wehren. Der traurige Abschluß unseres Festes war der Anlaß, daß hinfort keins dieser fröhlichen Volksfeste mehr gefeiert wurde.

      Übrigens diente während der Erntezeit dieses ersten Sommers ein merkwürdiges Ereignis dazu, mir die Augen über die ganzen Verhältnisse noch mehr zu öffnen. Mein Freund und ich waren spät abends noch zu einem Moorbrand gerufen worden, dessen Löschen uns bis tief in die Nacht hinein beschäftigt hatte. So hatte ich nur wenig Schlaf gefunden, als ich am andern Morgen um fünf Uhr schon wieder mein Pferd bestieg, um meinen gewohnten Weg nach meinem Vorwerk einzuschlagen. Dort bin ich aber von niemand bemerkt worden. Dagegen kam ich nach etwa sieben Stunden auf dem Pferde sitzend wieder in Raffenberg an. Meine Dido hatte ihre beiden Knie und ich meinen Kopf etwas wund. Ich stieg noch selbst vom Pferde und wollte, wie ich es gern, wenn ich nach Haus kam, zu tun pflegte, das kleine Töchterchen unserer Wirtin auf den Arm nehmen. Diese bemerkte aber etwas Besonderes an mir, gab mir das Kind nicht, sondern geleitete mich auf mein Zimmer, brachte mich zu Bett und sorgte für kalte Umschläge auf meinen Kopf. Erst mit hereinbrechender Nacht wachte ich auf und sah den lieben alten Herrn von Senfft an meinem Bette sitzen.

      Offenbar bestand die Lösung des Rätsels darin, daß ich infolge meiner geringen Nachtruhe auf dem Pferde eingeschlafen war und daß meine Dido, durch keinen Zügel gehalten, gestürzt war. Da ich das gelehrige Tier daran gewöhnt hatte, sowohl frei hinter mir herzugehen, indem ich ihm den Zügel über den Hals legte, als auch still zu grasen, wenn ich mich irgendwo ein wenig ausruhen wollte, so hatte mich Dido auch nach unserm beiderseitigen Sturz nicht verlassen, bis ich nach etwa fünf- bis sechsstündigem Liegen auf der Erde wieder so weit zur Besinnung kam, daß ich in den Sattel kommen konnte. So hatte denn das Pferd von selbst seinen Weg nach Hause eingeschlagen. Merkwürdig war nur, daß von dem Vorgefallenen nichts in meiner Erinnerung geblieben war.

      Der Arzt stellte eine Gehirnerschütterung fest, und ich hatte etwa vierzehn Tage völlige Ruhe nötig. Erst allmählich lernte ich wieder gehen und lesen, da mir beides anfangs schwer gefallen war. Für diese Ruhezeit nahm mich der alte Herr von Senfft mit nach Gramenz und ließ mich auf das treuste pflegen. Zugleich fand ich hier Gelegenheit, tiefere Blicke in die auf mannigfache Weise zerrütteten Verhältnisse zu tun und auch die Persönlichkeiten zu durchschauen, die dem Bestehen des Ganzen gefährlich waren. Zu meinem Freunde zurückgekehrt, teilte ich ihm alles mit, was ich wahrgenommen, und nicht ohne heiße Kämpfe wurden nun einige Persönlichkeiten aus dem Sattel gehoben, die bis dahin in der СКАЧАТЬ